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Seite 22 ..VJ1zbüheler eAnzeiger Samstag, 11. März 1989 Am 16. April 1848 wurde die Schützen- kompanie organisiert. Von der Landge- meinde Kitzbühel 160 Mann stark. Dann wurde der Hauptmann gewählt. Christian Unterrainer, Simonbauer von Waidring. Am 19. April war um 6 Uhr früh die Feldmesse mit Bannerweihe. Um 10 Uhr wurde sie unter Begleitung der Stadtmu- sik, die den »Feldschritt« aufführte, aus- begleitet. Viele Glückwünsche begleiteten sie. Es war schön anzusehen, wie die neue Fahne so schön im Winde flatterte, und immer weiter unseren Augen entzogen wurde. Sie hatten mit goldenen Buchsta- ben die Devise: »Für Gott, Kaiser und Va- terland.« Es war erst die dritte Kompanie, die nach Südtirol ausrückte, um das theure Vaterland, das Eindringen der wälschen Insurgenten und Briganden zu verhin- dern, und so das liebe Vaterland zu vert- heidigen. Am 4. May war das Gefecht bei Goito, wo sich besonders unsere Kaiserjäger brav auszeichneten. Am 15. May war in Wien wieder ein Aufstand, und zwar so, daß unser Kaiser Ferdinand seine Residenz verläßt und in unser Vaterland Tirol floh. Das Volk in Wien wollte eine bewaffnete Sturmbitt- schrift einreichen, der Kaiser war ver- nünftiger und flüchtete sich mit seiner Fa- milie. May kam er in St. Johann an. Es sah sehr traurig aus, die Kaiserin wein- te sehr, alle wurden bis zu Thränen ge- rührt, die diese rührende Szene sahen. Nachtrag: Am 15. März 1848 wurde der allmächtige Minister Metternich gestürzt. Er war ein ausgezeichneter Diplomat, der Österreich im Ausland Macht und Anse- hen verschaffte, im Inland aber den Bo- gen bis aufs höchste spannte, bis er end- lich zerbrach. Am 1. May 1848 zog die Hopfgartner Schützenkompanie nach Südtirol ab. Der Hauptmann war der Glasfabrikant Franz Friedrich. Am 7. Juny war das Gefecht bey Valsu, wo sich die brave Zöttliche Kompanie auszeichnete. Gottlieb Zöttl war Haupt- mann, und organisierte diese Kompanie, die zuerst ins Feld rückte. Sie soll bei 300 Mann stark gewesen sein. Im May wurde in Frankfurt am Main die deutsche Nationalversammlung eröff- net, um ein einiges Deutschland zu errich- ten. Ob sie imstande sind das zu vollbrin- gen, wird die Zukunft lehren. Für unseren Bezirk wurde erwählt: Herr Alois Schmid, Dekan von Brixen im Brixental. Juny wurde zu Frankfurt Her- zog Johann von Österreich zum Verweser, des deutschen Reiches ernannt. Am 18. July war beim Hinterbräukeller ein Schießen zu Ehren der Ernennung zum Verweser von Erzherzog Johann. Ich gewann das III. Schleckerbest. Am 30. July kam unser Onkel von Triest mit seiner Tochter Erna. Er sah sehr krank aus. Den 1. August kam die Kraftische Fa- milie als: Frau Basi, Fräulein Tochter Pe- pi, Lani sowie Karl und Lois. Ich verlebte angenehme Stunden. 9. August 1848 fuhren wir, ich, der Kraft Karl, Lois und Pepi nach St. Jo- hann. Um 4 Uhr abends fuhren wir fort. Der Kaiser kommt von Innsbruck herab, um wieder nach Wien zu gehen. Um 1/26 Uhr kam Seine Majestät in St. Johann an. Sechs Kompanien Schützen waren da, auch sehr viel Volk. Er wurde mit Enthu- siasmus empfangen. Der Kaiser sah sehr gut aus, er war sehr gerührt von der Liebe des Volkes zu ihm. Anderen Tags fuhr er um 9 Uhr ab. Am 3. September wurde in Kitzbühel die Totenfeier gehalten für die tapfer ge- fallenen Krieger in Italien. Um 8 Uhr war Trauergottesdienst, die Totenbahre war schwarz behangen, auf beiden Seiten Ge- wehrpiramiden aufgestellt, mit Flor und Eichenblätter umhangen. Kriegsfahnen, Trommler, Trompeten, Säbel und Feder- hut durften nicht fehlen. Alles war