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Seite 32 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 1. Juni 1985 Dr. Paul Kirchmeyr: Vor vierzig Jahren 2.Fortsetzung und Schluß Alles kann manipuliert werden. Präsi- dent Truman, der den Befehl zum Ab- wurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gegeben hatte, sagte einige Jahre vor seinem Tod: »Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben.« Über Kriegsursachen, Kriegsbeginn und Kriegsverbrechen kann der Sieger leicht urteilen. Ich habe auch die Herausgabe des deutschen Auswärtigen Amtes Nr. 2/1939 »Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges« gelesen, darin ist die deut- sche Korrespondenz mit verschiedenen Staaten vor Kriegsbeginn enthalten. Ich erinnere mich auch noch gut, daß der be- kannte Amerikaner Loyd George »Hitler, den George Washington von Deutsch- land« bezeichnete und daß auch Winston Churchill 1938 in seinem Buch »Great Contemporaries« Hitler als großen Mann hinstellte, auch der amerikanische Exprä- sident Herbert Hoover, der Hitler 1938 besuchte, fand an Hitler nur Lobenswer- tes. Unter uns damals jungen Männern gab es viele Diskussionen, mich ärgerte z. B., was in der NS-Zeitung »Der Stür- mer« an Hetzen gegen Juden enthalten war, man machte aus dem Deutschen eine Herrenrasse, an der jüdischen Rasse fand man überhaupt nichts Gutes. Auch die Einstellung der Nationalsozialisten gegen- über dem Katholizismus behagte mir gar nicht; es gab auch solche, welche vor 1938 fleißig in die Kirche gingen, dann aber sehr schnell eine braune Uniform hatten, aus der Kirche austraten und gottgläubig wurden, nach 1945 kehrten sie reumütig wieder in den Schoß der Kirche zurück. Auch mit Zahlen wird manipuliert. In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 wurde die völlig ungeschützte Stadt Dresden (630.000 Einwohner, dazu voll an Flüchtlingen aus Schlesien) vernichtet. Die Zahl der Toten in einer Nacht in einer Stadt: Die einen sagen 45.000, andere 100.000, andere 200.000. Mit Akribie ist nur festgehalten, wieviele Bomber einge- setzt waren, wieviele Sprengbomben, Luftminen, Brandbomben und Phos- phorbomben sie abwarfen. Deutschland hatte den Krieg verloren, ehe er begonnen wurde. Ich habe im Ka- meradenkreis im November 1939, nach dem Sieg in Polen, behauptet, daß viele Hunde des Hasen Tod seien, also könne Deutschland den Krieg gar nicht gewin- nen. Zeuge meiner damaligen Ansicht: Der Altwirt vom »Stieglbräu« in Inns- bruck. Spätestens vor Moskau 1941/1942 erkannte jeder, daß ein Sieg nicht mehr drin war, der bewährte Obergefreite war verheizt worden, war erfroren, mußte am- putiert werden. Man hat mir nach 1945 vorgehalten, ich hätte überlaufen müssen. Ich war nicht Parteigenosse, aber ich war Soldat, für mich ging die Kameradschaft über alles. Überlaufen wäre für mich Ver- rat gewesen, trotz der Aussichtslosigkeit. Das Abhören ausländischer Sender war streng verboten, heimlich aber taten es viele. So erfuhren wir über die Konferen- zen mit Quebec, Casablanca und Tehe- ran, anfangs 1943 hatte Rosevelt die be- dingungslose Kapitulation Deutschlands verlangt. In Teheran wurde 1943 die Auf- teilung Deutschlands beschlossen, damals sagte Stalin bei einem Trinkspruch, er wünsche die Erschießung von 50.000 Of- fizieren, »sobald wir sie erwischen«. Das war nach der größten Panzerschlacht des Zweiten Weltkrieges bei Kursk, die die deutschen Truppen verloren hatten, ab diesem Zeitpunkt ging es nur mehr zu- rück; das Afrikakorps war vernichtet worden, es drohte die Invasion in Frank- reich. Auch der einfache Landser merkte, daß der Krieg nicht zu gewinnen sei, aber totale Kapitulation, also restlose Unter- werfung, Marsch in die Sklaverei? Der Bombenterror wurde immer entsetzlicher, im Sommer 1943 wurde Hamburg ver- nichtet, 100.000 Brandbomben heizten die Luft so an, daß sich Temperaturen bis 1000 Grad entwickelten, es gab einen Feu- ersturm, die Flammensäule stieg 7000 m hoch, Menschen brannten wie Fackeln, 32.000 Tote wurden gezählt. Was ich nicht begreife, auch heute noch nicht: 1945 war die Kapitulation Deutschlands nur mehr eine Frage von Wochen, der Wi- derstand war kaum vorhanden, nur im Osten