Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 8. Oktober 1988 ..Vjtzbühekr eUnzeiger Seite 33 So wie in der Barockzeit jede Gemeinde eiferte, eine moderne und noch größere und schönere Kirche zu besitzen als die Nach- bargemeinde, so waren die Reither auch be- müht, ihren religiösen Eifer nach außen hin durch eine Bruderschaft zu dokumentieren. In Hopfgarten bestand bereits eine Jesus- Maria-und-Josef-Bruderschaft. Am 23. Ok- tober 1747 wurde vom Chiemseer Bischof Franz karl die Errichtung dieser Laienorga- nisation approbiert, welche vom Reither Vi- kar Franz Graber veranlaßt worden war. Der Bauer Simon Hauser zu Oberhaus legte mit 60 fi den Grundstock für die Bruderschafts- stiftung. In den Folgejahren folgten beacht- liche Kapitalaufstockungen und schon nach 20 Jahren betrug das Bruderschaftsvermö- gen fast 800 fi. Im Jahre 1788 war das Vermögen der Reit- her Bruderschaft auf 3120 fi angewachsen. Wie die Stiftungsgelder der Kirche wurden auch die Bruderschaftsgelder um 4 Prozent weiterverliehen. Jedermann in und außer- halb von Reith konnte beim Kirchprobst oder Bruderschaftspropst gegen Pfandver- schreibung Gelder ausleihen. Manche Schuldner standen seit Jahrzehnten bei der Kirche in Kreide. Neben privaten Kredito- ren war die Kirche vor der Gründung der Raiffeisenkassen der größte Kreditgeber im Dorfe. Seit wann Reith das Begräbnisrecht hat, ist nicht überliefert. Die Ausgrabungen vom Denkmalamt brachten 1983 zwei Priester- gräber zutage, die kurz vor der Errichtung des barocken Neubaues um 1700 angelegt worden waren. Erinnern wir uns an den »Krieg umb die Begräbnüs« aus dem Jahre 1346, Unter Vermittlung Bischof Konrads von Chiemsee willigte Pfarrer Hanns von St. Johann schließlich ein, daß die Reither bei Notfällen »nicht möchten pringen ir leich zu der pfarr hintz sand Johanns- kirchen«. Sie konnten ihren Pfarrer bitten, daß er ihnen »di leich leg«, also sie bei St. Egidi begrabe. Aus dem Fundationsbrief für einen Priester aus dem Jahre 1454 entneh- men wir, daß der Reither Kaplan auch Tote begraben durfte. Es war daher sicher seit dem Mittelalter ein Friedhof vorhanden. Einen sicheren Hinweis für den schon lange bestehenden Friedhof haben wir durch die Friedhofserweiterung im Jahre 1565. Am 1. Juli kauften die Kirchpröpste von Peter Hauser am Untern Hof um 14 Gul- den ein »eingezäuntes Ackert so weit die Freithofmauer im Reut mit dem untern Ort hinabgeht«. Nach 1637 wurde nochmals ein Ackerl gekauft, welches an den »Freithof« grenzt. Möglicherweise stand dieser Kauf in Zusammenhang mit der Errichtung des »Totensagrer«. 1767 haben wir die Nachricht von einem Mesnerhaus. Eine besondere Fundgrube für die Ausstattung einer Kirche sind die Kirchenrechnungen, welche ab 1559 einst vorhanden waren. Aus einer Urkunde von 1707 erfahren wir über eine Altarweihe, was deshalb so über- rascht, weil die gotische Kirche 20 Jahre später abgerissen wurde. Die neue Kirche wurde am 30. Mai 1732 mit drei Altären ge- weiht. FüreineFilialkirchewarReithanOr- naten gut ausgestattet, wie wir aus dem In- ventar von 1769 erfahren. Über Kirchenglocken finden wir in die- sem Inventar keinen Hinweis. 1773 wird dem Vikar Georg MMayr vom Konsistori- um gestattet, eine »Zügen-Glocke« anzu- schaffen. Da aus den Maueruntersuchungen des Denkmalamtes bekannt ist, daß seit der hochgotischen Bauphae ein Turm besteht, kann angenommen werden, daß die älteste Glocke aus dieser Zeit stammt. Es handelt sich dabei um die sogenannte Heiden- glocke, die als gedrungene akustische Glocke gilt. Mit der Heidenglocke verbin- det sich die Sage um das Heidenschlößl. Auch die heidnischen Bergknappen werden damit in Verbindung gebracht. Aus dem Di- özesanarchiv erfahren wir, daß 1807 drei alte Glocken mit 19 Zentnern eingeschmol- zen und dafür drei neue Glocken mit 30 Zentnern angeschafft wurden. Als alle Geläute im Ersten und Zweiten Weltkrieg für Kanonen umgeschmolzen wurden, ereilte auch die