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Der Tauertihol'iia,--ii einein Gemäide von 4Ilonx Wohle als Wetterstation am Kitbüheler Horn N•EU•E H•OR.N.B•A•H•N Die älteste Wetter-Beobachtungsstation in den Alpen Die älteste Wetter-Beobach- tungsstation der Alpen stand am Kitzbüheler Horn. Es war der Tauernhof am Wilden Hag, von dem aus man die Menschen im 16. Jahrhundert vor Un- wettern mit Sturm und Hagel- schlag warnte. Das größte Vertrauen in Be- schwörung und Vertreibung der Gewitter setzte das gläubige Volk in den Alpenländern lange Zeit in die Gewalt der Glocken. Ihr Klang verscheucht sie und es ist daher die erste Pflicht des Mes- ners, rechtzeitig, d.h. vor dem völligen Ausbruch eines Wetters, in den Turm zu eilen und nach Kräften zu läuten. In ganz besonderer Weise ausgebildet hat sich die ländliche Wetterfürsorge im Gebiete der Bergstadt Kitzbühel. Wir stoßen hier auf eine Einrichtung, die als die älteste Wetterstation der Alpen, ja von ganz Europa, be- zeichnet werden darf. Sie ist zu Ausgang des 16. Jahrhunderts be- reits nachweisbar - und mit ge- ringer Unterbrechnung während der josephinischen und bayeri- schen Zeit Tirols über dreihun- dert Jahre bis etwa 1815 lücken- los in Gang geblieben. Einen wis- senschaftlichen Charakter besitzt sie eigentlich nicht, denn am Tage ihrer Gründung war weder das Thermometer noch das Barome- ter erfunden und die wechselnde Windrichtung zeigte auch nie- mand anderer an als der Hahn auf dem Kirchturm. Aber eine richti- ge und verläßliche und die erste Wetterbeobachtungsstation war es doch! Der Ausblick von der Stadt auf die Schönheiten der Hochge- birgswelt ist verhüllt. So ver- schließt der Schattberg bzw. der Lebenberg den Ausblick auf das Brixental; der Wilde Hag den Ausblick auf den schönsten Aussichtsberg, das Horn. Daher kann auch - um auf unsere Wet- terstation zu kommen - ein im Inntal aufgestiegenes Gewitter durch das ganze Brixental ent- langschleichen oder über das Sölland sich vorschieben, ohne das der pflichteifrigste Mesner das drohende Unheil gewahr wird und rechtzeitig das Glocken- schwengel in Bewegung bringt. Das Unwetter mit Sturm und Hagelschlag kann da sein, ehe man sich's versieht. Diese oder ähnliche Erwägung, wahrscheinlich in Verbindung mit Elementarschäden, die in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahr- hunderts Kitzbüheler Gotteshäu- ser selbst bedrängtn - so zerstör- te der Wind in den Jahren 1571 und 1573 das Pfarrsturmdach vollständig - mögen es den Ver- waltern des Kirchenvermögens nahegelegt haben, den Hochwet- tern ihr ganz besonderes Augen- merk zuzuwenden und Stadt und Umgebung von ihren schlimmen Einflüssen gläubigen Sinnes zu bewahren. Kirchpröpste zahlten für die Vorhersage So finden wir denn in der Rech- nung der beiden Kirchpröpste Hans Resch und Hans Pergleut- ner über ihre Auslagen in Ver- waltung der St. Andreas-. und der Lieb-Frauen-Kirche vorn Jahre 1594 neben anderen auch fol- gende Post: "Dem Ainnzinger zu Taurn verehrt von wegen des Hochwetters 15 kr." Und zwei Jahre später, 1596, noch genauer und aufklärender: "Dem Ainnzinger zu Taurn, daß er auf die Hochwetter Ach- tung gebe, bezahlt 18 kr." Damit ist deutlich bezeugt, daß man in Kitzbühel jedenfalls seit 1594, wenn nicht schon früher, aus öffentlichen Mitteln einen Mann besoldete, der, oDwohl weder Mesner noch Kirchendiener, die Verpflichtung eingegangen hat- te, die aufsteigenden Hochgewit- ter zu registrieren. Es ist daher unzweifelshaft: Der Bauernhof Tauern war Wetterbeobach- tungspn;ten, eine meteorologi- sche Station in den Alpen und der Herr Ainnzinger der erste bezahlte Wetterbeobachter oder Me:erologe Tirols. Gut dotieri war der Posten freilich nicht, Jenn für 15 bzw. 18 Kreu- zer Gehalt erhielt man in Kitzbü- hel zu c.ieser Zeit nur ein paar Patzeijen Wein, etliche Pfund Schmalz oder eine junge Ziege. Der Hof Tauern erscheint als Zinslehen der St. Andreas-Kir- che. "lauern dient zu den Toten- kerzen", sagt das Urbar von 1528. Er lag au dem äußersten Vor- sprung des "Wilden Hag". Er besteht nicht mehr. Am Schutz- engels:rn:ag 1907 wurde er vom Blitz getroffen und sank als HolzbIo.kbau in Asche. Er h tte. nach dem Bericht von Nachbarleuten, an der Vorder- seite :inc Galerie mit einem Holzverschlag zum Schutze gegen cen ungestümen Wind. Seine Lage war für eine meteo- rologisce Station ganz ausge- zeichnet. Der Hügel mit der St. Andreaskirche sozusagen schräg vor der Nase am jenseitigen Bachufer, der Fernblick auf die Tauernwelt, die ihm den Namen geschöpft scheint unbegrenzt und ebenso der Blick in die Tal- weiter links, von der Salve bis zu den blauen Bergen des Unterinn- tales, rechts über das Sölland zu den schroffen Zacken und Zin- ken des Kaisergebirges. Das Signal eines der Gegend drohlichen Sturmes war ein optisches. Der Mesner der Pfarr- kirche von St. Andrä mochte sich nach dem Wettertuch richten! 1783 hat bekanntlich Kaiser Joseph II. das Läuten bei einem Gewitter verboten. Aber nach dem Heimgang des erlauchten Kaisers 1790 lebte die alte Übung wieder fröhlich auf. Es scheint, daß erst unter der er.ergischen Bayerischen Regierur.g von Ti- rol das Observatorium am Wil- den Hag, beiläufig 1.14, gänz- lich einging. Die Kitzbüheler Wetterstation kann selbstverständlich mit den modernen Schwester-Schöpfun- gen auf dem Sonnblick und der Zugspitze nicht verglichen wer- den. Sie war ein Samenkorn auf unzubereitetem Boden, das im letzten Grunde bloß im Aber- glauben der Menschheit seine Wurzeln schlug. Nach ihrer Bestimmung, Hilfe zu bringen in der Not, hat sie Ähnlichkeit mit den maritimen Wetter-Signal- Stationen an den Küsten Hol- lands, Deutschlands und Frank- reichs. Diese erfüllten den Zweck, vorüberfahren:le Schiffe vor bedrohlichen Stürmen zu warnen. Die Verstäncigung er- folgte durch eine viereckig ge- spannte Flagge, gleich Jem Lein- tuch von Tauern am Kitzbüheler Horn. Die erste Weterstation dieser Art wurde 1863 in Ham- burg aufgerichtet, genau 269 Jahre nach unserer We:terstation auf Tauern. Wie sagt er doch, der alte Rabbi Ben Akiba: "Alles schon dagewesen!" (Ans: C. Par- deller, OAV-Zeitschrift 1921).
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