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Folo. Seite 44 Kitzbübeler ~LAnzeiger Samstag, 9. Dezember 1989 »Einer flog Über das Kuckucksnest« gab Zeit zum Nachdenken! Kathi Kien 0" er — 70 Yua Kathi Kie--ipcintner, geborene Brandt- ner, eine Geschäftsfrau mit Leib und See- le, feierte am 2, Dezember 1989 im Kreise ihrer Familie sowie in Gegenwart zahlrei- cher Patenkind.= -r bei ihrer Tochter Hilde im Hotel »Tirole--hof« in Waidring ihren 70. Geburtstag. Auch die Heimatzeitung schließt sich den zahlreichen Glückwün- schen an. Kathi'Ki'enpoi . qtdjer. Die Jubilarin var bis zur Hochzeit mit dem bekannten Waidringer Kaufmann Sepp Kienpoiritr-er viele Jahre im elterli- chen Gastbetrieb »Waldringerhof« be- schäftigt. Seit 45 jEhren steht Kathi Kien- pointner nun ih--er großen und treuen Kundenfamille zu Diensten. Waren vor- erst ausschließlich die Einheimischen im »Greißlerladen« am Dorfplatz von Wai- dring die regelmäßigen Abnehmer der an- gebotenen Nahrungsmittel und Ge- brauchsartikel, so entwickelte sich das Kaufhaus Kieapointner im Laufe der Nachkriegszeit zu einem angebotsstarken »Spar-Markt«. D--e Jubilarin hat diese Aufwärtsentwicklung durch Fleiß und un- ermüdliche Mitar--cleit maßgeblich mitge- prägt. Die Mutter von drei Kindern, zu wel- chen auch der neue Mann an der Spitze der Gemeinde Waidring, Bürgermeister Heinz Kienpointner, zählt, ist bei den Waldringern und unzähligen Urlaubern als Mensch und G=Ischäftsfrau äußerst be- liebt. Trotz ihrer 70 Jahre managt Kathi Kienpointner auch heute noch Tag für Tag den schwierigen Dienst an der Kasse stets lächelnd, zuvorkommend und freundlich. Zudem nimmt sich die »Geisl Kathi« während der So--nrrermonate die Zeit für die aufwendige, fzzhkundige Pflege des Balkonblumenschmucks. Schon mehr- mals erhielt die Jul:)--larin für diese orts- bildverschönernde Arbeit öffentlichen Dank und Anerkennung. J.0. Der international bekannte Schauspieler Herwig Seeböck hat mit der zielstrebigen NeukirchnerTheatergruppe »M2« das Thea- terstück »Einer flog überdas Kuckucksnest« einstudiert, dessen Dramatik einem Roman von Ken Kesey entspringt. Der Hang zu ungewöhnlichen Stoffen wurde für die Neukirchner Gruppe Abhän- (,igkeit. Diese Bestäti ung trat am Freitag, 18. November 1989, im Waldringer »Frei- zeitzentrum« ins Rampenlicht. Der mehr als eigenartige Alltag in einer psychiatrischen Klinik wurde von den Kul- turexpreii »nil«-Schauspielern hautnah nachvollzogen. Wenn das typische Psychopathentreiben auf der Waldringer Bühne so manchem Theaterfreund ein höhnisches Lächeln ent- locken konnte, so ist der Drehbuch und In- szenierungsstoff auch in österreichischen Anstalten Realität. Wie schnell kann doch der Weg in eine Nervenklinik oder Nerven- heilanstalt führen? Wenn zum Beispiel der Amts- oder Polizeiarzt nach einer kurzen Begutachtung des Zwangsvorgeführten frei- handelnd die Einweisung eines Staatsbür- gers anordnet. Wenn der Strafrichter in einem ProzM wegen einer vom Gerichtsgu- tachterattestierten Unzurechnungsfähigkeit die Strafe aussetzt und die Unterbringung des Angeklagten — nach Rechtskraft des Urteils — in einer Anstalt für geistig abnor- nie Rechtsbrecher ausspricht. Im ersten Fall hoffen die mit Beruhigungsmitteln vollge- stopften Insassen auf eine rasche Befreiung durch Angehörige und Freunde. Im zweiten entscheidet ausschlielflich eine vom Voll- zugsgericht beauftragte Kommission all- jährlich über die zeitlich unbegrenzte An- haltedauer. Viele ungefährliche Kranke, die in den »Pavillions der Narren« ohne Entkommen leben, dahinvegetieren bis zur Erlösung (?), könnten in der Gesellschaft sein, würden sie wieder in die Familie integriert' Doch schämt sich die »gesunde Nobelge- sellschaft« an den von ihr in die Welt g esetz- ten Krüppeln, also den geistig und körper- lich Behinderten! Die »Beseitigung in die Isolation« kann da eben nur gelegen sein. . DieNeukirchnerTheatergruppe»inl«gab in Waldring unverschönert den Alltag in der Psychiatrie wieder. Prügel, Handschellen, Zwangsjacken, Elektroschocks und er- drückende Behandlung durch die niedizini- schen Betreuer vergewaltigen im Zweiakter s die freie Willensführung und Entscheidung des Patienten. Man spritzt ihn nieder auf ein ,gefügiges Häufchen Elend und verwendet ihn womöglich als eine Art Versuchskanin- .-hen im Bereich der Schulmedizin. Deshalb -nul~ dem schauspielerischen Courage, dem Künstlerischen Können und der elektrizie- renden Interpretation der Neukirchner Gruppe »in'« die Note Eins verliehen werden. Der Waldringer Kulturreferent und Vize- bürgerineister Hans Steiner wählte anlät~- lich der »Jungbürgerfeler 1989« ein waag- halsiges Stück für die »Jugen& in und uni Waidring. Es wurde aber ein von allen Al- tersklassen gutbesuchter Theaterabend. Vielleicht setzte gerade dieses Theater- s-.ück ein Signal ins Gewissen so manchen Zusehers. Ein Signal in den bevorstehenden Wochen der Besinnlichkeit. Vielleicht d2nkt man dadurch für Augenblicke hinter d e stählernen Mauer, die vergitterten Fen- ster und die versperrten Türen, wo viele un- serer Schwestern und Brüder »gehalten«
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