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Wirkte viele Jahre als Kurseelsorger in Kitzbühel: Ernst Heß Superintendent Mag. Ernst August Heß Aus der Grundstein- legungsurkunde Das evangelische-Lutherische Glaubensleben in Kitzbühel reicht bis in die frühe Reforma- tionszeit zurück, erlebte um das Jahr 1570 seine Blütezeit unter allen Ständen der Stadt, wurde aber gegen Ende des 16. Jahr- hunderts im Zuge der Gegenre- formation wieder zurückge- drängt. Erst seit dem Jahre 1909 hiel- ten Geistliche aus Innsbruck wieder Gottesdienst in Kitzbü- hel. 1927 wurde daselbst eine Predigtstation errichtet. Die Zahl der Evangelischen in Kitzbühel beträgt zur Zeit 450, zu denen noch weitere 150 Gemeindemit- glieder der näheren Umgebung hinzukommen. Der weltbekann- te Sommerkurort und Winter- sportplatz Kitzbühel beherbergt jedoch zu den Saisonzeiten Tau- sende von Gästen, deren größe- rer Teil evangelischen Bekennt- nisses ist. Der mithin langgeheg- te Wunsch nach Schaffung einer würdigen Gottesdienststätte in Kitzbühel wurde aber erst erfüll- bar, als 1957 Pfarrer Johann Stürzer die in der gesamten Gemeinde mit Freude und Dank aufgenommene Mitteilung ma- chen konnte von der hochherzi- gen Schenkung des einzigarti- gen Baugrundes durch unser Ge- meindeglied Frau Luise Jung- reithmayer. Die seit langem treu gesammelten und geleisteten Op- fer der Gemeinde betragen bis jetzt rund 140.000,- 5 zusammen mit Spenden mancher Freunde aus Deutschland, Holland, Eng- land und anderen europäischen Ländern. Vor allem aber die hin- zugekommenen brüderlichen Gaben des Lutherischen Lan- deskirchenamtes in München, des Gustav-Adolf Werkes in Ost- friesland und der Evangelischen Kirche in Osterrreich, insgesamt 66.000,- 5, ergaben einen Barbe- stand von 206.000,- S, ermög- lichten nun den Beginn des auf rund 950.000,- S veranschlagten Baues. Die Kirche wird nach den Plä- nen des bekannten österreichi- schen Architekten Baurat Pro- fessor Dr. Dr. h.c. Clemens Holz- meister errichtet. Wenn wir heute in Kitzbühel in dankbarer Freude den Grund- stein zu unserer Christuskirche legen, tun wir dies mit dem Worte des Psalmisten: "Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein. 0 Herr hilf, o Herr, laß wohl gelingen!" (Psalm 118, 26.27). Ernst A. Heß wurde am 31. August 1918 in Gmunden als Sohn des Hofkonzertmeisters Emil Heß geboren, seine Mutter Martha war die Tochter des Superintendenten D. J. Friedrich Koch. Nach der Matura am Real- gymnasium leistete Heß von 1938 bis zu seiner Gefangennah- me Wehrdienst. Er erlitt eine schwere Verwundung. Auf Elba verteidigte er mit einer Flakbat- terie einen Tag länger als alle anderen den Stützpunkt, nach dem letzten Schuß führte er 122 Mann unverwundet in die retten- de Gefangenschaft. Heß erhielt für seine Leistung das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. In Gefangenschaft fand er zur Theologie In der Kriegsgefangenschaft fand er zu seiner Berufung und betrieb das Theologiestudium, das er in Wien fortsetzte und 1950 beendete. Dienst tat er zuerst als Vikar in Wien-Neubau. Er wur- de Religionsprofessor und der erste Fachinspektor für den evan- gelischen Religionsunterricht an höheren Schulen in Wien und war in verschiedenen anderen Funktionen tätig. 