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Seite 14 ijtbheIer eLAnzeiger Samstag, 30. Dezember 1989 Fortsetzung aus letzter Ausgabe: Das eigene Schicksal galt es zu überwinden Und nun erlaube ich mir, mein eigenes Schicksal nach meiner Verwundung zu schildern und aufzuzeigen, wie mein Le- bensweg sich von diesem Zeitpunkt an ge- staltete bzw. wie er den Versehrtenskilauf mit beeinflußte. Ich wurde am 12. April 1942 an der Lizzer Front durch Handgra- natenverletzung verwundet und verlor beide Unterschenkel im mittleren Drittel. Mein seelischer Zustand war am Anfang entsprechend. Nach 1 Jahr Aufenthalt in den verschiedenen Lazaretten - wie Nor- wegen und Deutschland - und ab 42 in Innsbruck und nach verschiedenen Ope- rationen und Nachamputationen bekam ich 1943 die ersten behelfsmäßigen Pro- thesen und versuchte nach vielen An- fangsschwierigkeiten, mir eine gewisse Si- cherheit im Gehen, zuerst mit Krücken, dann mit 2 Stöcken und später ohne Stock, zu erreichen. Plötzlich beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, im kommen- den Winter einen Skiversuch zu wagen, ohne daß ich rein vernunftmäßig in der Lage war zu sagen, wie das dann in der Praxis ausschauen würde. Auch die ärztli- che Beratung im Lazarett half mir nicht so richtig weiter, denn vom medizinischen Standpunkt stand in erster Linie die Sorge einer eventuellen neuen anderen Verlet- zung im Vordergrund. Ich erhielt ab Weihnachten einen länge- ren Genesungsurlaub und durfte nach Kitzbühel nach Hause fahren, und dann kam der Tag, wo ich einen ersten Skiver- such auf der Übungswiese wagte. Ich be- kam von Willi Kruetschnigg die Skiausrü- stung und dann kam der spannende Au- genblick mit vielen offenen Fragen. Lei- der gab es eine Riesenenttäuschung, bei jeder angesetzten Richtungsänderung kam ich zu Sturz und allein das Aufstehen machte mir ganz große Schwierigkeiten. Zu Beginn der Fahrt kam ich in Rücklage, verlor die Herrschaft über meine Skier und der Sturz war unvermeidlich. So überlegte ich mir - total erschöpft zu Hause angekommen - was man denn machen könnte, um in eine ständige Vor- lage während der Fahrt zu kommen. So kam ich auf die Idee, auf die Skier Holz- keile zu montieren, um eine konstante Knievorlage zu ermöglichen. Und mit die- ser Ausführung startete ich einen neuen Versuch, der plötzlich kleine Erfolgser- lebnisse zeigte. Ich war fast täglich unter- wegs, ich änderte auch die Höhe der Keil- absätze, übte sehr sehr hart, da sich ja am Anfang immer wieder Stumpfschmerzen einstellten, aber der Bann war gebrochen und nach Wochen wagte ich die erste Ab- fahrt vom Hahnenkamm. Ich bin fürch- terlich oft gestürzt und kam vollkommen ausgelaugt zu Hause an. Nach einer ge- wissen Erholungsphase von einigen Stun- den regte sich erneut der Wunsch, näch- sten Tag wieder auf den Hahnenkamm hinauf. Und so vergingen Wochen und das Fahrkönnen wurde immer besser, bis ich eines Tages sturzfrei die Streif bewälti- gen konnte. Ich kann niemandem sagen, wie sehr mein Glücksgefühl gesteigert wurde und wie sehr ich innerliche Kraft und Zufriedenheit verspürte. Wenn auch der erste Winter so manchen Bruch der Prothesen mit sich gebracht hat, weil die- se für solche Beanspruchungen nicht ge- baut worden sind, so wußte ich, daß der Anfang gemacht war. Nachdem sich die Nachricht über meinem erfolgreichen Ski- versuch auch herumgesprochen hatte, er- schien eines Tages der Reporter Egon Schleinitz und brachte einen Artikel mit Bildern in die verschiedensten Zeitungen und Illustrierten mit dem Titel »Der Sepp fährt wieder Ski«. Damit