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Von links: Der Vorsitzende des Vorstandes Hans Werner Tscholl, der Nachfolger von Josef Herold ab 1938 Bürgermeister Erwin Müller, der Vorsitzende des Aufsichtsrates Bürgermei- ster Hans Brettauer und Aufsichtsrat und Ehrenbürger Peter Sieberer. Seite 4 J<jtbÜbckr &Anzeiger Samstag, 22. Oktober 1988 Die Geschichte der Hahnenkammbahn Vom Vorsitzenden des Vorstandes, Hans Werner Tscholl 60 Jahre Hahnenkammbahn! Was liegt näher, als darüber einen historischen Uber- blick zu geben? Beginnen wir mit jenem Kitzbüheler Fremdenverkehrspionier, der im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts den Grundstein legte für die spätere Ent- wicklung des Skilaufes in Kitzbühel: Franz Reisch war es, der in kürzester Zeit die Bür- ger unserer Stadt zum »Skiern« begeistern konnte. Er war es, der den Weitblick hatte, im Skilauf die touristische Chance für Kitz- bühel und Umgebung zu sehen. Er hatte auch das nötige »Gspür« dafür, Kitzbühel als kommenden Wintersportort bekannt zu machen. Er holte sich Skilehrer aus dem hohen Norden, er begeisterte seine Freunde für den Skilauf, er veranstaltete Skirennen, hielt Kaiserjäger-Kurse ab, brachte die erste Tiroler (1905) und die erste österreichische Skimeisterschaft (1907) nach Kitzbühel. Er animierte Sommergäste, im Winter nach Kitzbühel zu kommen und er schrieb in fast allen Zeitungen Artikel über seine Akti- vitäten. Die logische Folge war, daß die Entwick- lung des Skilaufes in Kitzbühel nicht mehr aufzuhalten war. Bereits 1903 hat er das Grandhotel und dann das Sporthotel gebaut, und viele Be- herbergungsbetriebe folgten. Einer seiner Freunde und engster Mitar- beiter war Josef Herold, der nach dem viel zu frühen Tod von Franz Reisch im Jahre 1920 dessen Ideen fortsetzte und der dar- über nachdachte, wo man wohl am besten eine Seilbahn hinauf in die wunderbare Bergwelt Kitzbühels bauen könnte. Die Fra- ge war: Auf den Hahnenkamm oder auf das Kitzbüheler Horn? Es gab Widerstände. Ge- hörten doch die Sympathien eines Großteils der Kitzbüheler Bürger einer Seilbahn auf das Kitzbüheler Horn. Josef Herold und seine Freunde, beson- ders aber der Architekt und Kunstmaler Al- fons Walde und Generaldirektor Dr. Julius Bueb setzten ihren Willen durch und am 25. Juni 1925 fand bereits die Kommissionie- rung und im Mai 1926 der Spatenstich für die Hahnenkammbahn statt. Pressekriege, Verleumdungen, Intrigen- spiele, Kämpfe mit den Ministerien, Geld- knappheit usw., das waren die Begleiter- scheinungen, mit denen die Konzessionäre bzw. Betreiber und Befürworter der Hah- nenkammbahn fertig werden mußten. Pau- senlose Vorhersagen eines finanziellen Chaos sollten Herold und Genossen mürbe machen. Im November 1927 fand die erste Probe- fahrt statt. Die große Hoffnung auf das ge- lungene Werk hielt jedoch nicht lange an. Bereits nach einigen Tagen zeigten sich die Folgen eines Vermessungsfehlers, die zur Einstellung der Bahn führten. Die Gegner der Bahn fanden sich bestätigt und die Betreiber mußten nun nicht nur mit dem technischen Fehler fertig werden, son- dern auch mit den bevorstehenden finanziel- len Problemen. Prozesse, Klagen, Gegenklagen und per- sönliche Angriffe mußten durchgestanden werden. Für Herold