1958 wurde er aushilfsweise Militärseelsorger und war hier maßgeblich tätig. Nach dem Ausscheiden aus dem Schuldienst im Jahre 1976 übernahm Mag. Heß hauptamt- lich die Leitung der evangeli- schen Militärseelsorge. Eine plötzliche Erkrankung zwang ihn aber schon 1980, aus dem Amt des Militärsuperintendenten zu scheiden und den Ruhestand anzutreten. Das Leben seiner Kirche be- obachtete er bis zuletzt mit wa- cher und gewissenhafter Auf- merksamkeit: er erhob, hilfsbe- reit und einfühlsam, bescheiden und doch bestimmt, seine Stim- me, um Unrecht zu verhüten und Unrichtigkeiten zu korrigieren. Noch wenige Tag vor seinem Tod wirkte er als verläßlicher und unermüdlicher Protokollant in Synode und Generalsynode der evangelischen Kirche. Als Bub von sechs Jahren war Ernst Heß erstmals auf Sommer- frische in den langjährigen Som- meraufenthaltsort seiner Familie in Waidring gekommen. Seine Erlebnisse als Bub hat er in den "Kitzbüheler Heimatblättern" im November 1991 wiedergegeben. 1950 heiratete Ernst Heß die Volkskundlerir Dr. C-ertrud Ha- berlandt, die durch ihre Familie und durch ihre Dissertation ("Kulturgeographie der Kitzbi- heler Landschaft') eine tiefe Be- ziehung zum Kitzbüliele.r Raum hatte. Nach wenigen Jahren zog die Familie mi: zwei, dann drei Kindern wieder an den Platz, an dem so viel erlebte Geschi:hte der Familien Heß und Haberlandt lebendig war. Ab 1958 wirte Mag. Heß als Kurseelsorger in Kitzbühel. Die Anfänge waren bescheiden, aber bald konkretisierte sich der Wunsch nach einer eigenen evan- gelischen Kirche in Kitzbühel. Mag. Heß widmete sich weit iber die Pflichten eines Kurseelsc.r- gers verschiedenen Aufgaben in der Diasporagemeinde, auch wenn er sich zeitlich baLl auf einen Monat beschräEken muß- te. Er hielt Lichtbilderorträge, zuerst über die evange]ische Kr- ehe in Osterreich, später rrrner mehr zu "heimatkjndLchen" Themen. Hier war ihm die For- schertätigkeit der Gattin ein enormer Ansporn. Ein Buch über das bäuerliche Leben Die Tätigkeit als Kurseelsor- ger übte Prof. Heß durch 18 Jahre aus. Auch dar-ach blieb er der Pfarre eng verbunden und w:rkte als Aushilfe. Die Lichtbildervorträge erga 23 - ben eine neue Fa•:ette kultureller Tätigkeit für die Familie Heß. Denn sie nahm bewußt die Ver- änderungen wahr, die teils durch den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft und zum nicht geringen Teil durch die Erschlie- ßung der Landschaft für den Fremdenverkehr herbeigeführt wurden. Diese Beobachtungen ware Anlaß für ein großes volkskund- liches Buch "Baaernleben". Frau Dr. Heß schrieb den Text, Sohn Michael lieferte viele photogra- phische Aufnahmen. Daß das Buch so umfassend dargeboten werden konnte, ist jedoch dem selbstlosen Einsatz von Ernst Heß zu danken: Tausende Kilometer - das ist keine Übertreibung - wurden gefahren, Hunderte Ki- lometer miteinander gewandert und Seite für Seite hat er gedul- dig für das Manuskript getippt. Zuletzt hat er noch, gemeinsam mit einer Verwandten, viele Zeichnungen anschaulich und künstlerisch verfertigt. Erst der unerwartete Tod hat seiner kulturellen Betätigung ein Ende gesetzt; denn wo und wann immer es möglich war, entziffer- te er mit großem Vergnügen alte. bäuerliche Schriften und Urkun- den und machte ihre Besitzer so_ mit dem Inhalt genau vertraut. Als junger Mann hat Heß in sei Notizbuch geschrieben: Mehr sein als scheinen, viel leisten und wenig hervortreten. Er hat sich ein erfülltes Leben lang an die- sen Merkspruch gehalten.
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