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Samstag, 6. Oktober 1984 Kitzbüheler Anzeiger Seite 15 den Gästen, zum Gastgeber und auch zur Bevölkerung. Auch hier gibt es 'ieder viele Möglichkeiten, etwa in Form von ge- meinsamen Veranstaltungen, Möglichkei- ten, seine Interessen, Hobbies und dgl. bekanntzugeben und dadurch Kontakte herzustellen usw. Aktivitäten des Gastge- bers sollten diesen Wünschen entgegen- kommen, aber auch andererseits nicht da- zu führen, daß daraus ein Zwang entsteht und Gäste, die sich nicht beteiligen wol- len, das Gefühl des Außenseiters bekom- men. Als Ziel wäre anzustreben: Größtmögliche Gemeinsamkeit bei Wahrung der eigenen Individualität. Bedürfnisse des Gastes Es ist bekannt, daß viele Menschen der westlichen Industrieländer Schwierigkei- ten haben, ihre Freizeit sinnvoll zu gestal- ten. Neben einer sorgfältigen Analyse die- ses Phänomens scheint eine darauf auf- bauende Entwicklung von Maßnahmen im Rahmen einer Freizeitberatung (leisure counseling) besonders im Rahmen des Ur- laubes zweckmäßig. Das Losgelöstsein vom Alltag mit seinen oft nur scheinbaren Zwängen und wirklichen Gewohnheiten ist eine günstige Gelegenheit, den Men- schen über den Urlaub hinaus entspre- chende Fertigkeiten zu vermitteln. Neben den vielen bekannten Bedürfnis- sen (Erholung, Kontakt, Neues erfahren usw.) wurde besonders hervorgehoben, daß heute viele Menschen das Bedürfnis haben, sich mit Fragen über den Sinn des Lebens, mit religiösen Fragen, mit Besin- nung und Orientierung zu beschäftigen, wozu besonders während des beruflichen Alltags kaum Zeit bleibt. Es wurde ange- regt, Möglichkeiten zu suchen, um in Richtung »Lebensphilosophie« den Be- dürfnissen entsprechend spezielle Ange- bote für den Gast zu entwickeln. Die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche des Gastes sollte jedoch nicht erst am Urlaubsort beginnen: Zuvie- le Gäste kommen an den falschen Ort, da ihren Erwartungen durch die vorhande- nen grundsätzlichen Möglichkeiten nicht entsprochen werden kann. Eine entspre- chende Analyse der Erwartungen am Hei- matort der Gäste und eine darauf aufbau- ende Beratung könnte dem weitgehend Abhilfe verschaffen. Familie, Kinder Diesem Aspekt sollte mehr Aufmerk- samkeit geschenkt werden. Ein möglicher Zeitpunkt wäre, Osterreich zu einem min- destens so kinder- bzw. familienfreundli- chen Land zu machen wie es irgendein an- deres europäisches Fremdenverkehrsland ist. Auch für die Familie böte der Urlaub eine Möglichkeit, dem oft zu kurz kom- menden Familienleben neuen Inhalt zu geben. Es besteht jedoch oft das Problem, daß gerade im Urlaub noch mehr Bela- stungen des Familienlebens auftreten: Wegen der Quasiöffentlichkeit werden für ansonsten private Verhaltensweisen wie z.B. Essen und Trinken häufig höhere und vor allem ungewohnte Ansprüche an das Verhalten der Kinder gestellt, sie müs- sen z.B. ordentlich essen, dürfen nicht vom Tisch weggehen, wenn sie fertig sind, sind - so paradox es klingt - in ihren Bewegungsmöglichkeiten häufig mehr eingeschränkt als zu Hause (wo sie z.B. ei- ne Wohnung zur Verfügung haben und nicht nur ein Zimmer) und müssen vor al- len Dingen ruhig sein, um nicht zu stören. Einzelne Vorschläge waren z.B.: Den Kindern das Essen vor den Erwachsenen zu servieren, Möglichkeiten bereitzuhal- ten, dem Bewegungsdrang der Kinder so entgegenzukommen, daß andere Gäste nicht gestört werden (z.B. Spielzimmer, Spielzeug etc.), Videokassetten mit Kin- derfilmen, um Wartezeiten zu überbrük- ken usw. Ein Vorschlag war auch, den Kindern z.B. das Essen an einem eigenen Kindertisch gemeinsam mit anderen Gast- kindern zu servieren. Dadurch können so- wohl Kontakte zwischen den Kindern zu- standekommen, als auch die Eltern in Ru- he und womöglich gemeinsam mit ande- ren Gästen speisen. Veranstaltungen für Kinder böten darüber hinaus die Möglich- keit, daß die Eltern einen Teil des Urlau- bes sich als Partner widmen können, ohne die Notwendigkeit, allein auf Urlaub fah- ren zu müssen, besteht. Der Mensch als Gastgeber Familie Etwas ungewöhnlich in diesem Zusam- menhang, aber dennoch: Es wurde ge- fragt, inwieweit besondere Probleme im Bereich der Familie des Gastgebers im en- geren Sinn (Eigentümer und Personal) durch die Besonderheiten des Fremden- verkehrs auftreten. Z.B. ist der Gastgeber oft gezwungen, auch dann besonders freundlich und liebenswürdig zu sein, wenn ihm überhaupt nicht danach zumute ist. Werden auf diese Weise aufgestaute Gefühle in der Familie abreagiert? Während der Saison gibt es kaum die Möglichkeit, als Familie gemeinsam zu es- sen, Ausflüge zu machen oder sonst etwas zu unternehmen. Nimmt man das Streben nach einer möglichst ganzjährigen Ausla- stung dazu, ergeben sich daraus durchaus Belastungen, die vom üblichen abwei- chen. Ein weiterer Aspekt ist, daß beson- ders bei Gastwirten der berufliche und der familiäre Bereich eng in Berührung ste- hen, was neben durchaus positiven Seiten auch Nachteile haben kann, etwa derge- stalt, daß ein Privatbereich nur mehr schwer möglich wird. Kooperation zwischen den Betrieben Häufig ist innerhalb einer Fremdenver- kehrsregion mangelnde Kooperation zwi- schen den Betrieben festzustellen. So wer- den z.B. nicht selten Gäste lieber ohne In- formation weggeschickt, als daß man sie an einen »Konkurrenzbetrieb« weiter- empfiehlt. Auch wechselseitige Aushilfen und gemeinsame Programme (z.B. Gäste- kindergarten, Sport-, Kultur- usw. -ver- anstaltungen) sollten verstärkt realisiert werden. Mitarbeiterführung Die besondere Situation auch in dieser Hinsicht sollte stärker beachtet werden. So gibt es eine wesentlich größere, oft auch erwünschte Fluktuation (Lehr- und Wanderjahre), aber auch die Tendenz, Personal nur über die Saison zu beschäfti- gen und dann abzubauen. 'rke Diffe- renzen sind auch zwischen 1, rsona1, das mit dem Gast unmittelbar zu tun hat, und solchem, das eher im Hintergrund arbei- tet, festzustellen: Z.B. kommt es selten vor, daß ein Koch Lob von einem Gast empfängt, dafür umso häufiger, daß Kri- tik vom Servicepersonal an die Küche wei- tergereicht wird. Derartige Verhältnisse erschweren die Entwicklung von Team- geist bzw. fördern den Einzelkämpfer bzw. die Rivalitäten. Auch gibt es oft Schwierigkeiten, daß Mitarbeiter auch Tätigkeiten übernehmen, die unter ihrer »Würde« liegen, also wenn z.B. eine Empfangsdame beim Servieren der Spei- sen mithelfen soll, wenn es einmal nötig ist (Ankunft eines Reisebusses, Ausfall von Servicepersonal etc.). Mögliche Maßnahmen wären: Spezielle betriebspsychologische Analysen der typi- schen Fremdenverkehrsbetriebe (z.B. Ho- tels, Restaurants, Gasthöfe ...) und dar- aus folgend die Entwicklung von Maß- nahmen; allgemein eine Hebung des An- sehens der Fremdenverkehrsberufe; Schnupperlehren bzw. Betriebsbesichti- gungen durch Schulklassen, um etwaige falsche Vorstellungen über den Beruf zu beseitigen. Umgang mit dem Gast Das Verhalten gegenüber dem Gast sollte von dem grundsätzlichen Ziel gelei- tet sein, beim Gast das Empfinden zu er- zeugen, persönlich und individuell behan- delt zu werden (Höflichkeit sollte sich von selbst verstehen). Einer der wichtigsten Faktoren dabei ist, besonders bei Hausgä- sten, sich, so schnell wie möglich den Na- men zu merken und die Gäste mit Namen anzusprechen. Ebenfalls wichtig ist, daß der Wirt während des Aufenthaltes min- destens einmal mit jedem Gast sich unter- hält. Die meisten Menschen, wenn sie sich zurückgesetzt oder gekränkt fühlen, rea- gieren nicht mit Beschwerden und Pro- test, sondern einfach damit, daß sie nicht mehr weiterkommen. Ebenso sind die meisten Menschen gerne bereit, weniger auf die Kosten zu sehen, wenn sie das Ge- fühl haben, mit Aufmerksamkeit und Herzlichkeit betreut zu werden. Wie schon oben erwähnt, kommt dem Empfang und der Verabschiedung des Gastes besondere Bedeutung zu, verbun- den mit angemessener Information. Der erste Eindruck beeinflußt in hohem Maße die Art, wie der Gast alles weitere erlebt. Der letzte Eindruck beeinflußt ebenfalls rückwirkend positiv oder negativ das Ur- laubserlebnis und strahlt in den Alltag aus (z.B. auch in Erzählungen bei Bekannten, Freunden etc.).
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