wurde bestimmt auch ein Anstoß gegeben zur Nachah- mung für andere Versehrte. Es kam der nächste Winter 1944/45, die Gelegenheit infolge der Kriegsereignis- se wurde wesentlich schwieriger. Im Mai 1945 war der Krieg zu Ende und damit der Beginn einer vollkommen neuen Situa- tion. Im Herbst 1945 las ich in der Tiroler Tageszeitung, daß in Innsbruck in der Bundesanstalt für Leibeserziehung eine 4semestrige Ski- und Sportlehrerausbil- dung errichtet wird. Und nun reifte in mir der innerliche Wunsch und die Sehn- sucht, trotz meines Handicaps diese Aus- bildung mitzumachen, obwohl ich rein vernunftsmäßig wußte, daß ich kaum Chancen besaß, aufgenommen zu wer- den. Ich hatte das Riesenglück, eine vor- Sepp Zwicknagl. äufige Ausbildung mitmachen zu können und mußte nur später an das Bundesmini- sterium für Unterricht ein Gesuch für Ausnahmegenehmigung einreichen, um zu den Abschlußprüfungen antreten zu können. Ich bin zwei Personen zu ganz großem Dank verpflichtet, einmal dem Leiter der Bundesartalt für Leibeserzie- hung Professor Sch:r und zum anderen dem Leiter der staa:lichen Skilehreraus- bildung Professor Kruckenhauser. Beide legten meinem Ansuchen eine persönliche Befürwortung für cas Ministerium bei und ich wurde in die Lage versetzt, nach der 4semestrigen Ausbildung an den Ab- schlußprüfungen teilnehmen zu können, und sie erfolgrei:h zu bestehen. Damit wurde ich befähigt, zukünftig an der Ar- beit des Versehrtenskilaufes tätig zu sein End gewisse Initiativen zu ergreifen sowie ii der Skischule Kitzoühel als staatlich ge- prüfter Skilehrer zu wirken. Wie hat sich der Versehrtenskilauf nach dem Krieg weiterentwickelt? In den Zeitungen konn:e man immer wieder lesen, daß bei normalen Skirennen Unversehrter auch Schwerkriegsbeschä- digte unter denselben Bedingungen - wie Länge und Schwierigkeit der Strecke - teilgenommen haben. Darin sah ich ein gewisses Problem, weil erstens die Gefahr e: ner Überbeanspruchung zweifellos gege- ben war und zweitens die Versehrten in nur einer einzigen Klasse gewertet wurden - unabhängig von ihrer Verletzungsart. So stellte ich im Herbst 1947 anläßlich der Generalversammlung des Tiroler Ski- verbandes den Antrag auf Errichtung ei- nes eigenen Versehrteireerates. Ich wur- de von der Vollversammlung mit der Lei- tLng dieses Referates, gemeinsam mit Dr. Oberhammer als me Jizinischer Experte, beauftragt und versuchte nun verschiede- ne Aktivitäten zu setzen, wie Erfassung Versehrten-Skilauf in Österreich und seine Entwicklung innerhalb des öe SV bis 1953 von Sepp Zwicknagl 1990 veranstaltet der Ski-Club kitzböihel das »50ste« Jubiläum - Hahnenkammren- nen. Dieses wird vom KSC zum Anlaß genommen, mit Kitzbüheler Vereinen eine Wo- che lang im Rahmen dieser einmaligen Veranstaltung, sowohl in sportlicher, gesell- schaftlicher als auch kultureller Hinsicht durchzuführen. Unter anderem gibt es auch einen sogenannten Nostalgie-Tag, an dem in Form von Vorführungen gezeigt werden soll, wie sich der Skilauf hinsichtlich seiner Technik und Ausrüstung in den vergange- nen Jahrzehnten entwickelt hat. So hat sich auch der Versehrten-Skilauf, der ebenfalls auf eine 47jährige Vergangen- heit zurückblicken kann, formiert und anläßlich dieser Großveranstaltung des KSC wird vor dem Abfahrtslauf des Hahnenkammrennens eine Demonstrationsvorführung von Versehrtenskiläufern verschiedenster Verletzungsgrade stattfinden, die durch die großzugige Hilfe des KSC und durch eine Sponsortätigkeit der Raiffeisenbank Kitzbü- hei ermöglicht wird.
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