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Samstag, 31. März 1984 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 »Fremd bin ich eingezogen ...« Peter Weber sang Franz Schuberts »Winterreise« (in Form einer Paraphrase) Wollte man Schuberts bedeutendsten Liederzyklus, die 24 Gesänge der »Win- terreise«, charakterisieren, man könnte sagen: Der Tod spielt ‚dur' in ‚mol!'. Tat- sächlich ist auffällig, daß einerseits eine ganze Reihe dieser Lieder scheinbar gelöst beginnt - in einem seltsamen Dur-moll- Gemisch (was die Stimmung, nicht was den harmonischen Status betrifft), ja zu- versichtlich, dann aber, häufig von einem Takt auf den andern, in beinahe kafkaes- ke Ausweglosigkeit mündet; anderseits fällt auf, daß die literarischen ‚Bilder' die- ser Lieder, um mit Trakl zu sprechen, ge- radezu ‚in schwarzer Verwesung' mün- den, d.h. um sukzessiven Zerfall kreisen - nur nicht so kraß wie beim Dichter von »Grodek« und vor allem ganz aus roman- tischer Empfindung heraus, also indivi- dueller. Trotzdem gerät alles mehr oder weniger in den Sog pathologischer Todes- verzerrung: die ‚Gute Nacht' (1. Lied) zur völligen äußeren und inneren Fremdheit vor sich selbst - »fremd zieh' ich wieder aus...«; die Vorstellung ‚Fahne' in ihrer ruhigen Bewegtheit oder auch in ihrem bauschigen Flattern zur starren, blecher- nen ‚Wetterfahne' (2. Lied), mit welcher der Wind sein knarrendes, regelloses Spiel treibt... Tränen gefrieren am Auge (3. Lied), und dieses Frostige steigert sich bis zur völligen Erstarrung (4. Lied). Auch der ‚Lindenbaum' (5. Lied) mit seinem einladenden Schatten erweist sich letztlich als Ort des Tcdes im Sinne eines Gedan- kenspiels mit dem Suizid. (»Du fändest Ruhe dort!«) Wasserfluten und die Wel- len des Flußes (Nr. 6, 7), jetzt im Winter alles eher denn einladend - nichts vom »Rauschenden Bächlein«, das zur Gelieb- ten eilt (Lied 1 im Zyklus ‚Schwanenge- sang') - bringen auch keine Linderung im existentiellen Verloren -‚ nein, Ge- worfensein (ist nicht überraschende philo- sophische Vorausnahme in diesen Gedich- ten Wilhelm Müllers?!), und das retro- spektive Lied ‚Rückblick' (Nr. 8) führt nur zum Erlebnis eines unheimlichen ‚Irr- lichts' (Nr. 9). Im ‚Greisen Kopf' dann (Nr. 14) der resignierte Satz: »Wie weit bis zur Bahre?« - und dies sagt ein rela- tiv junger, offenbar von schwersten Neu- rosen geschüttelter und von manischen Depressionen geplagter Mensch. (Auch Müller, fast deckungsgleicher Zeitgenoße Schuberts, stirbt mit 31!) Die ‚Krähe' aber (Nr. 15) wird irgendwie aus der Per- spektive, im wahrsten Sinne aus der ‚Vo- gelschau' ein wunderliches Tier genannt. (»Krähe, wunderliches Tier: meinst wohl, als Beute meinen Leib zu fassen?!«) Und wenn auch immer wieder Hoffnung (,Letz- te Hoffnung', Nr. 16) durchbrechen will, es ist doch nur von »meiner Hoffnung Grab« die Rede; denn er, der Dichter und Sänger, ist längst »zu Ende mit allen Träumen« (Lied ‚Im Dorfe', Nr. 17). - Ein letzter ‚Wegweiser' (Nr. 20) signali- siert Richtung; aber auch er leitet den mü- den Winterwanderer (»Flieg, Vogel, schnarr dein Lied im Wüstenvogel-Ton!« möchte man mit Nietzsche, Gedicht »Ver- einsamt«, sagen. Auch hier die ‚Krähe' - nach Gottfried Benn der ‚Große Vogel' des Gott-ist-tot-Dichters) nur ins Abseits: »Eine Straße muß ich gehen, die noch kei- ner kehrt zurück«. Der Weg führt vorbei an einem Totenacker (,Das Wirtshaus', Nr. 21). Der Dichter sieht in ihm jedoch ein kühles Gasthaus, in welchem freilich schon alle Kammern besetzt sind. Ausge- bucht! »Oh, unbarmherz'ge Schenke, noch weisest du mich ab...« - Ein letzter Versuch, ‚Mut' zu fassen (Nr. 22), dann erscheinen dem Dichter gleich mehrere Sonnen am Himmel (,Die Nebensonnen', Nr. 23): »Drei Sonnen sah ich am Himmel stehn ... Hab lang' sie angesehn ... « Von da führt der Weg jedoch zurück; genauer gesagt: es war ein Gehen im Kreis - in die absolute Fremdheit des Anfangs (die Vor- aussetzungen allerdings etwas verscho- ben); führt hin zur letzten Einsamkeit, zur großen Monotonie einer verloren im eisi- gen Winterhauch spielenden Drehorgel - letztes und wohl erschütterndstes Lied - zum Leiermann, dem wunderlichen Al- ten, ‚dem sein kleiner Teller immer leer bleibt': »Wunderlicher Alter, soll ich mit dir gehn? Willst zu meinen Liedern deine Leier drehn?