wurde noch erbittert gekämpft. Trotzdem, am 15. März 1945, wurde die herrliche Stadt Würzburg sinnlos vernich- tet, am 19. April 1945 wurden bei uns Brixlegg und Kramsach bombardiert, 40% der Wohnhäuser zerstört. Wozu noch? Irgendwelche Idioten glaubten, an- fangs Mai den Fernpaß verteidigen zu müssen und amerikanische Ferngeschütze donnerten ihre Salven in das 20 km ent- fernte Imsterberg. Deutschland war am 8. Mai 1945 ver- nichtet. Da wurden dann in Rosenbach (Kärnten) von den Engländern 12.000 slo- wenische antikommunistische Freiwillige den Titopartisanen übergeben, sie waren die Blüte der katholischen slowenischen Demokratie, sie wurden erschossen; auch den Kroaten ging es ähnlich und die bei Lienz stationierten Weißrussen wurden, soweit sie nicht Selbstmord begingen, den Russen übergeben! Vor kurzem wurde in Warschau ein Denkmal errichtet; in Ka- tyn, Nähe Smolensk, Rußland, fand man 1943 rund 4000 polnische Offiziere, alle mit Genickschuß, ich habe damals die Ausgrabungen gesehen, entsetzlich, es waren Leichen, die schon lange dort ver- graben waren. Heute lastet man deren Er- schießung auch den Deutschen an. Ruß- land hatte von 1941 bis 1945 rund 20 Mil- lionen Tote! Deutschland hatte rund 500.000 Tote an Zivilbevölkerung, fast drei Millionen tote Soldaten, rund 1,3 Millionen Vermißte, Osterreich hatte 372.059 Tote, insgesamt betrugen die Menschenverluste im Zweiten Weltkrieg 55,293.500, rund drei Millionen Vermiß- te, in diesem Krieg gab es 35 Millionen Kriegsbeschädigte, etwa 15 Millionen Deutsche mußten ihre Heimat verlassen, viele gingen bei dieser Flucht zugrunde. Dazu kommen noch die Millionen Toten in den KZ. Es sind Zahlen, die man sich nicht vorstellen kann. Gekämpft haben alle, die deutschen Panzer, die russische Stalinorgel, die Bomber Englands und der USA, die U-Boot-Besatzungen, die Partisanen. Alle sind schuldig geworden, alle sind auch heute schuldig, die etwa Giftgas im Iran einsetzen, oder die in Kambodscha Men- schen vernichten, die Sandinisten und wie sie alle heißen mögen, auch jene in Afgha- nistan. Wir müssen dankbar sein, daß wir in Tirol im Frieden leben dürfen, aber wir haben für diesen Frieden täglich unseren Beitrag zu leisten. Das heißt aber auch, daß wir Osterrei- cher uns unserer Geschichte nicht zu schä- men brauchen. Osterreich war es, das na- hezu tausend Jahre die Geschicke Euro- pas und der Welt mitbestimmte. Sie drängten Hunnen und Avaren genau so zurück wie die Slaven unter König Otto- kar. Habsburger lenkten viele Jahrhun- derte das römische Reich deutscher Na- tion. Unter Karl V., so sagt man, ging die Sonne weder auf noch unter, er herrschte über ein Vereintes Europa. An den Mau- ern Wiens scheiterten zweimal die Tür- ken, wurden die Preußen durch Maria- Theresia in ihrem Machtdrang einge- schränkt. Osterreicher waren es, die mit anderen Staaten Napoleon besiegten, der Tiroler Andreas Hofer kämpfte gegen diesen Tyrannen. Und Osterreicher haben sich auch im Zweiten Weltkrieg korrekt verhalten. Wir brauchen uns nicht zu schämen, denn was hat das kleine Oster- reich nach diesem Krieg geleistet! Überall, wo Not war, leistete es Hilfe, es stellt der UNO Kontingente, ein Dr. Waldheim war Generalsekretär der UNO, ein Dr. Bruno Kreisky hat auch heute noch ein gewichti- ges Wort in der Weltpolitik zu reden, der Papst besuchte unser kleines Land, das derzeit zwei Kardinäle der Weltkirche stellt. Wir brauchen nicht stolz sein, aber wir können überall den Kopf hoch tragen, wir sind ein großes Kulturvolk und nicht ein Volk von Mördern. Dr. Kirchmeyr Gute Resultate bei der Jahreshaupt- versammlung der österreichischen Kur- und Fremdenverkehrsdirektoren in Mörbisch Der Berufsverband der österreichischen Fremdenverkehrsmanager hielt seine dies- jährige Hauptversammlung unter dem Vorsitz des Präsidenten FV-Direktor von Kitzbühel, Dkfm. Dr. Josef Ziepl, in Mörbisch am Neusiedlersee ab. Das Bur- genland zeigte sich von seiner gastlichsten Seite und war mit Erfolg bestrebt, den Touristik-Profis auch den gastronomi- schen Standard zu präsentieren. Die zweieinhalb Tage waren voll mit Arbeit ausgefüllt. Sie begann mit einem
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