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Samstag, 23. Dezember 1989 Xjfzbühcjer Anzeiger Seite 27 Krtickenskigerät so lange, bis der er- wünschte Erfolg sich halbwegs einstellte. Dann wagten sie einen Ausflug auf den Hahnenkamm und bezwangen gleich vier- mal die Streif. Sie erregten natürlich Auf- sehen - waren sie doch die ersten Krückenskiläufer in Osterreich - es wur- den Aufnahmen gemacht und durch Zu- fall bekam General Ringel die Bilder in die Hand, was den Vorteil mit sich brach- te, daß sie erneut mit Genesungsurlaub und Skimaterial unterstützt wurden. Sie trainierten im Sommer 1944 mit dem Krückengehen (die Krückenskier konnten durch eine Spezialvorrichtung ausgewech- selt werden) und befanden sich unterwegs in Richtung Großvenediger. Auf der Kür- singerhütte starrten die dort anwesenden Gäste - sahen sie als Geister an - und trafen durch Zufall den Präsidenten des damaligen Alpenvereines Dr. Hacki. Am Morgen des 8. August 1944 bra- chen sie auf und bezwangen den Großve- nediger über den Westgrat. Dr. Hackl und die Leute von der Kürsingerhütte hat- ten den Aufstieg bis zum Gipfel mit dem Fernrohr verfolgt und als sie in der Abenddämmerung zur Hütte zurückka- men, wurde entsprechend gefeiert. Zwei Tage später lasen sie in der Zeitung »Zwei Amputierte auf 3660 m Höhe« mit ver- schiedenen Fotos. Im Winter 1944/45 erhielten sie einen Genesungsurlaub am Arlberg und dort wurden auch Aufnahmen für die deutsche Wochenschau gemacht, sodaß immer mehr Oberschenkelamputierte - durch dieses Beispiel angeregt - ebenfalls be- gonnen haben mit dem Krückenskilauf. Kennzeichnend für diese Phase aber war, daß kaum ein persönlicher Kontakt unter- einander gegeben war und fast alle muß- ten erst durch eigene Versuche herausfin- den, wie das Gerät mit den Krückenskiern am besten funktioniert. Mit Recht kann also behauptet werden, daß mit Franz Wendl aus Berchtesgaden und mit Herbert Zimmermann und Karl Winter aus Salzburg die Basis für die Wei- terentwicklung des Krückenskilaufes in Osterreich gelegt wurde und durch ihr Beispiel sich Nachahmer überall in den Bundesländern, aber auch in Bayern ge- funden haben. zu leisten und diese Veranstaltung bedeu- tete bestimmt einen maßgeblichen Schritt für die Weiterentwicklung. Es gebührt Herrn Herbert Matz auch volle Anerken- nung für seine geleistete Aufbauphase der Krückenskiläufer innerhalb des ÖSV. Wie war die Entwicklung bei den anderen Versehrten? Im Prinzip ähnlich, nur rein vom Äu- ßerlichen nicht so spektakulär, weil man bei oberflächlicher Betrachtung nicht wahrnehmen konnte, daß sich unter der Skihose ein Holzbein befand. Rudi Scholz aus Innsbruck, einer der bekanntesten und populärsten Unter- schenkelprothesenskiläufer und jahrzehn- telanger Funktionär im Tiroler Versehr- tenreferat, berichtete mir in seinem Erleb- nisbericht, wie er nach seiner Verwun- dung am 24. Mai 1943 am 1. Jänner 1944 den Versuch in der Umgebung von Igis wagte. Am Anfang kein Gefühl im Pro- t'iesenfuß, der Stumpf begann zu schmer- zen und das Erfolgserlebnis blieb zu- nächst aus. Doch Rudi ließ sich nicht un- terkriegen und nach tagelangem Training war es soweit, daß er in der Lage war, ei- nigermaßen sicher vom Patscherkofel herunterzukommen. Die Freude war rie- sengroß und aus Übermut ließ er einen Jodler von sich, der in ganz Igls hörbar gewesen sein mußte. Im März 1944 kam Rudi Scholz