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Von links: Der Vizepräsident der Landes-Landwirtschaftskammer Benedikt Wailnöfer, Bezirksbäuerin Luise Obermoser, die Wirtschaftsberaterin, Ökonomierat Anna He- chenberger, die erste Trägerin des Goldenen Ehrenzeichens der Bäuerinnenorganisa- tion Tirols und die Landesbäuerin, Landtagsabgeordnete Kathi Horngacher. Vizepräsi- dent Wailnöfer versicherte den Bäuerinnen, daß sie in Zukunft auch mit Sitz und Stim- me im Landesbauernrat vertreten sein werden. Seite 18 .VJtibühcler LAnzeigeir Samstag, 16. Dezember 1989 Die größte Kraft des Lebens ist der Dank Festvortrag von Prälat Dr. Johannes Neuhardt beim heurigen Bäuerinnentag im Hotel »Zur Tenne« in Kitzbühel »Die Dankbarkeit ist heute in gewissem Sinn eine vergessene Tugend. Danken hängt ja viel mit dem Denken zusammen und er- kennen; daß ich für etwas dankbar sein darf, dankbar sein soll. Wir sind ja heute alle in Gefahr, angesichts eines gewissen geregel- ten Lebens mit einem Wohlstand nicht mehr zu denken und dieses Gedankenlose läßt eben auch die Dankbarkeit vergessen. Wir alle leben so, als ob alles gemacht, herge- stellt, geplant und verrechnet werden könn- te. Als ob dem Menschen alles, was erpiant, gelingen müßte. Angesichts einer solchen Grundhaltung, die die technische Welt in ge- wisser Weise zwangsweise mit sich bringt, ist es fast unmöglich, dankbar zu sein. Diese ehemalige Grundtugend des Men- schen ist also in unserer heutigen Welt der Machbarkeit und der Berechenbarkeit der Dinge gefährlich weit zurückgetreten. Die ökologische Krise, die Bedrohung der Na- tur, der natürlichen Lebensquellen zeigt doch eine Grenze der Berechenbarkeit der Dinge an. Müssen wir nicht sorgfältiger, pflegsamer mit der Natur umgehen, wenn wir unsere natürlichen Lebensquellen noch für die kommende Generation erhalten wol- len? Überhaupt - müßten wir nicht dankbar sein, daß es immer noch die Jahreszeiten gibt, diesen ganz verläßlichen Schöpfungs- rhythmus, der überhaupt erst gemeinsam mit Pflanzen und Tieren unser Leben er- möglicht. Ich glaube also, auf dem Umweg durch eine große krisenhafte Erschütterung könnte der Mensch vielleicht wieder auf die Idee kommen, dankbarer zu werden. Ein großer Denker unserer Zeit hat das schöne Wort geprägt, ohne das milde Licht der Dankbarkeit wird es in unserer Welt dunkel und kalt. Aber an dieser Kälte leiden wirja alle. Unsere technisch verwaltete und bis ins letzte verplante Welt macht uns in einer massiven Weise mit dieser furchtbaren Wirklichkeit bekannt: Der Fortschritt hat sich nicht zum Segen des Menschen ausge- wirkt. Er ist zu einem Verhängnis gewor- den. Die Menschen haben vor der Technik Angst. Das Leben ist ihnen »über«. Alles ist ihnen zuviel. Es erzeugt ihnen einen ausge- sprochenen Lebensüberdruß. Die Staats- verdrossenheit der Jugend und die Lebens- angst der mittleren Generation sprechen hier eine ganz eindeutige Sprache. Zu diesem Ausgeliefertsein an die Tech- nik kommt aber noch eine zweite Schwierig- keit, heute Dank sagen zu können und das ist die Erfahrung unseres blutigen Jahrhun- derts. Kein anderes, so weit wir in der Ge- schichte der Menschheit zurückblicken ver- mögen, hat eine solche Blutschuld auf sich geladen, wie unser 20. Jahrhundert. Die furchtbaren Greuel der beiden Weltkriege, die Hungersnöte, die Vernichtung von Mil- lionen Unschuldiger, die jedes Jahr ermor- det werden und viele andere Phänomene, die den Menschen an einem gütigen Gott verzweifeln lassen, aber auch persönliche Erfahrungen, die dem Menschen immer wieder die Frage eingeben, ob man über- haupt für sein Dasein danken kann und es vielmehr verfluchen oder sich dagegen empören muß. Gegen den Hintergrund des Ubels betrachtet erscheint sogar die Dank- barkeit, die wir empfinden, daß wir selbst von solchen Greueln verschont werden, kleinlich, egoistisch und unangemessen. Denn was ist mit den anderen Ungezählten, muß der Dank nicht für alle gelten? Kann Prälat Dr. Johannes Neuhardt beeitere die Bäuerinnen. man denn angesichts dieser furchtbaren graueivollen Tatsachen noch Gottes Güte überhaupt in den Mund nehmen? Gott schuf die Welt und auch den Menschen aus freiem Willen, weil er es so wollte. Was seine Grün- de dafür sind und waren, ist und bleibt ein Geheimnis, vor dem wir nur schweiiger kön- nen. Und trotzdem müssen wir gemä3 sei- nem Willen alles nur mögliche tEn, um diese Welt zu einem besseren Ort für uni alle zu gestalten. Nachdem wir also einige der gängigsten Schwierigkeiten und Anwürfe, wie man heute so hören kann, gegen die Dankbarkeit uns bewußt zu machen versucht haben, wol- len wir nun auf unser eigentliche Thema kommen, die große Kraft der Dankbarkeit. Und da muß unsere erste Antwort heißen: Dankbarkeit gehört zum Menscher wie das Atmen und das Sprechen. Eine Mutter, die ihr Kind anleitet zu danken, bringt ihm nicht nur einen Anstand bei, sondern sie macht ihm Grundwerte menschlichen LeDens zu- gänglich. Denn Dankbarkeit oder Undank- barkeit sind eben keine bloß sozialen, wirt- schaftlichen, sondern letztlich menschlich lebenserhaltende Dinge. Wenn jemand aus Wohlwollen und Freiheit ein Geschenk gibt, verdient dies, daß man darauf mit Dankbar- keit antwortet. Der Dankbare schenkt in der Dankbarkeit auch etwas. Er versucht daher nicht nur strikt ein Mensch der Pflicht zu sein. In der Dankbarkeit liegt ein Moment der Erwiderung des Wohlwollens unc cer Wohltat, ja ein Moment der Erwiderung cer Liebe, das in jedem echten GeschenlK ent- halten ist. Das Leben wäre arm, wenn alles, was zwischen uns Menschen bestünde, nur die Erfüllung von Pflichten wäre. De- Sinn des Dankes aber natürlich lieg: letztlich in der Frage, ob unser Leben eben überhaupt grundsätzlich ein Gegenstand der Dankbar- keit sein kann. Was vorausselzt. daß das Sein und unser Leben etwas Gutes inc_ od er, ob wir angesichts all der Greuel dieser Welt eigentlich gegen den Urheber unseres Da- Seins protestieren und rebellieren sollten, anstatt ihm dankbar zu sein. Das zweite, was wir bei der Kraf: der Dankbarkeit bedenken wollen, ist, daß nur der Mensch wirklich leben kann, cer es ver- spürl, daß sein Leben, daß er selbst, eine
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