Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 10 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 26. Mai 1984 Georg Hauser, Kitzbühel, ein 95er Rüstig, allseits interessiert und in bester Gesundheit vollendet unser ältester Mit- bürger, Georg Hauser, am 28. Mai 1984, sein 95. Lebensjahr. Wir gratulieren! Sein Lebenslauf: Georg Hauser wurde am 28. Mai 1889 beim Reischbauern in Jochberg geboren. Sein Vater, Johann Hauser, verunglückte wenige Wochen nach der Geburt des Sohnes in einem Stol- len des Kelchalm-Kupferbergwerkes. Der Vater war Heuer, Bergzimmerer und Sprengmeister. Bei einer Sprengung an der Stollenbrust ging ein Schuß zu früh los. Vater Hauser schlug es einen Stein- splitter durch den Kopf, der seinen Tod herbeiführte. Aber auch die beiden Knap- pen, die in unmittelbarer Nähe weilten, erlitten schwere Verletzungen. Dem Knappen Sandberg trafen Steinsplitter in den Augen, sodaß er erblindete und dem Leo Neumayer vulgo Singerlois schlug es ein Bein ah. Die Mutter unseres Jubilars mußte das Reischanwesen verkaufen und unser Ge- org Hauser, 12 Wochen alt, kam 1889 zu seinem Onkel Johann Keuschnigg in das Bergschmiedhäusl am Schattberg in Kitz- bühel. Keuschnigg war ein Griesbach- l3auernsohn von Reith. Georg Hauser machte sich schon in iungen Jahren nützlich. Mit fünf Jahren wurde er schon von dem damaligen Bür- germeisteP Ferdinand Pfund als Treiber auf der Schatthergjagd verwendet und mit 13 Jahren war er »Klauberbua« im Berg- werk Schattherg. Die Buben erhielten da- mals für ein »Erztrögei« zwei Kreuzer. Das Erz wurde damals in Säcke gefüllt und von Kitzbühel zur Schmelzhütte nach Brixlegg transportiert. Mit 15 Jahren ver- Georg Hauser bei einem Stadtbummel kurz vor seinem Fünfundneunziger. dingte sich Örgei als Jungknecht beim Lindenthalbauern in Reith und wurde deshalb auch »Lindenbergörgei« ge- nannt. 1910 rückte er zum 1. Regiment der Ti- roler Kaiserjäger mit dem Standort im Valsoganatal ein. Nach zwei Jahren wur- de er dienstuntauglich entlassen, da er an einem Auge fast blind war. Den 'Augen- schaden zog er sich beim Edelweiß- pflücken auf der Foissenkaralm in Aschau zu, wo er früher als Hüter tätig gewesen war. Der damalige Senner der Foissenkaralm »behandelte« unseren Ju- biliar mit einer selbst zubereiteten Salbe aus frischgerührteni Butterschmalz und Schwarzpulver. Arzt wurde keiner hinzu- gezogen. Bei Kriegsbeginn 1914 zog Georg Hau- ser mit dem 2. Landsturmbataillon, dem nur aktiv gediente Kaiserjäger angehör- ten, nach Galizien und Lemberg. Bei den Kämpfen um Przemysl und am San wurde ein Teil der Osterreicher von den Russen eingeschlossen, nachdem vorher ein tsche- chisches Regiment übergelaufen war. Fe- stungskommandant in Przemysl war da- mals General Kusmanek und Abschnitts- kommandant Oberstleutnant Gschließer, dem Georg Hauser unterstellt war. Der Festungsdienst bestand aus Wachen in Unterständen, Patrouillengängen und Stoßtrupps. Bei einem Patrouillengang in die weitere Umgebung von Przemysl kam die Gruppe von Georg Hauser zu einer ausgebrannten Kirche. Sein Kamerad, Michael Foidl, Gruberbauer in Aurach, fand unter den Trümmern eine kleine Muttergottesstatue. Foidl barg die Statue aus den Schuttmassen und verstaute sie in seinem Tornister. Er hütete seine Madon- na in all den Jahren der Gefangenschaft und brachte sie glücklich 1920 in seine Heimat. Sie steht heute auf dem Altar der Waldkapelle in der Koche in Aurach. Am 22. März 1915 kapitulierten die Osterreicher, ausgehungert und ohne Mu- nition, und gerieten in die russische Kriegsgefangenschaft. Zuerst erfolgte ein dreiwöchentlicher Fußmarsch und dann wurde