nach St. Anton a.A. in das Teillazarett und hatte damit Gelegenheit, die Skifreuden dort zu erleben. Auch für ihn bedeutete der Skilauf die Gewinnung des Selbstvertrauens, das Glücksgefühl und die Fähigkeit, dadurch auch andere Probleme des Lebens leichter bewältigen zu können. In den anderen Gruppen (außer den Blindenversehrtenskiläufern, über die ich noch getrennt ganz kurz später berichten werde) war der Erfolg insofern schneller zu erreichen, da die meisen Armversehr- ten schon vor ihrer Verwundung ausge- zeichnete Skiläufer waren und daher mit ihren unverletzten unteren Extremitäten verhältnismäßig schnell ein gutes Fahr- können erreichten, Bei den Kniegelenksversteiften war vor allem der Versteifungsgrad entscheidend und je größer die Versteifung im Kniege- lenk war, umso schwieriger, ja zum Teil unmöglich ist ein steiler Hang in der Schrägfahrt zu bewältigen, wenn das ver- steifte Knie bergwärts gerichtet ist. Daher ist die Zahl der kniegeienksversteiften Skifahrer relativ gering. Die Entwicklung des Skilaufes der Blin- den in alpiner Hinsicht nahm in den An- fängen eine völlig andere Phase und setzte erst nach dem zweiten Weltkrieg ein, und zwar durch den vollblinden Wiener Willi Hohm, den Begründer des Blindenskilau- fes in Osterreich. Die ersten Versuche ge- hen auf den Winter 1946/47 zurück und waren auf einige wenige Kameraden be- schränkt, wobei sich die Verbindung nach einiger Zeit wieder auflöste. Aus persönli- chen Erzählungen von Willi und häufi- gem Briefwechsel mit mir geht hervor, daß erst im Winter 1971/72 durch die in- zwischen eigens gegründete Sektion Blin- denskilauf im österreichischen Versehr- tensportverband eine Organisation gefun- den wurde mit gleichzeitiger finanzieller Unterstützung. Es fanden jährlich Kurse mit tatkräftiger Unterstützung des öster- reichischen Bundesheeres statt und später wurden sogar eigene sportliche Wett- kämpfe für Blinde durchgeführt. Nur durch die unglaubliche Initiative und gro- ße Organisationsfähigkeit von Willi Hohm konnte der Skilauf für Blinde Realität werden. Die gesamte Entwick- lung ging nicht über das Versehrtenreferat des OSV, sondern seit den 70er Jahren über den österreichischen Versehrten- sportverband. Erst Mitte der 80er Jahre gab es dann eine engere Zusammenarbeit zum OSV Versehrtenreferat und von die- sem Zeitpunkt an gemeinsame Veranstal- tungen. Willi Hohm hat auf diesem Ge- biet unendlich viel geleistet und zählt zu den ganz großen Pionieren des Versehr- tenskilaufes. Fortsetzung 1947 war es der oberschenkelamputier- te Wiener Herbert Matz, der im OSV mit Genehmigung des Hauptvorstandes ein eigenes Referat für Krückenskiläufer er- richtete, um deren Interessen besser ver- treten zu können. Er ist der erste Funktio- när im OSV nach dem Kriege und er orga- nisierte auch den ersten Lehrgang für Krückenskiläufer im Februar 1948 auf der Fluhbachaim am Radstätter Tauern mit 17 Teilnehmern aus fast allen Bundeslän- dern. Im Anschluß daran wurde im Rah men der österreichischen Skimeisterschaft in der Zeit vom 17--22. Feber 1948 in Badgastein auch ein eigener Torlauf mit diesen 17 Krückenskiläufern veranstaltet. Damit wurde durch Zeitungsberichte und Filmaufnahmen der Öffentlichkeit ge- zeigt, was Krückenskiläufer imstande sind SWi) (46 2VkcWi-7 e C AvcLL J t 40 JAHRE SOS-KINDERDÖRFER IN ALLER WELT
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