und seine Mitstreiter begann von neuem das Spießrutenlaufen in den Ministerien, bei der Landesregierung, bei der Stadtgemeinde und bei den Banken. Sie gaben aber nicht auf und erreichten zumindest im Jahre 1928 die Aufnahme des einseiligen Betriebes. Die Stundenleistung mit 40 Personen bergwärts war natürlich de- primierend. Am 2. Jänner 1928 fand im Gasthof »Ha- risch« die konstituierende Generalver- sammlung statt. Man konnte sich nur sehr schwer über die Zusammensetzung des Ver- waltungsrates einigen. Für die ganze Stimmung war bezeich- nend, daß man Herrn Herold weder einen Sitz im Verwaltungsrat, noch im Aufsichts- rat anbot. Man hatte sogar Angst, daß Dr. Bueb Herrn Herold als Mitglied des Auf- sichtsrates namhaft machen könnte. Wohl das Schicksal eines Pioniers! Ende 1928 bot man ihm dann doch einen Sitz im Verwaltungsrat an, aber unter fol- genden Bedingungen: Er müsse weitere 40.000 Schilling Aktien zeichnen und alle über die seinerzeitigen Kostenvoranschläge für den Bahnbau hinausgehenden Kosten übernehmen. Herold nahm nicht an. Die finanzielle Lage war bedrohlich. Die Löhne der Arbeiter wurden z.T. mit Herolds Privatgeld bezahlt. Die Kitzbüheler Bürger waren nicht mehr bereit, Wechsel zu unter- schreiben, außer die Stadtgemeinde hätte die Rückhaftung übernommen. Die finan- zielle Situation war so schlimm, daß das Bundesministerium für Finanzen die Sat- zungen der Gesellschaft erst dann genehmi- gen wollte, wenn der Großteil der offenen Schulden abgedeckt würde. In dieser Situation wandte man sich wie- der an Dr. Bueb, da auch die Stadtgemeinde und das Land Tirol nicht mehr helfen konn- ten oder wollten. Dr. Bueb erklärte, daß er zu Opfern bereit sei, jedoch jetzt nur mehr, wenn sich die Kitzbüheler untereinander einig seien und die Angriffe auf Herold unterbleiben wür- den. Anfang 1928 gab es Anzeigen, weil man die Personenbeförderung fallweise aufrecht hielt. Die Bezirkshauptmannschaft befahl, den Betrieb einzustellen. Die Bahn wurde ganztägig bewacht, weil man bei der Gen- darmerie in Erfahrung brachte, daß doch die eine oder andere »Schwarzfahrt« vom Be- triebsleiter für die Bergbewohner geneh- migt wurde. 1929 vergab der Verwaltungsrat den Auf- trag zum Einbau von Niederhaltschuhen und hoffte damit, wieder zweiseiligen Be- trieb aufnehmen zu können. Herold fuhr nach Wien ins Ministerium und dort wurde ihm erklärt, daß die Niederhaitschuhe auf Dauer erst dann genehmigt würden, wenn sie sich 2 Jahre bewähren sollten. Herold drängte auf die Genehmigung, weil sonst Dr. Bueb seine Zusage, weitere 200.000 Schilling zu geben, zurückziehen würde. Dr. Bueb bestand darauf, daß die Bahn im Frühjahr 1929 zweiseilig fahren müsse, was dann auch möglich wurde. Man gab sich wieder optimistisch. 1930 wurde Bürgermeister Carl Planer zum Präsidenten und Herold zum geschäfts- führenden Vizepräsidenten gewählt, womit die Arbeit Herolds endlich seine späte An- erkennung fand. 1931 konnte Josef Herold dem Verwal- tungsrat erstmals in Aussicht stellen, den Zins- und Amortisationsverpflichtungen nachkommen zu können. Die Hahnenkammbahn begann »schwar- ze Zahlen« zu schreiben, der Geschäftsgang konnte als zufriedenstellend bezeichnet werden.
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