Kitzbüheler Anzeiger

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Der Kitzbilh eler Nationalrat Dipl. - Vw. Michael Killisch-Horn verhandelte in Sachen EG und Fremdenverkehr mit dem niederli2ndischen Ministerprdsidenten Ruud Lubbers (Mitte) und dem Prasidenten der IPU Aad Kosto. Samstag, 17. Juni 1989 _1~jtzbt! . heler )~QAnzeiger Seite 21 Der Zug fiffirt Richtung Bm**&wll, c9 GesprAch mit Nationalrat Michael Horn fiber die Auswirkungen eines m6glichen EG-Beitritt Osterreichs Noch vor der Sommerpause wird sich der Nationalrat mit dem EG-Beitritt Osterreichs befassen. Nach einer ausgiebi- gen Debatte im Parlarnent soil dann der vielstrapazierte oBrief nach Brfisselo ab- gesandt werden. Der Kitzbtiheler Anzei- ger fiffirte dartiber mit unserern Abgeord- neten zurn Nationalrat Dip].-Vw. Michael Killisch-Horn das folgende GesprAch. K.A.: Herr Nationalrat Horn, sind sich die Koalitionspartner SPO und OVP nun dar0ber einig, dafi Osterreich den Weg in die Europfiische Gerneinschaft (EG) be- schreiten soil? NR Horn: Es besteht nun weitgehend Einigkeit dartiber, daf3 Osterreich den Antrag auf Vollmitgliedschaft stellt. Die Regierungsvorlage wurde im auBenpoliti- schen Ausschuf3 ausgiebig und eingehend behandelt. D-r ))Brief nach BrUsselo soll — sofern es nicht doch noch zu Unstim- migkeiten kommt — im Juli abgeschickt werden. Er enthqlt vor allem unser unver- ruckbares Bekenntnis zur Neutralitqt. Gleichzeitig kommt es zwischen OVP und SPO zu einer Grundsatzvereinbarung, wie die Gesprqche mit der EG geftihrt werden sollen. So diirfen etwa die sozialen und umweltpolitischen Standards in Oster- reich durch C'en Beitritt nicht verschlech- tert werden, die Transitfrage ist noch vor Vertragsabschluf3 einer befriedigenden Losung zuzu--'tihren. K.A.: Warum hat es Osterreich mit dern Beitritt so eilig und was wird er ffir unser Land bringen? NR Horn: Bereits 1957 beim Abschluf3 der >>Romer Vertrage(( hat sich Osterreich dartiber Gedanken gemacht, ob man der EWG mit damals sechs Mitgliedsstaaten beitreten soil. Heute haben sich schon zwolf europaische Staaten von Portugal bis Griechenland in der EG gefunden. Bis Ende 1992 soll der angestrebte >>Binnen- markt(( vollendet werden. 320 Millionen Menschen ohne Beschrdnkungen des Wa- renverkehrs, Dienstleistungen und Kapi- tal; keine Kontrollen beirn Reiseverkehr innerhalb der Staaten. Daftir aber ver- starkte Kontrollen und Barrieren gegen- tiber Drittldridern. Osterreich wtirde dann so ein >>Drittland(( sein. Was die >>Eile(< betrifft, so wird sich unser moglicher Bei- tritt ohnedies erst in acht bis zehn Jahren vollziehen. K.A.: Wer entscheidet fiberhaupt fiber die Aufnahme Osterreichs? NR Horn: Wenn das Ansuchen in BrOs- sel ankommt, so wird es an die zwolf Mit- gliedsstaaten weitergeleitet. Die dortigen Regierungen machen sich Gedanken dar- Oer, ob man das neutrale Osterreich Uberhaupt aufnehmen soll. Im Minister- rat der EG kommt es dann zur Abstim- mung, ob ein >>Verhandlungsmandat(( er- teilt wird. Wenn ja, so k6nnen die eigent- lichen Detailgesprache mit Osterreich be- ginnen. Neutralitqt, Grundverkehr, Landwirtschaft und alles, was uns be- wegt, werden zur Sprache kommen. Auch die EG wird ihre Wtinsche vortragen und nach ihren Rechtsnormen das