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SEITE 2 L0KAL-ANZEIGER SAMSTAG, 23. JÄNNER 1993 Besonderheiten aus der Kitzbüheler Skiklub-Chronik Eine Serie von Martin Wörgötter Skiübungswiese auf der Hir.terbräu-Au im Winter 1907. Photos Josef Herold "Im Tal unten", schrieb unser weltbekannte Maler Alfons Walde, "im Tal unten lag das Bergstädtlein still, schlafend bis auf die rauchenden Kamine. Das Gewerbe ruhte, der Bürger und ein paar Beamte verkürzten die stille Winterszeit mit Kartenspiel in rauchiger Wirtsstube, Franz Reisch aber begann 1893 am Horn jenen ununterbrochen Höhe gewinnenden Aufstieg Kitzbü- hels zum weltbekannten Winter- sportplatz. In der weisen Vor- aussicht, daß zu Pioniertaten auch die rechten Bilderbelege gehö- ren, nahm er bei der systemati- schen Erschließung der Bergum- welt auch den Photographen Josef Herold mit. Seine Leistun- gen auf Skiern waren zwar be- scheiden, doch stark die Wirkung seiner für ihre Zeit ganz vortreff- lichen Aufnahmen. Die Leistung dieses Freundespaares ist mit goldnen Lettern in die Geschich- te Kitzbühels eingeschreiben. Überdies bezeugt sie im Aufkom- men der Wintersportplätze all- gemein eine seltene Umsicht. Durchschlagende Wirkung tat sie z.B. in dem 1908 von Reisch ge- schriebenen und von Herold illustrierten Führer "Skitouren um Kitzbühel", der nicht nur erfolgreich für dieses außeror- dentlich schöne Skigebiet warb, sondern auch Schule machte, Vorbild für andere Führer wur- de.1894 kam eine größere Bret- tersendung aus Norwegen. Notar Kathrein, die Gebrüder Stanger und Traunsteiner, Tscholl, Pri- mus und andere begannen, die Leiten zu verspuren und 1895 ein kleines Rennen zu versuchen, indes Reisch 1896 zu Führungs- touren aufs Horn aufforderte, worauf 1898 die ersten fremden Skiläufer auftauchten, unter ih- nen z.B. H. Heß, der Schriftleiter des Alpenvereins. Als erste Mit- arbeiter werden ferner genannt: August Herold, Max Srielber- ger, Sepp und Martin Ritzer, Dr. Hans Thaler, Wast Monitzer und Hans Hirnsberger. "Um 1900 kamen die Münch- ner. Sie, zumeist im Schwarz- wald gutgeschulte Mitgliede des ersten Studenten-Skiverens, des Akademischen SC München, waren neben Franz Reisch und Josef Herold Erscniließer cer Kitzbüheler in solchem Maße, daß sie sich 1902 schon in ihrem 'Skitourenführerum München", im ersten Bücherl dieser Art, als die besten Kenner deses Skipa- radieses erwiesen. Im Herbst 1904 machte man sich an die Errichtung einer künstlichen Schanze, der ensten in Tirol. Mit eigener Hand von Reisch fit gemacht. wurde sie und ihre spätere Vergrößerung auf Jahre hinaus eine inimerwie- der besonders von den Münch- nern und Innsbruckern aufge- suchte Trainingsanlage. Zudem war es gelungen, in der Person des wohlbekannten Eoch- louristen und Kaukasusforschers Willy Rickmer-Rickmers den vielbegehrten Winter-Frem den- verkehrsexperten des zuständi- gen Ackerbauministeriums für Kitzbühel zu interessieren. Rick- mer-Rickmens kam nichi allein. Er brachte gleich eine s:arkc Gruppe seiner englischen Freun- de mit. Daß er sie und andere irr- Skilauf m Skilauf unterrichtete, war seim selbstloses Hobby. Das Beher- bergunswesen machte er mit in- ternationalen Gebräuchen unc Ansprüchen vertraut. Seine wer- bende Tätigkeit umschreibt er in seinen Eerinnerungn von 1931 so: "Reisen hatte Kitz erkannt; dann entdeckte er mi.:h; und beide entdeckten wir weiter, indem ich sozusagen das auswärtige Amt übernahm, während er sich der inneren 3ntwicklung widmete, um einen weltbekannten Winter- sportplatz zu schaffen'. Reisch interessierte damals für Kitzbühel den nach Ruf und Stellung ersten Vertreter der empirischen, im Stadium ihrer alpinen Mauserung befindlichen altnorweischen Laufart: Viktor Sohm, den Präsidenten des 1905 in München gebilceten Mittel- europäischen Skiverbandes. In diesen alten Zeiten war auch Kitzbühel Tummelplatz der Meinungen im längst entschlafe- nen Zwist: hie Norwegen, hie Lilienfeld. Zwar debattierten die einen und die anderen bei einem Glas Rötl "im Tiefenbrunner" und bei Kuchen "im Reisch" über das Für und Wider. Doch gerie- ten sie sich nicht in die Haare. Es schwebte Reisch's guter Geist darüber, mit einem "Lost's Mander, dem Schnee und inse- ren Bergen is das gleich" jener kommenden Zeit vorausgreifend, die im Kitzbüheler Schnee einen jeder nach seiner Facon selig werden ließ. Hauptereignisse im Winter 1907/08 waren ein Sprunglauf, der zum Städtekampf München - Innsbruck wird, und das allerer- ste englische Skirennen, nämlich das des Skiclub of Great Britain, unter Leitung der Gründungsmit- glieder E. C. Richardson und W. Rickmers. Der erstere, Präsident des Clubs, gewinnt die nordische Kombination, der letztere ein eigenartiges "Combined Curving und Speed Race". Es war dies der erste Versuch des später so ein- flußreichen, zum modernen Abfahrtssport führenden "Down- hill-only". (Siehe Carl 1. Luther, 1955, "Arbeit und Erfolg des KSC.) Ehrenmitglied und Gründungs- mitglied des KSC Kommerzial- rat Josef Herold. Erster Skisport- fotoreporter Osterreichs, Bür- germeister von 1933 bis 1934 und 1936 bis 1938, gestorben 1938. Bild von der Ausstellung im Heimatmuseum zum Thema: "100 Jahre Skisport in Kitzbü- hel".
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