Reither Kirchen- glocken dieses Schicksal. Nach einem provisorischen Geläute be- antragte Dr. Sebastian Ritter bei der Ge- meindeversammlung am 22. März 1952 ein »Salve-Regina-Geläute« mit dem Grundton E. Bereits am 24. August 1952 wurden die im Metallwerk Bühl in Häring gegossenen Glocken von Weihbischof Dr. Johannes Fil- zer geweiht. Als letzter Höhepunkt in der 800jährigen Kirchengeschichte von Reith ist die Erhe- bung zur Pfarre im Jahre 1891 zu bezeich- nen. Damit erlangte das seit 1674 bestehen- de Vikariat seine formelle Unabhängigkeit von der Mutterpfarre St. Johann. In Reith haben seit der Pfarrerhebung fol- gende Geistliche gewirkt: Von Juni 1883 bis Februar 1896: Friedrich Standl; März 1896 bis Mai 1903: Silvester Schneeberger; Juli 1903 bis September 1906: Josef Lenz; September 1906 bis Au- gust 1907: Karl Kronlachner, Pfarrprovisor; August 1907 bis September 1909: Johann Ghedina; September 1909 bis August 1916: Franz Xaver Seitz; September 1916 bis Fe- bruar 1929: Franz Xaver Strasser; März 1929 bis Juli 1960: Nikolaus Strubreiter, am 4. Juli 1960 gestorben, in Reith beerdigt; September 1960 bis August 1965: Ulrich Reichsöllner; September 1965 bis Mai 1966: N. Radauer, Vikar; Juni 1966 bis August 1972: Johann Moises, Pfarrprovi- sor; September 1972 bis Oktober 1980: Fer- dinand Babnik, Pfarrprovisor; November 1980 bis Oktober 1986: Rupert Schnöll, Pfarrer in Going, Provisor; November 1986: P. Helmut Benkler, Vikar im Kapuzi- nerkloster Kitzbühel, Pfarrpro- visor. Reith ist also bald 100 Jahre Pfarre, und aus Anlaß des 800-Jahr-Jubiläums wurde im September 1983 mit der umfassenden Renovierung der Pfarrkirche begonnen. Die letzte größere Renovierung wurde im Jahr 1898 durchgeführt. Dem Renovierungsaus- schuß gehörten an: Pfarrer Rupert Schnöll, Egid Achorner, Josef Hölzl, Michael Aufschnaiter von sei- ten der Pfarrgemeinde; von seiten der Ge- meindevertretung: Bürgermeister Sebasti- an Hölzl, Friedmann Raffier und Josef Jöchl, Reitherwirt. Bei der Innenrenovierung wurde die ge- samte Kirche ausgeräumt, der Boden ausge- koffert, Schüttmaterial eingebracht, die Mauern entfeuchtet und der schadhafte Putz erneuert. Bei den Grabungsarbeiten durch das Denkmalamt unter Dr. Wilhelm Sydow wurden romanische Fundamente aus der Zeit vor 1200 und gotische Bauteile aus dem 15. Jahrhundert entdeckt. Im Gewölbe wur- de ein Spannträger eingezogen und die Dachkonstruktion mittels Streben verbes- sert. In dieser Zeit fand die Messe im Pfarr- saal statt. Die Kirche wurde am HI. Abend 1984 das erste Mal benützt. Die Restaurie- rung der Gemälde und Altäre erfolgte durch Restaurator Josef Ghezzi und die Ausbesse- rung der Stukkaturarbeiten durch Thomas Lintner. Die örtliche Bauleitung hatte Franz Hagleitner inne, der aber am 13. August 1985 an akutem Herzversagen verstarb. Die Gesamtleitung hatte Architekt Schuh vom Bauamt der Erzdiözese Salzburg. Eine zweite Empore wurde entfernt und die Orgel auf die erste Empore verlegt. An der Empo- re wurden Gemälde von den zwölf Aposteln freigelegt. 1985 wurde der Turm restauriert und am 27. Oktober 1985 wurde von der Fir- ma Pondorfer aus Dölsach (Osttirol) das neue Turmkreuz aufgesteckt. 1986 erfolgte die Restaurierung der Außenfassade. Die Kosten der Renovierung betrugen ca. 8,5 Mio. Schilling. An Spenden der Reither Bevölkerung wurden 2,5 Mio. Schillingauf- gebracht, der Betrag der Gemeinde Reith betrug 1,5 Mio. Schilling. 800 Jahre Pfarrkirche Reith bei Kitzbühel Anläßlich des Jubiläums »800 Jahre Pfarrkirche Reith« wurde eine Reither Ortschro- nik herausgegeben, die am 9. Oktober 1988 offiziell vorgestellt wird. Ein großer Teil dieses vom Tiroler Landesarchiv herausgegebenen und von Dr. Sebastian Hölzl ver- faßten Buches ist der Pfarrkirche von den Heiligen Agidius und Silvester gewidmet. Wir setzen unseren Bericht aus der 800jährigen Kirchengeschichte fort. III. Teil.
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