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brach mancher sofort auf, um als erster beim Dampfi, Bären und Bräu es weiter- zuerzählen. Es durfte keine Zeit versäumt werden. Gegen 5 Uhr war Vesperzeit auf der »Post«, wo sich die größte. Gesell- schaft beim Kartenspielen zusammen- fand. Geistliche, Ärzte, .Professionisten und nach 6 Uhr erfolgte der Aufbruch zum Essen. Die »Übriggebliebenen« wan- derten erst bis die roten Fenstervorhänge in den Gasthäusern zugogen wurden. Die Entwicklung vcn St. Johann be- gann mit der EinfühvkIg der Straßenbe- leuchtung. 1886 brannte am Hilscher- Haus (altes Schulhaus) die erste Straßen- laterne, die der Geschäftsinhaber, Josef Hilscher 1., an dem Haus anbrachte, da- mit niemand in das nebenan fließende Mesnerbachl fällt und auch um eine Anre- gung zu einer allgemeinen Straßenbe- leuchtung zu geben. Der Stopfenaumüllner, Hans Wiesho- fer, der täglich und auch nachts, nach Hause ging, wurde durch diese praktische Beleuchtung angeregt und berief in das Herrenzimmer beim Bären eine Hausbe- sitzerversammlung zwecks Einführung ei- ner Straßenbeleuchtung ein. Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden und nach einer nicht allzu langen Aussprache hatten sich die Gasthäuser Bären, Post, Bräu und Bruckwirt bereiterklärt, ‚die Lampen selbst anzukaufen, anzuzünden und zu er- halten. Für weitere Lampen, insgesamt 15, wurde das Geld durch Sammlungen aufgebracht. In der Heiligen Nacht 1886 brannten zum erstenmal die Lampen, Seite 30 kitzbüheler eUnzeiger Samstag, II. März 1989 Kleine Kitzbüheler Bezirkschronik: St. Johann vor 100 und mehr Jahren Nach Aufzeichnungen von Josef Hilscher 1. Der Hauptplatz von St. Johann vom Jahre 1884. Gasthof »Zum Darnpfl«, daneben das Schellhornhaus und rechts Hotel Bären mit dem damals noch angebautem »Maura- cherhaus«. Am Tisch mitten auf dem Platz die » Weinvesperherren« von St. Johann. Vor 100 Jahren galt St. Johann als die getragen wurde. Hatte der Gast sein steuerkräftigste Landgemeinde vn Nord- Quantum getrunken, so legte er die Wein- und Südtirol, Ein schönes Dorf. Die Häu- flasche zum Zeichen, daß die Kellnrin - ser sauber gehalten. - Alles andere für den nicht mehr zu fragen braucht, uni. Es ist Fremdenverkehr fehlte. Von einem schat- Schluß. tigen Spaziergang keine Rede, denn es -Mit dem Bier hatte es sein Gfrett, wenn standen im Jahre 1881 an der Mauer zum der Juli kam und kein Eis mehr im Bräu Dechantgarten gegenüber der Kirche nur keller war. Beim Bruckwirt, der einen tie- einige Pappeln, die in den siebziger Jah- fen, kalten Keller hatte, war das Bier noch ren von Dr. Lenz gepflanzt wurden. am frischesten, im allgemeinen war der Beim Bräugasthaus auf der oberen Bedarf an Wein und Branntwein größer Straßenseite standen zwei alte, wuchtige als an Bier. Pappeln, die wohl auch als Blitzableiter Der größte Besuch von auswärtigen Gä- dienten. Beim Antoni-Friedhof stand eine sten entstand durch die Geschäftsreisen- Esche, im Garten des Armenhaises eine den, welche St. Johann des guten Rufes Kastanie, beim Schuster-Ander, heute halber zu ihrem Stützpunkt machten. Binder Pletzer. Dechant-Wieshofer- Mit Fug und Recht konnte jeder zufrie- Straße, einige Zitterpappeln, die der Er- den sein, wenn man so zwei Stück Braten bauer des Hauses um 1840 zum HDchwas- auf einem Oval sah, mit zwei Zuspeisen serschutz an der Pillersecache einsetzte, um 30 Kreuzer, eir Schnitzel, daß es über Bei den Häusern standen Obsibäume, dem Oval herabhing, um 36 Kreuzer. Das so im Dechantgarten, beim Mesrerhaus, war ein Leben, da floß hiezu manches beim Ortner - heute Habach, Beim Ep- Viertel. pensteinerhaus (gegenüber dem Brücken Für das Vergnügen sorgten im Sommer Wirt), erbaut von dem damal:gen Straßen- drei Kegelbahnen, bei der Post, beim meister Eppensteiner in den 40er-Jahren Bräu und bei der Bahnhofrestauration. (1840), stand südlich ein Weinstock mit Alle Kegelbahnen hatten ihre eigenen weißen Trauben, die ganz gut abreiften, Stammgäste, an Wochentagen wie auch wenn auch säuerlich, aber doch gut ge- an Feiertagen, nießbar waren. An der Großache entlang Das Originellste war bis zur Bahneröff- standen Erlenstauden, die von den Anrai- nung im Jahre 1875, als die Holzfuhrwer- nern fleißig mit der Hacke bearbeitet wur- ke verkehrten, in St. Johann alle Mittags- den. Sonst waren weithin keine Bäume station machten und die gewerblichen und Sträucher und mithin keine schatti- Meister um 3 Uhr Feierabend gen Spaziergänge. machten.Weil um diese Zeit der Stellwa- Die damaligen St. Johanner fühlten genlenker »Wast« bei der Maut von sich dabei ganz wohl, die Gasthäuser wa- Wörgl ankam und die Neuigkeiten, dar- ren gut und sauber, in den Stuben waren unter manche Lügen, mitbrachte, die so- die weißgeriebenen Ahorntische, wo der fort bei »an Vierterl«, den Anwesenden Wein auf blankgeputzten Zinntellern aus- erzählt wurden. Nach dem »Gehörten«
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