« Nicht einmal der Tod hat ihn, den Dichter, welcher uns in 24 Selbst- porträts erschien, angenommen. Es bleibt vorerst nur die Fortsetzung der ‚Winter- reise', eben bis zum endgültigen Zusam- menbruch - fast möchte man sagen zu einer Art sartre'schen Hölle, und auch an Samuel Beckett (,Endspiel') wird man er- innert; denn nirgends in den Liedern ist - und dies läßt sie besonders tragisch, sogar fraglich erscheinen - von wirklicher Hoffnung, von möglicher Erlösung, von Einmünden - trotz allen Leids und gera- de deswegen - in das Ewige, ja, in das Göttliche, die Rede. Es war, wie man hörte, Peter Webers erste »Winterreise«, und es ist klar, daß in solch erstmaligem Ansetzen des Meißels an dieses schwierige, dem Sänger so viel an Einfühlung, Gestaltungsvermögen und Gesangstechnik abverlangende Werk nicht alles im Superlativ abgehen konnte. Trotzdem erstaunlich, und die Reverenz des Publikums offensichtlich! Höhepunk- te n. a. gewiß die ‚Wasserflut', der ‚Weg- weiser' ... Dzt. ‚winterreist' es in ganz Ti- rol: kürzlich in Wörgl, demnächst in Telfs und stets mit anderen Sängern. Vergleiche wären interessant! Daß unter den Händen Erik Werbas der neue Bösendorfer wunderbar klang, ist beinahe selbstverständlich. Prof. Wer- ba zeigte sich auch sehr befriedigt über den Ankauf, sprach sogar von einem herrlichen Instrument. Was jedoch das Geheimnis seines Erfolgs ist? Wohl nach wie vor und immer wieder gesagt, daß er »ein treuer Diener seiner Sänger« bleibt. Hugo Bonatti Liebe Kollegin! Lieber Kollege! Bei den kommenden Arbeiterkammer- wahlen am 8. und 9. April 1984 haben die Wähler in demokratischer Weise darüber zu entscheiden, wem sie die Verantwor- tung für eine wirksame Arbeitnehmerpo- litik in der Arbeiterkammer übertragen. Die Kammer für Arbeiter und Ange- stellte für Tirol hat in den letzten fünf Jahren ständig bewiesen, wie wertvoll sie für die arbeitenden Menschen ist. Gerade in Zeiten einer weltweiten Wirtschaftskri- se kommt dem wirkungsvollen Schutz der Arbeitnehmer besondere Bedeutung zu. Gerade deshalb, weil jeder einzelne Ar- beitnehmer die Vertretung durch die Ar- beiterkammer braucht, rufen wir alle Kol- leginnen und Kollegen auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Weil diese Interessensvertretung so viel für uns tun kann und soll, rufen wir dazu auf, jene Arbeitnehmervertreter zu wäh- len, die schon bisher gezeigt haben, daß unsere Anliegen bei ihnen in besten Hän- den liegen! Wir bitten alle Arbeitnehmer, genau zu überlegen, wem sie ihre Stimme geben, damit die Arbeiterkammer die Einrich- tung und Interessensvertretung bleibt, für die sie mit viel Kampf und Opfern ge- schaffen wurde. Die Sozialistischen Gewerkschafter Liste 1 KR Josef Brandstätter Kinderfenenaktion der Tiroler Volkshilfe Wie in den vergangenen Jahren führt auch heuer wieder der Wallfahrts- und Fürsorgeverein »Tiroler Volkshilfe« die Ferienaktion für gesundheitsgeschädigte Kinder in Cervia/Ravenna durch. Es können nur Kinder bis 13 Jahre be- rücksichtigt werden. Pro Familie ist die Anmeldung von zwei Kindern möglich. Aufenthalt drei Wochen. Jedes Kind benötigt einen gültigen Rei- sepaß oder Personalausweis. Folgende Termine stehen zur Auswahl: Turnus: Freitag, den 6. Juli mittags, bis Freitag, den 27. Juli abends. Turnus: Freitag, den 27. Juli früh, bis Freitag, den 17. August abends. Turnus: Freitag, den 17. August früh, bis Freitag, den 7. September abends. Die Anmeldung der Kinder soll schnell- stens erfolgen, da sonst keine Gewähr für eine positive Erledigung gegeben ist. Anmeldung bei: Kitzbühel: Bezirksse- kretär Heinz Leitner, Gerbergasse 11, Ar- beiterkammeramtsgebäude; St. Johann: Klaus Endstrasser, Schönbichlweg 16; Hopfgarten: Klaus Fuchs, Diewaldfeld- siedlung 305; Waidring: Franz Föder- mair, Grünwaldweg 3; Kössen: Josef Greil, Alleestraße; Kirchberg: Peter Kohl- reiter, Spertendorf 1/112; Fieberbrunn: Hans Zöggeler, Lindauweg 3; Hochfil- zen: Josef Bergmann, HNr. 142; St. Ja- kob i.H.: Christian Bucher, HNr. 83. Beihilfen werden von der Tiroler Volks- hilfe, von der Gebietskrankenkasse und eventuell von der Gemeinde gewährt.
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