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Seite 48 Kitzbüheler eLAnzeiger Samstag, 9. Dezember 1989 Facharbeitermangel und der Polytechnische Lehrgang Von Dir. Josef Moser, Hopfgarten, Leiter für PL/Bezirk Kitzbühei Seit der Facharbeitermangel deutlich spürbar wird, hören die Angriffe von Wirtschaftstreibenden und Interessens- vertretungen auf den Polytechnischen Lehrgang nicht mehr auf. Als der PL im Jahre 1966 erstmals seine Tore öffnete, tat er dies mit sehr negati- ven Vorzeichen: Es fehlten geeignete Schulräume, es gab keine geeigneten Schulbücher und Lehrmittel, die Lehrer waren mangelhaft vorbereitet, eine positi- ve Starthilfe fehlte sowohl von der Wirt- schaft als auch von der Politik. Engagier- te ließen sich jedoch davon nicht ab- schrecken und investierten viel Energie und pädagogisches Können in diesen Schultyp, was auch seitens des Bundesmi- nisteriums für Unterricht und Kunst nicht ohne Folgen blieb. Das Reformkonzept wurde im Schuljahr 1972/73 in Schulver- suchen erprobt und im Herbst 1981 ins Regelschulwesen übergeführt, wobei eini- ge wesentliche Merkmale zum Tragen ka- men: intensiver Kontakt zur Arbeits- und Berufswelt durch die Berufspraktischen Wochen und vermehrte Betriebsbesuche, Einführung von besonders berufsbezoge- nen Fächern wie Buchhaltung, Maschin- schreiben, Englisch usw., Wahlfachsy- stem nach Eignung und Neigung der Schüler, Leistungsgruppen in Deutsch und Mathematik, Förderunterricht. Schon 1987 erhielt der Polytechn. Lehr- gang mit dem Unterrichtsgegenstand In- formatik eine weitere Möglichkeit für eine lebenspraktische Vorbereitung auf den Beruf. Seit dem heurigen Schuljahr ist der Unterricht in EDV für alle Schüler ver- pflichtend. Der PL hat sich damit als spezielle »Schule fürs Leben« entwickelt, was aber von der Gesellschaft nicht registriert wird, sodaß viele Eltern dem Besuch des PL durch ihre Kinder skeptisch gegenüber stehen und versuchen, diesen PL durch ei- ne weiterführende Schule zu umgehen, was der Gesetzgeber mit dem Schulgesetz von 1962 ja großzügig ermöglicht hat. Der Anteil derjenigen, die den Besuch ei- ner weiterführenden Schule abbrechen, beträgt laut einer Studie von Ilan Knapp (Institut für Berufsforschung) 43,4 9o. Diese hohe »Drop-out-Quote« weist dar- auf hin, daß die »Beratung des berufli- chen Werdegangs« der Schüler haupt- sächlich auf eine »Schulbahnberatung« eingeengt und die Möglichkeit einer be- ruflichen Ausbildung über die Lehre wohl kaum erwähnt wird. Die Folgen dieser »Beratung« zeigt der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen in seiner Studie »Qualifikation 2000« (Wien-Juli 1989) auf: »Die Tendenz, den Polytechni- schen Lehrgang durch den Besuch der er- sten Klasse einer berufsbildenden mittle- ren oder höheren Schule zu übergehen, trägt dazu bei, daß Schüler, die bereits in eine Schule integriert sind, unter Umstän- den zögern werden, den Klassenverband zu verlassen und ihre Bildungslaufbahn ein zweites Mal neu im Rahmen der be- trieblichen Ausbildung zu beginnen. Um- gekehrt werden Schüler nach dem Poly- technischen Lehrgang kaum mehr weiter- führende Schulen besuchen. Diese Ten- denz bewirkt, daß der primäre Zubringer zur dualen Berufsausbildung an Bedeu- tung verliert.