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Samstag, 24. September 1988 VJtzbübeIer eLAnzeiger Seite 35 »Ecclesia Consecrata anno 1188 quinta junii, attestante tabu la ibidem affixa«. Diese einst in der Kirche angebrachte Tafel wurde anläßlich einer Visitation im Jahre 1673 re- gistriert und besagt: »Diese Kirche wurde geweiht im Jahre 1188 am fünften Juni.« Auch wenn die im gotischen Vorgängerbau befestigte Tafel sicher nicht zeitgenössisch war, so wurde diese älteste von Reith über- lieferte Kirchenweihe durch mehrer Befun- de bestätigt. Besonders die vor fünf Jahren erfolgten Ausgrabungen durch Dr. Wilhelm Sydow vom Denkmalamt die Datierung der Emailplatte des alten Vortragskreuzes von Dr. Matthias Mayr und das Alter des Agidius-Patroziniums erhärten dieses Gründungsdatum, auch wenn in den Archi- ven keine Konsekrationsurkunde mehr er- halten ist. Umso erfreulicher ist, daß dieses Buches Bearbeiter Hunderte von verschol- lenen Pergamenturkunden am Dachboden des Widums entdeckte. Gut getarnt unter einer dicken Schicht von Abfällen, Sand Holzresten und Gerümpel wurden die seit mehr als 100 Jahren unauffindbaren mittel- alterlichen Pergamenturkunden des Reither Pfarrarchives wiederentdeckt. Doch vorerst wollen wir kurz die Zeit be- handeln, bevor die ersten schriftlichen Quellen reichlicher zu fließen beginnen. Mit dem Ausbau der kleinen Rodungssied- lung im Reinankental, welche ihre Entste- hung wohl dem Kloster Berchtesgaden ver- dankte und der Gemeinde »Reith« den Namen gab, begann im 12. Jahrhundert das kirchliche Eigenleben. Als Grundherr- schaft unterstanden Berchtesgaden zwei Drittel aller Güter in Reith, weshalb wir ne- ben einem eigenen Gutshof (Mayrhof) als Verwaltungszentrum schon im Hochmittel- alter einen kirchlichen Mittelpunkt anneh- men dürfen. Vor 738 wurde die Pfarre St. Johann als Urpfarre vom hl. Rupert für das gesamte Leukental gegründet und bei der Bistumsre- gellung des hI. Bonifatius mit den anderen Pfarren, die im Indiculus Arnonis erstmals genannt werden, der Erzdiözese Salzburg zugeteilt. Schon 1216 kam St. Johann anläß- lich der Errichtung des Bistums Chiemsee an dieses und blieb es bis 1818. Nach Aufhe- bung des Chiemseer Bistums wurde St. Jo- hann und somit Reith wieder salzhur- gerisch. Daß die kleine Ausbausiedlung Reith schon 150 Jahre nach der Pfarrerrichtung St. Johanns ein eigenens Gotteshaus hatte, ist durch den Grabungsfund erwiesen. Wegen der Größe des romanischen Kirchenschiff von fast 10 m Länge und des Priesterraumes von fast 3.5 m Tiefe müssen wir schon beim ersten Bau von der Kirche sprechen, die über die Maße einer Kapelle hinausgeht. Bei einer Mauerstärke zwischen 76 cm und 105 cm ergibt dies eine Außenlänge von 15 Meter. Dieser beachtliche Bau einer sojun- gen Rodungssiedlung dürfte wohl unter Mit- hilfe der Berchtesgadner Grundherrschaft erfolgt sein. Trotzdem waren die Eigenlei- stungen der Reither beachtlich und Aus- druck eines starken religiösen Selbstver- ständnisses, zumal ja durch 250 Jahre die Seelsorge ausschließlich in St. Johann er- folgte. Bis zur Errichtung einer eigenen Priesterstiftung in Reith mußten also Kin- der, Kranke, Schwangere und alte Leute zum Gottesdienst nach St. Johann gehen. Doch gab es schon kräftige Lebenszei- chen derjungen Reither Kreuztracht. Denn in der ältesten, erst kürzlich entdeckten Ur- kunde bitten die Gläubigen ihren Pfarrer Ul- rich von St. Johann, den Kirchenweihtermin auf einen Sonntag zu verlegen. Tatsächlich gewährt Bischof Konrad VOfl Chiemsee am 10. Dezember 1333 der Kirche »St. Egidi in Revt«, künftig den Sonntag unmittelbar vor dem Tag des St. Veit als Kirchweihfest zu be- gehen. Dies ist die erste lateinische Urkun- de von Reith und eine der ältesten im ganzen Bezirk Kitzbühel. Derselbe Bischof Konrad