eine und andere zugestehen — oder auch ablehnen. Diese Verhandlungen werden sich erfah- rungsgem,qf3 tiber Jahre hinziehen. Portu- gal hat zurn Beispiel fiber zwei Jahre nur wegen seiner Weinexporte verhandelt. Liegt dann ein endgUltiges Ergebnis vor, so kommt es in Osterreich zur Volksab- stimmung: Sollen wir unter diesen Bedin- gungen zur EG — ja oder nein?! Aber auch das europAische Parlament, das aus 514 direkt gewdhlten Abgeordneten be- steht, muB dann erst seine Zustimmung zurn Beitritt Osterreichs geben! K.A.: Welche Produkte sind ffir Sie bei den Verhandlungen von besonderer Be- deutung? NR Horn: Neben unserer NeutralitAt, die sicherlich zu Problemen ftihren wird und dem Transit, der ja schon vorher ge- lost werden soll, sind ftir mich die The- men Grundverkehr und Fremdenverkehr von besonderer Bedeutung. In der EG gibt es ja das freie Niederlassungsrecht ftir Firmen. Ein italienischer Wirt kann in Deutschland ohne Probleme ein Lokal aufmachen und der franz6sische Baumei- ster in England eine Firma inklusive Bau- hof griinden. Aber auch in der EG bleibt das nationale Raumordnungsrecht unan- getastet; liegt die Fldchenwidmung — was Bauland, als gewerblich nutzbares Land und was Grtinland bleiben soll ausschlief3- lich in der Zustandigkeit der Einzelstaa- ten. Zweitwohnsitze ftir EG Btirger kon- nen weiter verboten bleiben. Beim Frem- denverkehr mOssen unsere Grenzen wie bisher offen bleiben — und gerade da konnten sich Probleme ergeben! Im >>Schengener Abkommeno haben sich die Benelux- Staaten , Frankreich und Deutschland bereits geeinigt, daf3 sie bei Wegfall der inneren Grenzkontrollen, die Straf3engrenzen gegentiber den anderen L,qndern besonders streng kontrollieren wollen. Das konnte ftir uns Nachteile bringen und Urlaubsreisen nach Oster- reich erschweren. K.A.: Wenn Sie heute den Beitritt Osterreichs kritisch beurteilen, sind Sie daffir oder dagegen? NR Horn: Momentan geht es tiber- haupt noch nicht um den Beitritt, sondern um die Aufnahme von Verhandlungen. Erst wenn wir genau wissen, was am Ende herauskommt, kann dartiber geurteilt werden. Heute wird so viel Anti-EG- Stimmung gemacht. Tausende deutsche Urlauber sagen uns: >>Geht blof3 nicht in die EG<<. Und in der Zwolfergemeinschaft ist wirklich nicht alles so rosig: Probleme mit der Landwirtschaft, ausufernde Beamten-Btirokratie in Brassel, Verlust an Eigenstaatlichkeit und anderes mehr. Auf der anderen Seite kaufen wir der EG mehr an Waren ab als wir exportieren. Wir sind also keine Bittsteller mit ge- krijmmtem ROcken. Trotzdem ist es eine Illusion zu glauben, daf3 wir in Osterreich einfach so wie bisher weitermachen kon- nen. Der >>Binnenmarkto wird sich auf unsere KonkurrenzNhigkeit negativ aus- wirken und immerhin exportieren wir hauptsAchlich in den EG-Raum. Aus Ti- rol z.B. Ober 80 Prozent der Rinder, Ktise und vorn Holz. Deshalb die Verhandlun- gen. Wir konnen doch nicht tatenlos vor der Ttire stehenbleiben und nichts mitzu- reden haben. Wenn die Verhandlungen zurn Vollbeitritt nicht unseren Vorstellun- gen entsprechen, k6nnen wir immer noch eine andere Form der Teilnahme am Bin- nenmarkt anstreben. K.A.: Herr Nationalrat Horn, wir dan- ken Ihnen ffir das Gesprkch.
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