Kitzbüheler Anzeiger

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Brixen im Thale. Fotograf Anton Grati, Innsbruck. Brixen inz Thale, Maria-Luisen-Bad. Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 10. November 1984 graphiebuches lege ich die Richtung unse- rer Flucht fest und zeichne mir Detailkar- ten, soweit das bei den geringen Hilfsmit- teln möglich war. Die Route sollte von Ni- kolsk über das Grenzdorf Konstantinova nach dem Dorf Poltavka und weiter bis Sinum führen, von wo aus wir mit der Bahn Peking erreichen wollten. Die Fuß- strecke beträgt nach meinem Fluchtplan ungefähr 1700 km, sie führt durch schüt- ter bewohnte, zum Teil gebirgige Gegen- den, in denen diesseits der Grenze die Ko- saken der Wachgarnisonen, jenseits aber tungusische Räuber dem Waffenlosen nicht gerade angenehm sein können. Nach meinem Plan sollten wir als Chi- nesen verkleidet diesen Marsch unterneh- men. Ein alter Chinese aus Nikolsk ver- schafft mir nach und nach die nötige Aus- rüstung: eine schäbige Mütze, an die ich einen Zopf nähe, eine baumwollgefütter- te, bis über die Knie reichende Jacke und weite chinesische Hosen. Von besonderer Wichtigkeit war die Fußbekleidung, denn sie sollte nicht nur einen Original-Chines- vortäuschen, sondern auch den Fuß bei der geplanten, nicht eben geringen Wan- derung schützen. Mein chinesischer Freund brachte mir ein Paar Opanken, die mit geklopften Gras, Holzoa genannt, gefüttert werden und als Fußkleidung in diesen Gegenden geradezu unübertreff- lich sind. Freilich mußte man sich erst an das Gehen mit diesen absatzlosen Schu- hen gewöhnen, und ich übte es auch nun täglich nach Einbruch der Dunkelheit auf den Wiesenflächen, die unsere Kaserne umgaben. Nach und nach habe ich nun meine Ausrüstung beisammen. Der angehäufte Proviant macht uns für acht Tage von menschlicher Hilfe unabhängig, ein Kom- paß und ein Spirituskocher sollen uns Richtung und Wärme geben. Im Lager lerne ich zwei deutsche Kameraden ken- nen, die einen ähnlichen Fluchtversuch unternehmen wollen. Sie machten den Versuch, nachdem ich den Plan mit ihnen besprochen und ihnen zum Teil die Ausrüstung verschafft hatte, wurden aber nach kurzer Abwesenheit von den Kosaken wieder eingebracht. Es waren dies der deutsche Dauerrekordflie- ger Landmann und ein gewisser Haupt- mann Waller. Sie erklären mir, daß ihre Flucht an der mangelhaften Ausrüstung und der Unverläßlichkeit des sie beglei- tenden Chinesen gescheitert sei. Auch die unzureichenden Geldmittel, die ihnen zur Verfügung gestanden seien, wären an ih- rer neuerlichen Gefangennahme schuld gewesen, denn die Habgier der Chinesen überwinde viele Schwierigkeiten, wenn sie befriedigt werden könne. Wir müssen also die Auszahlung unserer Gebühren durch die russische Verwaltung abwarten und haben nun durch diesen Betrag und ver- schiedene Anleihen bei unseren Kamera- den eine Summe von 120 Rubel beisam- men. Nach Rücksprache mit unseren un- glücklichen Vorläufern lege ich die Strecke unserer, Flucht entgültig fest. Sie soll über das ostmanschurische Gebirge nach Omozo und von dort weiter bis Kinn führen und bei glattem Verlauf ungefähr 40 Tage benötigen. Außer meiner chinesi- schen Ausrüstung beschließe ich der zu er- wartenden Kälte halber so ziemlich alles an Kleidungsstücken mitzunehmen, was ich besitze. Zwei Reithosen übereinander, meine Uniformbluse und eine Lederjacke, die Wäsche auf dem Leib, einen Schlaf- sack und ein Zeltblatt nebst Proviant, Spirituskocher, Stiefeln und anderen 795 m, 1100 Einwohner, Post- und Te- legrafenamt, Bahnstation Lauterbach, Arzt in Kirchberg, nahe Wälder, Badean- stalt (kohlensaure Eisenquelle), elektri- sches Licht, Hochquellen-Wasserleitung, Kram im Rucksack. Mitte Dezember 1914 soll es losgehen. Der Zeitpunkt erscheint trotz der zu erwartenden Kälte günstig. Das kontinentale Klima Ostsibiriens läßt --im diese Jahreszeit noch wenig Schnee er- warten. Wir können hoffen, daß unsere Flucht aller menschlichen Voraussicht nach ge- lingt. Fortsetzung folgt! interessante Kirche, Skigelände. - Gast- höfe (70 Betten): Maria-Luisen-Bad, Mairwirt, Brixenwirt. - Privatwohnun- gen (59 Betten). Auskunft und Prospekt Verschönerungsverein. Fremdenverkehr vor 70 Jahren Tiroler Verkehrs- und Hotelbuch 1914 Gemeinde Brixen im Thale
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