verlieh am 3. Dezember 1346 den Reithern einen 40tätigen Ablaß. Die frühe religiöse Eigenständigkeit der kleinen Kreuztracht tritt uns :hon im 14. Die Plarrkirhe in Reith in Kitzhü hei. Jahrhundert mit aller Deutlichkeit entge- gen, denn es gab »einen Krieg um die Be- gräbnüs und umb das Meßsprechen« mit dem Pfarrer Hanns von St. Johann. Schließ- lich genehmigte der Bischof, daß die »Leut aus dem Revt« im Sommer und Winter bei Notfällen ihre Toten nicht nach St. Johann bringen müßten, wenn sie den Pfarrer dar- um bitten, daß er ihnen »die Leich leg datz St. Egidi«. Für künftig wurde auch be- stimmt, daß alle Messen, die der Pfarrer seit jeher in Reith hatte, dort halten mußte, und zwar an den festgesetzten Tagen. Ein deutli- cher Hinweis also, daß schon damals Meß- stiftungen in Reith bestanden. Zur Bekräfti- gung wurde zum fest Peter und Paul ein Ablaß gewährt. Mit der enormen Entwicklung im Berg- bau am Rerobichl und Astenberg dürfte sich die Reither Bevölkerung im 15. Jahrhundert vervielfacht haben. Daher wurde auch an eine Erweiterung der romanischen Kirche gedacht. hand in Hand mit der Verlängerung des Kirchenschiffes in der Hochgotik auf 14,52 m lichte Länge ging die Umgestaltung des Prshyteriums, wie Dr. Sydow bei den Ausgrabungen anchweisen konnte. Umbau und Vergröüerung der Reither Kirche im go- tischen Baustil dürfte wohl der neu instal- lierte Priester veranlaßt haben. Wie es zur Errichtung einer Prieserstelle nach langwi- rigen Verhanldungen mit St. Johann und chiemsee kam, ist aus den Urkunden und Akten des neu entdeckten Reither Pfarrar- chives und des Konsitorialarchives Salz- burg zu entnehmen. Vor bald 550 Jahren be- antrage das Dorf und Viertel Reith beim Chiemseer Ordinariat einen eigenen Prie- ster. Am Dienstag vor St. Pankraztag 1447 (= II. Mai) ersuchten die Reither ihren Bi- schof Silvester, einen Priester aufnehmen zu dürfen. Dazu wollten sie eine ewige Sti- fung für iene tägliche Messe errichten. Wie üblich dürfte die Separierung von der Mut- terpfarre St. Johann mit einigen Schwierig- keiten verbunden gewesen sein, weil da- durch dem Pfarrer Einkünfte entzogen wurden. Nach mehr als sieben Jahren Verhandlun- gen gelang es den Reithern, die gesicherte Existenz ienes Priesters zu garantieren. Für die ewige Meßstiftung und alle anderen geisltichen Funktionen wurde am 22. No- vember 1454 ein Fundationsbrief errichtet. Dieser ehemals mit drei anhängenden Sie- geln versehene umfangreiche Stiftsbrief ist nunmehr im Pfarrarchiv Reith wiederent- deckt worden. Vorerst begaben sich die ab- geordneten Zechpröpste und andere Ge- meindemitglieder von Reith am Freitag nach St. Martini (= 15. November) 1454 zum Pfarrer von St. Johann im Leukental, um die Stiftung der täglichen Meß zu venen- baren in dem Gealtbrief werden die bedeu- tendsten Reither der damaligen Zeit na- mentlich genannt. Die Ursache für den Wunsch nach einem Seelsorger ist sicher auf die rasch wachsende Bevölkerung (Zuzug von Bergknappen) zurückzuführen. Die Reither fühlten sich vermögend genut, um einen eigenen Priester erhalten zu können. Fortsetzung folgt! 800 Jahre Pfarrkirche Reith bei Kitzbühel Die Pfarrkirche in Reith bei Kitzbühel feiert heuer ihr 800 .jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlaß sind mehrere Feierlichkeiten vorgesehen, deren genaues Programm wir rechtzeitig veröffentlichen. Das Jubiläum war aber auch Anlaß zur Herausgabe einer Reither Ortschronik, die am 9. Oktober 1988 offiziell vorgestellt wird. Ein großer Teil dieses vom Tiroler Landesarchiv herausgegebenen und von 1)r. Sebastian Hölzl ver- faßten Buches ist der Pfarrkirche von den Heiligen Agidius und Silvester gewidmet. Aus der 800jährigen Kirchengeschichte haben wir folgendes entnommen:
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