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Die Lig nitvorkommen von St. Johann/Apfeldorf als bemerkenswerte Zeugen eines Klimawechsels innerhalb des Eiszeitalters Von Dr. Kurt Jaksch Apfeldorf am Fuße des Kitzbühe11er Hcrns. Im Hintergrund der Foidlbachgraben mit der Lignitlagerstätte als »erdgeschichtliches Archiv«. Seite 6 J(jtzbübcler Anzeiger Samstag, 16. April 1988 Zwischen Jochberg und St. Johann wer- den die untersten Talhänge vielfach von Ge- ländeterrassen gebildet, die aus Sand und mehr oder weniger verfestigten Schotterla- gen, d.h. aus Konglomeraten, bestehen. Gerade im Stadtgebiet von Kitzbühel wur- den diese Terrassen durch die Bautätigkeit immer wieder aufgeschlossen, und man konnte feststellen, daß sie durch Grundrno- ränenschutt unter- und überlagert sind. Da die Moränen Geschiebe führen, die aus den Hohen Tauern stammen, ordnete man sie einem weitreichenden eiszeitlichen Glet- schervorstoß zu. Dagegen sind die dazwi- schen lagernden Sand- und Schotterschich- ten, die »Terrassensedimente«, als Fluß- ablag--rungen eines gletscherfreien Tales zu werten. Auf Grund von Vergleichen mit an- deren alpinen Tallandschaften hat man hier schon bei den ersten geologischen Kartie- rungen die Basismoräne in die »Riß-Eiszeit« eingestuft, diejüngere, überlagernde Mc.rä- ne in die »Würm-Eiszeit«. (Die Bezeichnin- gen »Riß« und »Würm« leiten sich von baye- rischen Donauzuflüssen her.) Die letztge- nannte (jüngere) Kaltzeitphase setzte vor rund 70.000 Jahren ein und endete vor 10.000 Jahren. Auf Grund dieser Uberlagrungs- verhältnisse ergab sich die zeitliche Einstu- fung der erwähnten Terrassensedimente in die Riß-Würm-Zwischeneiszeit (Intergla- zialze:t). Am südwestlichen Ortsrand von St. Jo- hann treten nun in den Terrassen als zusätz- liche Einlagerungen zwischen Sand- und Lehmschichten Lignitflöze auf, die beson- ders nachdrücklich auf die Unterbrechung des Eiszeitalters durch eine Warmzeit h:n- weisen. Lignite (von lignum = Holz) sind erdgeschichtlich junge Braunkohlen, die noch deutlich Holzstrukturen zeigen. InAp- feldof wurden sie schon im 19. Jhdt. fall- weise abgebaut. 1925 und 1945 fanden neu- erliche Untersuchungen statt und der Berg- bau nach dem Zweiten Weltkrieg für kurze Zeit wieder aufgenommen. Beispielsweise konnte man im Jahre 1947 329 Tonnen Kohle gewinnen. Der Abbau wurde an der rechten Seite des Foidlbach-Grabens betrieben, der bei Apfeldorf die Talsohle erreicht und die Flöze anschneidet. Nach dem Bericht des damaligen Gutachters Dr. 0. Schmidegg ist der Lignit durch einen Tagbau von 55 m Länge aufgeschlossen worden, wozu noch verschiedene Grubenbaue kamen. Die Lig- nitgewinnung beschränkte sich im wesentli- chen auf zwei Flöze von 60-70 cm bzw. 30-40 cm Dicke. Diese geologisch junge Braunkohle ist einerseits aus Torf, anderer- seits aus Holzsubstanz entstanden. Sie blät- tert an der Luft rasch auf und hat einen Heiz- wert von 2000 bis über 3000 kcal/kg. Wenn auch die Lagerstätten wirtschaft- lich gesehen völlig unbedeutend ist, kommt ihr jedoch vom rein wissenschaftlichen Standpunkt als »erdgeschichtliches Archiv« zur Deutung von Klimaschwankungen eine ganz wesentliche Stellung zu. Mein Bemühen, wissenschaftliche Insti- tutionen in Wien für gezielte Untersuchun- gen des Lignit und seiner Begleitschichten zu gewinnen, hatte nun erfreulicherweise Erfolg. Es sind zwar die durch den ehemali- gen Bergbau geschaffenen Aufschlüsse längst verstürzt, aber es gelingt dennoch, Teile der