Georg Hau- ser mit 120 Mann in Pensa einwaggoniert und nach Turkestan verfrachtet. Die Ge- fangenen wurden in Baracken unterge- bracht, welche seinerzeit während des rus- sisch-japanischen Krieges von 1904-1905 von den Japanern errichtet wurden. Im Juni 1915 wurde Georg Hauser mit noch zehn Tirolern und Pinzgauern, darunter der Kitzbüheler Sattlermeister Josef Stan- ger, Martin Heuberger, Talbauer in A- rach und dem Eisenbahner Josef Hütz, Fieberbrunn, bei einem Lazarettbau in der Stadt Turkestan eingesetzt. Sie ver- dienten täglich einige Kopeken und als Abfertigung einige Rubel. Von Turkestan kam Georg Hauser nach Taschkent, der Hauptstadt der Re- publik Usbekistan, auf ein Lager in. 1600 m Seehöhe. Das Lager war von Wald und Wildnis umgeben. Hier befanden sich ca. 3000 Gefangene. Zwei Oberjäger aus Innsbruck betätigten sich als Wildsaujä- ger und -brater. Mit der Zubereitung des Wildfleisches unerfahren, erlitten mitun- ter die Gefangenen Gesundheitsschäden. An den Entbehrungen und anderen Lei- den starb hier der Kitzbüheler Sattlermei- ster Josef Stanger; Georg Hauser war bis zur letzten Sekunde bei dem Sterbenden und sorgte auch, daß er auf einem Hügel begraben wurde. Im Frühjahr 1916 kam Georg Hauser wieder in das europäische Rußland zu- rück. Er leistete im Kaukasus Erntearbeit, bis er wieder nach Pensa kam und von dort nach Sibirien verfrachtet wurde. Die nächsten Stationen waren Atschinsk (Herbst 1916), dann lrkutzk am Baikalsee im südlichen Sibirien undvon dort nach Werchjutins, etwa 200 Kilometer vor Wladiwostok am Stillen Ozean. Dort soll- ten Hauser und die Fieberbrunner Hutz der Roten Armee eingegliedert werden. Beide flüchteten auf einem Kohlentender entlang des Baikalsees und kamen nach Jekatrinenburg im Ural, wo sie der dorti- gen Gefangenenstation zugeteilt wurden. Aber auch hier, bereits 1918, gelang eine weitere Flucht und diesmal nach Moskau. Aber wieder langte der Arm der Roten Armee nach den beiden Tirolern und wei- ter ging die Flucht. Auf dem Lande wurde Georg Hauser von einem Juden auf einem großen Bauernhof eingesetzt, Sepp Hutz immer an seiner Seite. Im Herbst 1918 machten beide Reparaturarbeiten auf ei- ner Waisenstation und besorgten den Ein- kauf für das Haus und die Schwestern des Waisenhauses. Mittlerweile war das Jahr 1920 gekom- men. Hauser und Hutz erlebten die gro- ßen Maifeiern im Raum Moskau. Der Verwalter des Waisenhauses besorgte den zweien einen »Probus« (Reisebewilligung) und versorgte sie mit etwas Geld. Auf der Fahrt wurden sie aber wieder von den Russen geschnappt und nach Petersburg gebracht. Dort endlich winkte die Frei- heit. Sie wurden auf einem Schweden- schiff bis Stettin gebracht und dort von den Deutschen mit Flüchtlingsfamilien nach Osterreich abgeschoben. In Inns- bruck lagen Hauser und Hutz einige Tage in Quarantäne und Mitte August 1920 er- blickte Georg Hauser, nach sechs Jahren Krieg und Gefangenschaft, wieder seine Heimat. In Kitzbühel betätigte sich Georg Hau- ser zuerst wieder im Bergbau, dann beim Wasserbau des Elektrizitätswerkes Joch- berg und dann bei Baumeister Josef Un- terberger. Seine erste Ehe schloß Georg Hauser zu Ostern 1921 mit der Bindemeisterstochter Anna Müller aus St. Ulrich am Pillersee. Als diese 1942 starb, verehelichte sich unser Jubilar mit der Pächterstochter Ma- ria Eder vom Widumgut in St. Johann in Tirol. Beim 2. Weltkrieg wurde Hauser 1942 zur Organisation TODT eingezogen und war mit dieser bis 1945 in Polen und im Westen eingesetzt. In Würdigung für seine 60jährige Treue zu den Tiroler Kaiserjägern wurde unser
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