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Seite 44 kJfzbübcler eLAnzeiger Samstag, 23. Dezember 1989 Zum 80. Todestag von Christian Reithmann dem größten Erfmdergenie des Pillertales II. Teil Der Viertaktmotor Von Professor Dr. Rudolf Granichstädten-Czerva, Innsbruck-Kitzbühel, in der »Allgemeinen Automobilzeitung 1934« Reithmanns hervorragende Leistung war aber die Erfindung des Viertaktmotors, der ihm in dem goldenen Buche der Tiroler Er- finder für immerwährende Zeiten einen Eh- renplatz sichert. Der bayerische Hauskalen- der 1933 schreibt darüber: Schon im Jahre 1852 machte Reithmann Versuche über die Wirkungen eines Gemischs von Luft mit Wasserstoff (Knallgas) und entzündete es elektrisch, um durch die Explosionswir- kung für einen Motor eine Bewegungs- und Kraftquelle zu schaffen, die nicht, wie die Dampfmaschine, einer Heizung bedarf, sondern jeden Augenblick betriebsfähig ist. Die Anregung zu dieser Erfindung erhielt er durch seine Arbeitsmaschine, die er zur An- fertigung neuer Regulatoren erbaute und die er auch für die Erste Münchner Industrie- ausstellung und Gewerbeausstellung, wel- che 1854 im Glaspalast stattfand, herstellte. Für seine Teilnahme an dieser Ausstellung wurde er mit einem Ehrendiplom ausge- zeichnet. Reithmann hörte Vorträge auf der Hoch- schule in München über Physik, Chemie und Mechanik. Auf Grund dieser Vorträge versuchte er mittels einer elektromagneti- schen Kraftmaschine zum Ziele zu kom- men, doch erschienen die Betriebskosten der galvanischen Batterie zu hoch. Nach Er- bauung der Münchner Gasfabrik benützt er das bis dahin nicht erhältliche Leuchtgas. Nun baute er für den Betrieb dieser Maschi- ne einen elektromagnetischen Motor, den er mit Bunsenelementen betrieb. Das Problem der Gaskraftmaschine stand vor ihm. Im Jahre 1858 waren Reithmanns Arbei- ten so weit gediehen, daß er einen kleinen Zweitaktversuchsmotor entwickelt hatte. Da kam eines Tages ein Ingenieur zu ihm, der vorgab, in Paris einen finanzkräftigen Interessenten zu kennen, der sich für diese Sache ernsthaft interessiere. Reithmann, der einfache Landmann aus dem Pillersee- tal, erklärte dem Ingenieur seine Maschine offen und rückhaltslos. Den Ingenieur sah er nie mehr! Aber im Jahr 1861 erschien in Paris Jo- hann Josef Lenoir - geboren am 12. Jänner 1822 in Luxemburg, gestorben am 7. August 1900 in La Varenne, Frankreich - mit der ersten Gaskraftmaschine des Zweitaktes, ganz genau nach Reithmanns Erfindung! Seither prangt in allen technischen Werken und Konservationsiexikons Lenoirs Name als Erfinder der ersten Gaskraftmaschine. Anfangs der sechziger Jahre baute Reith- mann einen noch größeren Motor, woraus in fortwährender verbessernder Arbeit der Viertaktmotor hervorging. Nachdem Reithmann zuerst die Idee der Zweikolbenmaschine mit stoßmilderndem Luftkissen durchgeführt hatte, kam er im Jahre 1872 auf die glückliche Idee, an Stelle des Luftkissens gleich das Explosionsge- misch zu komprimieren, und zwar mit nur einem Kolben, wie beim Zweitaktmotor. Hiemit war schon der Viertakt gegeben. Erster Takt: Ansaugen, zweiter Takt: Komprimieren, dritter Takt: Explosion, vierter Takt: Auspuff. Im Jahre 1873 war die Umwandlung seiner Zweikolbenmaschine in den Viertaktmotor vollzogen. Der Patentkampf. Die umstrittene Frage: »Wer ist der Erfin- der des Viertaktmotors«, Nikolaus Otto, ge- boren am 10. Juni 1832 in Holzhausen, Nas- sau, gestorben am 26. Jänner 1891 in Köln— oder Reithmann, ist zugunsten Reithmanns entschieden worden, denn Otto erschien mit seinem Viertaktmotor erst im Jahre 1877 in der Öffentlichkeit. Das Gericht hatte ge- sprochen! So wie Josef Madersperger aus Kufstein 1814 die erste Nähmaschine, Peter