Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 1. Oktober 1988 J(J1zbübcler eLAnzeiger Seite 31 Seit dem 22. November 1454 hat die Ge- meinde einen eigenen Priester, der anfäng- lich in der »St. Gilgen-Zukirche in Grewt« täglich eine Messe zu lesen hatte. Bemerkenswert ist, daß im Stiftsbrief der neue Priester als Kaplan bezeichnet wird und daß er seinen Wohnsitz nicht in St. Jo- hann, sondern in Reith haben sollte. Aus- drücklich wurde vereinbart, daß er »seine stete Wohnung haben (soll) in dem Haus, so sie darzu in dem Dorf zu Hallerndorf von neu gebaut, gewidmet und gemachet ha- ben«. Aus den Urkunden von 1454 kann also nicht geschossen werden, daß der neue Ortsgeistliche von Reith als Hauskaplan von Münichau fungierte. Zweifellos hat aber Hans Münichauer von Münichau, damals Pfleger in Rattenberg, wesentlich zur Er- richtung des Stiftsbriefes beigetragen. Er ist neben dem Pfarrer von Kirchdorf und dem Pfarrer von St. Johann der einzige weltliche Siegler dieses Stiftsbriefes. Obwohl die Beurkundung dieses für den Beginn der Reither Seelsorge so bedeutsamen Briefes vermutlich in St. Johann erfolgt war, wurde auf die Mitwirkung des zuständigen Kitzbü- heler Richters verzichtet. Daß die St. Agid-Kirche im 15. Jahrhun- dert noch als »St.-Gilgen-Capellen« be- zeichnet wird, deutet darauf hin, daß dem romanischen Kirchlein noch der Um- und Ausbau im gotischen Stil bevorstand. Noch fehlten die Merkmale einer ausgebauten Seelsorgestation. Im Vertrag vom 22. No- vember 1454 wird nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Reither erst Or- nate, Kelche, Meßbücher, das »Ewige Licht« und den Opferwein und alle anderen Erfordernisse für den Kaplan anzuschaffen haben. Zu bestimmten Feiertagen mußte der Reither Priester den Gottesdienst samt Pro- zessionen mit dem Pfarrer in St. Johann konzelebrieren. In begründeten Notfällen durfte der Kaplan von Reith den schwange- ren Frauen und Kranken die Beichte abneh- men, die Letzte Olung spenden, die Kinder taufen, die Toten begraben und dafür die Stolgebühren behalten. Bei Unwettern durf- ten auch an Sonn- und Feiertagen mit Zu- stimmung des Pfarrers in Reith die Messe gelesen, Evangelien gepredigt und offene Beicht abgehalten werden. Die jährliche Gült kam vom Perkaimerlehen in Hallern- dorf und der Zehent von Gütern in Guntha- bing, im Bichlach, im Brixental und in Joch- berg. Auf der »Horndlinn Alm« hatte die Reither Kirche 56 Rinderrechte und zwei Roßrechte. Diese vom Chiemseer Bischof Ulrich von Plankenfeis (1454-1467) bestä- tigte Meßstiftung wurde in den folgenden Jahrhunderten von Gläubigen ständig ver- bessert. 1509 bestätigte Erzbischof Leonhard von Salzburg diese ewige Stiftung, nachdem Pfarrer Dr. Georg Erlbach sich am 20. Au- gust mit den Reithern geeinigt hatte. Wegen des weiten Weges, großen Wassers, vielen Schnees und anderer Ursachen wurde den Reithern die Bitte gewährt, die Gottesdien- ste künftig in Reith halten zu dürfen. Deren Kaplan durfte also künftig uneingeschränkt in Reith Meß lesen, Amter, Vespern und Metten singen, sooft es sich ergab. Auch predigen, Kranken die Beicht hören, Kinder taufen, das Altarsakrament spenden und 01 reichen, gehörte seit 1509 zu den anerkann- ten Rechten des Priesters von Reith. Vom Begräbnisrecht ist allerdings nicht die Rede. Auch wenn Reith erst 1891 formell zur Pfarre erhoben wurde, so können wir doch davon ausgehen, daß seit der Installierung eines Priesters eine kontinuierliche Ent- wicklung zur Eigenständigkeit erfolgte. In den mehr als 200 Jahren bis zur Vikariatser- hebung 1674 gingen immer mehr Rechte auf die Filialkirche in Reith über, sodaß wir be- reits im 17. Jahrhundert von einer voll ausge- bauten Seelsorgestation sprechen können. Auch nach 1674 wollte die alte Kreuz- tracht Reith nicht gerne an ihre pfarrliche Abhängigkeit von St. Johann erinnert wer- den. Über die Herrschaft Kitzbühel wurde interveniert. Um sich »den so unbequemen Weg von einer