« Da es in den nächsten Jahren aus ver- schiedenen Gründen sicher zu keiner »Neuordnung« des österreichischen Schulsystems kommen wird, ist es völlig sinnlos, über die Abschaffung des derzei- tigen Polytechn. Lehrganges zu diskutie- ren und ihn in der Öffentlichkeit ständig zu diskriminieren. Wesentlich sinnvoller wäre es als »Soforthilfe« für den Lehr- lingsmangel, alles zu unternehmen, daß möglichst viele Schüler den Polytechn. Lehrgang besuchen. Alle Tiroler PL- Schüler — von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen — haben nach Abschluß dieses Schuljahres eine Lehre angetreten. Es ist daher völlig unverständlich, daß ausge- rechnet Vertreter der Wirtschaft diesen Schultyp abschaffen wollen. Diese Kriti- ker scheinen immer noch dieses Schuljahr an den Maßstäben der ersten Jahre zu messen und die inzwischen durchgeführ- ten wesentlichen Veränderungen nicht re- gistriert zu haben. Diese Kritiker scheinen wohl kaum jemals einen Polytechn. Lehr- gang von innen gesehen zu haben, woge- gen wir PL-Lehrer ständig Betriebe und Wirtschaftseinrichtungen besuchen. Diese Kritiker sollten daher endlich einmal ver- gessen, was früher war, und die Ursachen der derzeitigen Entwicklung auch in ihren eigenen Reihen suchen, denn es liegt wirk- lich nicht am Polytech. Lehrgang, daß die Lehrlingsausbildung in der Gesellschaft kein besonders gutes Image aufzuweisen hat und das duale Ausbildungssystem eher in einer schulischen Sackgasse endet. Das duale Ausbildungsziel ist zwar im Grundkonzept über unsere Grenzen hin- aus anerkannt, aber längst reformbedürf- tig. Der Beirat für Wirtschafts- und So- zialfragen meint in seiner Studie: »Wün- schenswert wäre, daß dem Grundprinzip des dualen Systems entsprechend zu- nächst ein realistisches Bildungs- und Be- rufsprofil für jeden Lehrberuf erarbeitet wird und dann die Zuweisung auf die bei- den Träger der dualen Ausbildung (Be- trieb — Berufsschule) erfolgt. Eine ra- schere Anpassung der Berufsbilder und der Berufsschulpläne aufgrund des tech- nischen Fortschrittes ist dabei ebenso wünschenswert wie eine bessere Abstim- mung zwischen dem, was der Betrieb laut Berufsbild und die Berufsschule laut Lehrplan zu leisten haben.« Es gilt also, möglichst rasch mit aner- kannten Methoden die tatsächlichen Ur- sachen dieser für unsere Gesellschaft be- denkliche Entwicklung zu erforschen und es nicht darin bewenden zu lassen, einen bestimmten Schultyp zum »Sündenbock« zu stempeln. V kei #44 HELFEN SIE BEHINDERTEN KINDERN Heimat Werden und Vergeh'n, tief verwirzelt in unsrem Tal, wenn auch mit weiten Ästen hinaus in die Welt, geboren und verstorben in langen Reihen, vom Gestern und Heute zum Morgen, dies alles sind Wir. Alles Geschehen, alles Erwachen, alles Vergehen rundum ist unser Leben, unser Sein. Die Wurzeln wi . e die Gräser, Blätter und Blüten, wie der Himmel drüber und die Wolken und die Wälder und Wiesen, Atmen und Lauschen allüberall, das ist unser, das sind Wir. Erfassen, Bewahren und Gestalten um uns, mit uns, i n uns ist vertraut. Und was war und wird ist beisammen. Jede Weite ist nah. Und wir hören die Glocken klingen auch in Stille und Nacht und haben Halt an der Erde, die uns trägt und umfaßt. Wir fühlen uns geborgen zeitlos und in Ruh' im Schoße der Heimat, wo aus dem Eh und dem Je das Heute ist wie das Morgen und Gestern und der Falter uns zuträgt, wie der Biene Summen und der Vögel Zwitschern viele Herzen ewigen Gruß. Dr. Glaser
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