Mitter- hofer aus Partschins 1866 die erste Schreib- maschine und Johann Kravogl aus Lana 1867 den ersten Elektromotor erfand, so gilt Christian Reithmann als unbestreitbarer Erfinder des ersten Viertaktmotors, der, als Grundlage der ganzen Automobil Industrie, von dem Wiener Siegfried Markus in einen Benzinmotor umgewandelt und für die Kon- struktion des ersten Automobils verwendet wurde. Das Deutsche Museum in München be- sitzt eine genaue Nachbildung des ersten Reithmannschen Viertaktmotors nebst sei- nen Modellen für elektrische und pneumati- sche Uhren. Anläßlich der Grundsteinle- gung des Museums (1906) erhielt Reithmann das Verdienstkreuz des Christian Reithmann 1818-1909. Am Rock das Verdienstkreuz des Michaelordens. königlich-bayrischen Michaelordens. Am 11. September 1905 wurde Reithmann - auf Anregung seines Freundes Pater Adjut Troger O.EM. (geboren zu Rettenwand in Fieberbrunn) - an seinem Geburtshaus in St. Jakob in Haus eine Gedenktafel errich- tet mit der Inschrift: »Geburtshaus von Christian Reithmann, königlich-bayrischer Hofuhrmacher in München, geboren am 9. Februar 1818«. Bei der Renovierung des Hauses ging aber diese Tafel leider in Brü- che und so wurde ihm 1908 eine zweite Ge- denktafel gesetzt mit der Inschrift: »Ge- burtshaus des Erfinders der Gasmotoren, Herr Christian Reithmann, königlich- bayrischer Hofuhrmacher, München. Noch im hohen Alter, 90jährig, aber noch im Silberhaar des Sechzigers, schuf Reith- mann an seinen Erfindungen, konstruierte einen neuartigen Glockenspielmechanis- mus und arbeitete wie ein junger Mann von früh bis abends in seiner geliebten Werk- statt. Er war ein Mann von seltenem Genie, überreich an Ideen und gesegnet mit einer echt tirolerischen Bescheidenheit, die ihn nie in die Öffentlichkeit treten ließ. Am 30. Juni 1909 starb Reithmann in München in seinem Haus, Hofstatt 8. Sein am 8. November 1853 in München gebore- ner Sohn Christian Reithmann jun. tratt in die Fußstapfen des brühmten Vaters und wurde selbst berühmt durch die Schöpfung der bekannten astronomischen Uhr des Deutschen Museums. Sein Geburtshaus zu Moosbach in St. Ja- kob in Haus, das unterdessen verschiedent- lich den Besitzer wechselte, besuchte er öf- ters. 1903 kaufte das Haus der Bahnzim- merer Franz Brüggl. Dieser hatte noch eini- ge Male Gelegenheit, sich mit Reithmann zu unterhalten. Wenn heute der österreichische Automo- bilist an dem einsam gelegenen Geburts- haus Reithmanns vorbeifährt, dann möge er daran denken, daß dort jener geniale Mann geboren wurde, der durch seine Erfindung des Viertaktmotors den ganzen modernen Verkehr ermöglichte. In den dreißiger Jahren stand, wie uns Herr Obermedizinalrat Dr. Erhart, jetzt Salzburg, freundlicherweise mitteilte, an der Straße nach St. Jakob noch eine Wegta- fel, die folgende Aufschrift trug: »Motorwanderer, halte hier still und ziehe den Hut! Dem der hier oben geboren wurde, verdankst du Dein Motor-Hab und Gut! Christian Reithmann, Erfinder des Gasmo- tors, kgl. bayrischer Hofuhrmacher in Mün- chen, geb. am 9. 2. 1818 - gestorben am 30. Juni 1909«. Diese Wegtafel ist verschwunden! Viel- leicht ist gerade dieser Umstand ein Anreiz, für Christian Reithman ein Denkmal zu schaffen, wie es die Stadt Kufstein für den Erfinder der Nähmaschine Josef Maders- perger geschaffen hat. Diese schöne Aufga- be dürfte man nicht nur der kleinen Gemein- de St. Jakob aufbürden, sondern es müßte daran das ganze Pillerseegebiet - ja der ganze Bezirk Kitzbühel zur Mitwirkung eingeladen werden.« (Soweit Dr. Granich- städten-Czerva). Der Streit um die Priorität (Schlußbe- richt in unserer nächsten Ausgabe).
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