Flöze an örtlich begrenzten Stellen hie und da ausfindig zu machen. Da der star- ke Bewuchs in diesem Graben fast alles ver- hüllt und sich auch der Schnee an der schat- tigen Stelle übermäßig lange hält, steht für die günstige Entnahme von Proben nur die relativ kurze Zeitspanne vor und nach der Vegetationszeit zur Verfügung. Dank der »grünen Weihnachten« des vergangenen Winters ergaben sich unerwartet günstige Beobachtungsbedingungen. Herr Dr. H. Pirkl, Montangeologe in Hochfilzen, hat in dieser Zeit die Entnahme der Proben vorge- nommen. Die folgenden Untersuchungen sollten einerseits die Vegetation und damit das Ku- majener Zeit erforschen, auf die die Lignit- bildung zurückgeht, andererseits war der Versuch zu unternehmen, das absolute Alter dieser Warmzeit zu bestimmen. In der Geo- logischen Bundesanstalt wurden die paly- nologischen Analysen durchgeführt, also die mikroskopischen Untersuchungen der in den sandig-lehmigen Begleitschichten der Lignitlagen fossil überlieferten Pollen und Sporen. Sie sind wegen ihres breiteabo- tanischen Spektrums aussagekräftiger als die reine Beurteilung der Holzreste. Auf diese Weise gelang es z.B. auf Grund der Sporen eine wichtige Leitpflanze, den Kö- nigsfarn, nachzuweisen, dessen Vorkom- men auf ein feucht-warmes Klima schließen läßt. Diese große Farnart (Osmunda regalis) ist heute vor allem im Mittelmeergebiet ver- breitet und nördlich der Alpen nur selten an- zutreffen. Die in der Bundesversuchs- und Forschungsanstalt im Wiener Arsenal, Ab- teilung Isotopenphysik, versuchte absolute Datierung einer Lignitprobe mit Hilfe der 14C-Methode (Radiokarbonmethode) er- gab, daß deren Datierungsspanne von 40.000 Jahren für die Altersbestimmung nicht ausreichte. Aber allein die Aussage, daß die Apfeldorfer Lignite »älter als 40.000 Jahre sein müssen«, ist bereits ein überaus wichtiger geologischer Anhaltspunkt. Da- mit ist beispielsweise die früher wiederholt, in letzter Zeit freilich mit Vorbehalt geäu- ßerte Meinung widerlegt, daß die Terras- sensedimente zwischen Jochberg und St. Johann über das Brixental in jene des Inn- tales übergehen würden. Aber die im Inntal vorkommenden gut erforschten Bändertone und Schotterlagen gehen auf eine relativ kurze Wärmephase innerhalb der Würmeis- zeit, auf ein »Interstadial« zurück, sind also wesentlich jünger als die Apfeldorfer Ligni- te. Die Letztgenannten sind also unter Be- rücksichtigung des Konzepts der inneraipi- nen Eiszeitforschung der Riß-Würm-Zwi- scheneiszeit zuzuordnen. Das Eiszeitalter nimmt die letzten zwei bis drei Millionen Jahre der Erdgeschichte ein und ist durch einen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten gekennzeichnet. Eiszeit- forschung ist auch im Hinblick auf die Zu- kunft der Menschheit von Bedeutung. Aus der Kenntnis vergangener Klimaschwan- kungen und der Bewertung der dafür maß- gebenden geophysikalischen Prozesse läßt sich mit gewissem Vorbehalt abschätzen, ob wir mit einer »Rückkehr der Gletscher« zu rechen haben, wie schnell sie gegebenen- falls erfolgt und was wir in der Folge auf der Erde zu erwarten haben. Eine Fülle geologi- scher und geophysikalischer Teilerkennt- nisse sind dabei zu berücksichtigen, und in diesem Zusammenhang kann auch das in- terglaziale Schichtprofil von Apfeldorf, dessen wissenschaftlicher Wert über den lo- kalen Rahmen hinausgeht, einen wichtigen Beitrag für die Eiszeitforschung im alpinen Raum leisten.
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