in schönster Ordnung aufgestellt. Ein Zug Stadtschützen vollendeten diese so schöne aber trautrige Kriegerfeierlichkeit. Am 6. September kam Durchlaucht Gustaf Fürst von Lamberg nach Kaps, um einige Tage in Kitzbühel zu verbirn- gen. Er gab den Schützen ein Schießen von 120 Gulden. Am 8. September gings an. Auch der Fürst selbst schoß mit auf den Hirsch. Der Nagelschmied Georg Kraisser that für den Fürsten zwei Breit- schuß und gewann für ihn das erste Hauptbest 4 Dukaten. Dafür erhielt er zum Drinkgeid 6 Dukaten, Zieler und Schreiber 2 Dukaten. Ich that auch für den Fürsten einen Breitschuß. Aber o Himmel, ich hätte bald die Scheibe ge- fehlt. Am Abend des 10. September gingen mehrere Schützen nach Kaps, um den Fürsten Lebewohl zu sagen und ihm das Best zu überreichen. Er war sehr gerührt über die Anrede des Oberschützenmei- sters und dankte den Schützen von Kitz- bühel für die heiteren Tage, die sie für ihn dahier verschafft haben. Ja, er sagte, die Stunden gehören unter die heitersten sei- nes Lebens, und versprach nächstes Jahr gewiß wieder zu kommen und ingere Zeit unter die lustigen und fröhlichen Schüt- zen von Kitzbühel zuzubringen. Zu mir sagte er noch im Fortgehen, ich soll nach Italien ziehen und dort Italiener, statt Hirschen. Er drückte uns allen die Hände und sagte uns ein Lebewohl. Im Schloß- hofe sangen mehrere Schützen ein schö- nes Schützenlied zum Abschiedsgruße. Er winkte uns vom Fenster aus ein letztes Le- bewohl zu. 105 Schützen nahmen am Schießen teil. 15 Best wurden gemacht, mehr als die Hälfte blieb in Kitzbühel. Ich gewann das III. Hirschbest. Es war ein schönes Schießen. Am 27. September 1848 wurde zu Preß- burg in Ungarn Franz Graf von Lamberg erschossen. Er war vom Kaiser abgesandt, als Vermittler zwischen Ungarn und Osterreich zu wirken. Ende September kehrten die letzten Schützenkompanien von Italien zurück. 16.652 Schützen sind ausgezogen, um das Vaterland zu verdheidigen. Tirol hat auch in diesem Jahr wieder ihre alte Treue zu Fürst und Vaterland gezeigt. Der ge- sündeste Verstand ist doch immer im Ge- birge. Oktober starb mein Onkel An- ton Feiler an der Auszehrung. Anton Fei- ler war Schützenhauptmann von St. Jo- hann. Am 4. Oktober bin ich nach Innsbruck geschickt wordei, um die Töchter des Herrn Veter abzuholen. Da bin ich um 1/2 8 Uhr abends fort, bin die ganze Nacht gegangen, bin um 5 Uhr früh in Rattenberg gewesen, von da bis Schwaz gefahren, und von Schwaz bis Innsbruck wieder gegangen. Um 3 Uhr in Innsbruck angekommen, hab die Schießstätte be- sucht, da gerade ein großes Schießen war, hab die Schützen vom Piiiersee und von St. Johann angetroffen. Auf den Abend beim »Steinbock« eingekehrt, wo auch die anderen Schützen waren, und da einen e*>,e5me~~ Z lustigen Abend und eine lustige Nacht verlebt. Am andern Tag um 5 Uhr fortge- fahren mit den Töchtern des Herrn Vet- ters, und so um 9 Uhr diesen Tag wieder glücklich in Kitzbühel angekommen. Am 12. November war der Schützen- ball in Kitzbühel. Ist sehr lustig gewesen, hab aber nicht viel Glück gehabt. Dezember 1848 wurde bei uns die Thron1esteigung des neuen Kaisers Franz Joseph I. gefeiert. Nach dem vor- mittägigen Gottesdienst wurde es beim Landgerichte öffentlich verlesen. Es zo- gen 1 Kompanie der Bergarbeiter auf, ein Zug Nationalgarde. Zuletzt wurde dem neuen Kaiser ein lautes Vivat gebracht; auch für Ferdinand dem Gütigen, der am 2. Dezember die Krone niedergelegt hatte. Kleine Bezirkschronik Aus dem Tagebuch von Jakob Erler, Hansimühle, Kitzbühel II. Teil und Schluß
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