starken Mcii« nach St. Johann an den vorgeschriebenen Festtagen zur St. Johanner Kirchweih und zu Weihnachten zu ersparen,, wollten sich die Reither von der Teilnahme an den fünf verbliebenen Gottes- diensten in St. Johann freikaufen. Ihnen war der weiter Weg von zwei Stunden, der bei Gewitter und Schnee auch drei bis vier Stun- den beanspruchte, einfach zu mühsam. Nach dem Rückgang des Bergbausegens im 17. Jahrhundert wurde es um das Reither Vikariat ruhiger, denn die Bevölkerung nahm stark ab. Es gab häufigen Priester- wechsel. Andreas Nikolaus Styrer wurde 1674 von Elimau nach Reith abgeschoben, um hier »fleißig zu Haus (zu) bleiben und keine Weibsbilder ... bei sich (zu) haben«. Junge Priester providierten meist kurzfri- stig, bis sich eine bessere Pfründe bot oder man schickte alte Priester nach Reith, die dort ihren Lebensabend verbrachten. Lo- renz Hirschmann wurde z. B. von der großen Seelsorge Hopfgarten »wegen abnehmender Leibeskräfte« nach Reith versetzt. Vermutlich anläßlich der Erhebung zum Vikariat im Jahre 1674 widmeten zahlreiche fromme Reither ihr Vermögen der Kirche. So konnte der Unterhalt des Priesters durch Realitäten und Stiftungskapital besser abge- sichert werden. Neben der Christenlehre gab es in Reith schon eine eigene Schule, die vom Mesner gehalten wurde. Mit dem neuen Widumbau 1721 dürfte auch ein Schulraum geschaffen worden sein. Der enorme Aufschwung im religiösen Leben drückte sich auch im Neu- bau der Kirche (1729) aus. 1743 machten der Wirth von Rewith, Augustin Pöll, und der Priester Josef Pöll, Vikar in EIlmau, zwei ansehnliche Stiftungen. Die meisten Stifter kamen aus der Gemeinde, doch waren auch einige Kitzbüheler darunter. Neubau der Barockkirche Ein einschneidendes Ereignis für die wei- tere Entwicklung der Reither Seelsorge ist der Entschluß zum Neubau der heute beste- henden Kirche im Jahre 1727. Obwohl in diesem Jahr Vikar Nikolaus Zinzel(l)i durch Gehirnschlag linksseitig gelähmt und nicht mehrhandlungsfähig war, entschloß sich die Gemeinde zu einem Neubau samt Sakristei, weil »ein von Tag zu Tag mehrers androhen- der Totalruin« eine Reparatur der alten aus dem 15. Jahrhundert bestehenden gotischen Kirche unzweckmäßig erscheinen ließ. Ab- raham Millauer von Haustatt bei Aibling machte für die Maurerarbeiten einen Ko- stenvoranschlag von 1666 fi. Mit einem Startkapital von über 3000 fi war die Finan- zierung unter Aufsicht von Lorenz Hörl zu Zimmerau und Adam Empl von Fallbichl 1729 gesichert, und es konnte mit dem Neu- bau begonnen werden. Sammlungen im Bri- xental, namhafte Spenden aus Reith und Jochberg brachten die notwendigen Mittel auf. Vom Gotteshaus St. Johann wurden 20980 Ziegel bereitgestellt. Aus Kitzbühel kamen weitere 6159 Ziegel, weiters 29 Faß Gips aus Brixlegg. Das kaiserliche Fakto- ramt ließ 4 Knappen 4 Wochen hindurch Steine brechen. Die Scharschindeln kamen aus der Wildschönau. Joachim Zaiserer be- sorgte die Zimmereiarbeiten. Die Kirchen- stühle kamen aus der Werkstätte der Katha- rina Papprian in Kitzbühel. Die Schmiede- arbeiten für die Fenster besorgte Wolfgang Prantl, Huf- und Waffenschmied in Kitzbü- hel. Eingeglast wurden die Kirchenfenster von Abraham Kremer zu St. Johann und Wolfgang Diermayr zu Kitzbühel. Schon 1729 war die Kirche im wesentlichen fertig, denn in der Bauabrechnung werden bereits die Malereien von Benedikt Faistenberger erwähnt, die ein ungenannter Wohltäter fi- nanziert hätte. 800 Jahre Pfarrkirche Reith bei Kitzbühel Anläßlich des Jubiläums 400 Jahre Pfarrkirche Reith« wurde eine Reither Ortschro- nik herausgegeben, die am 9. Oktober 1988 offiziell vorgestellt wird. Ein großer Teil dieses vom Tiroler Landesarchiv herausgegebenen und von Dr. Sebastian Hölzl ver- faßten Buches ist der Pfarrkirche von den Heiligen Agidius und Silvester gewidmet. Wir setzen unseren Bericht aus der 800jährigen Kirchengeschichte fort. II. Teil.
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