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SEITE 10 LC'KAL-ANZEIGER SAMSTAG, 9. APRIL 1994 Landwirtschaft und Tourismuswirtschaft als Allianz Von Dipl.-Kfm. Dr. Josef Ziepi - Obmann der Tourismusverbände Kitzbüheler Alpen Beim kürzlich abgehaltenen Kammertag der Bezirks-Land- wirtschaftskammerKitzbühel im Kulturhaus Reith war un- ter den Geehrten auch Dkfm. Dr. Josef Ziepl, Obmann der Tourismusverbände Kitzbühe- 1er Alpen, der seinen Dankes- worten ein interessantes Refe- rat anschloß, aus welchem wir folgendes entnehmen. Daß ich als Touristiker eben- falls diese hohe Auszeichnung durch die Tiroler Landwirt- schaftskammer erhalten habe, berührt mich zuinnerst und freut mich außerordentlich, weil ich in der mir zuteilgewordenen Ehrung eine große Geste der Landwirt- schaft gegenüber der Tourismus- wirtschaft sehe. Ein lebendiges Zeichen dafür, daß diese beiden großen Wirtschaftsblöcke sich Schritt für Schritt näher kom- men. Daß aus der "Schicksalsge- meinschaft" eine mit Leben er- füllte Allianz zu werden scheint. Die Bauernschaft hat als Sied- ler injahrhunderte langer Arbeit unser Bergland kultiviert und es zu dem gemacht, was man heute mit Stolz Kulturlandschaft nennt. Die Bauernschaft hat uns in gu- ten und in schlechten Zeiten die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Die Bauernschaft ist ein wesentlicher Mitträger unse- rer Landeskultur. Ich meine damit auch den weiten Bogen des Brauchtums, auf das wir stolz sein dürfen. Innerhalb von drei Jahrzehn- ten sicherte die Bauernschaft unserer Bevölkerung nicht nur die von außen unabhängige Ver- sorung mit Grundnahrungsmit- teln und lebenswichtigen Roh- stoffen, sondern unsere Land- wirtschaft ist zu einem bedeuten- den Exportfaktor geworden. Aber nicht nur das, unsere Landwirtschaft ist auf dem Wege, aus der Fülle heraus Spitzenpro- dukte an Lebensmitteln zu er- zeugen, die der Konkurrenz im Gemeinsamen Markt noch zu schaffen machen werden. Die Tourismuswirtschaft Osterreichs und im besonderen Tirols, mit einem Drittel aller Gästenächtigungen von ganz Osterreich und mit 40 % aller Deviseneinnahmen, hat nach 1945 in einem unvergleichlichen Kraftakt und in einer gewaltigen Bereitschaft Risiko auf sich zu nehmen, die Konkurrenz Schritt für Schritt überholt und ist zu einem der großen Auftraggeber für unser Handwerk. Gewerbe und Industrie geworden und ei- ner der Hauptabnehmer lancwirt- schaftlicher Prodikte. Das sind Leistungen, die uns viele Völker in der EU ers: einmal nachma- chen müssen. Natrlich haben beide Partner, die Landwirtschart und die T:u- rismLswirtschaft, große Proble- me und Sorgen. 3eide bekc'm- men derzeit nicht Ien Preis, ier notwendig wäre um die Betriebs- substanz in Schuß zu halten oder sie gar verbessern zu können. Aber mit einer klugen, sinn- vollen und freiwilligen Vermin- dea.ng der Masserprodukte und der Schaffung von Qualitätspro- dukten und einer klugen, sinn- vollen md freiwilligen Vermin- deru ng der Gästeh etten und Ver- besserung der Dienstleistungs- qualitäten wird es ins gelingen, an das Ziel des leistungsgerech- ten Preises Schriit für Schritt heranzukommen. Die Erfahrung hat uns gezeigt, daß der Weg in die Masse keine Lösung ist, weder für die Landwirtschaft noch für die Tourismuswirt- schaft. Das alte Sprichtwort bewahrheitet sich immer wieder, daß sich auf Dauer nur die Qua- lität kirchsetzt Naturlich müssen in beiden Wirtschaftsbereichen noch wei- tere und neue Wege gesucht uid gegangen werden. Teilweise al- lein, teilweise in Partnerschaft. Das BauemfrühstLck, von NR Sixtus Lanner in jer Wildschö- nau ins Leben gerufen, cie Schau- Käserei, von unserem neLge- wähltei Lanitagsabgeordneten und Bürgermeister von Kös sen aus der Taufe gehoben, die Kitz- btihelerProduk:eliste der Hotel- lerie und Bauernschaft, unter- stützt vom Tourismusverband, sind solche zusätzliche Möglich- keiten und Wege. Auch ich habe viele Jahre lang darüber nachgedacht und daran gearbeitet, wie man die Schere des Wohlstandes zwischen der Wirtschaft im Tal und den Berg- bauern verringern, dor und da schließen könnte. Mit meinem Projekt "Alpenschule". Schule des Sehens und Fühlens, kann zahlreichen Bergbauern eine Zweiteinnahme erschlossen werden. Das Versuchs- und Anschauungsprojekt, das am Westendorfer Salvenberg geplant ist, und von unserem Landes- hauptmann Dr. Weingariner, von unserem Kammerpräsident Ok.- Rat Dipl.Ing. Alfred Steger, sowie von den Brixentaler Bür- germeistern Hans Erharter und Hans Nagele kraftvoll urterstützt wird, wird ein weiterer Weg zur Existenzfestigung werden. Darüberhinaus bedarf es aber der Anstrengung aller. Nicht nur unsere Gäste, wir alle sind an einer heilen Umwelt interessiert. Und wenn wir diese wollen, dann kostet das eben Geld. Der Berg- bauern-Umweltbeitrag ist ein guter Ansatz dazu. Aber er ist in der Dimension eher eine Geste, als eine Hilfe. Da müssen andere Größenordnungen ind Bewegung gebracht werden. Schon lange spielt die heile Umwelt, die erholsame Seehö- he, das Gesundklima bei den Großstadt- und Industriemen- schen in ihren Urlaubsplanun- gen eine entscheidende Rolle. Der Anteil derer, die weniger Abenteuer und mehr Gesundheit wollen, wird größer. Ich warne daher davor, daß man sich die Dinge zu leicht macht. Und ich weiß mich in dieser Auffassung nicht allein, daß es sehr gefährlich wäre zu sagen: lieber soll ein Teil unserer Berg- bauern abwandern, bevor ich einen entsprechenden Umwelt- Beitrag entrichte. Die Abwande- rung kann man nicht portionie- ren. Sie kann man nicht aufhal- ten, wenn die Grundlawine ein- mal in Bewegung geraten ist. Ich warne auch vor einer viel- leicht erzwungenen, aber zu ein- fachen Ersatzlösung, durch das Aufforsten verlassener Höfe. Innerhalb von ein bis zwei Jahr- zehnten stünden wir und unsere Gäste mitten in kanadischen Landschaften. Innerhalb dieser Zeit würde sich unsere unver- gleichlich schöne, in Jahrhunder- ten gewachsene Kulturlandschaft in eine monokulturelle Gegend zurückbilden. Das wäre zweifels- ohne der Verlust unserer Füh- rungsposition im Tourismus. In der Suche um diese Gemein- schaft wußten und wissen sich die heute Ausgezeichneten einig mit unserem Ok.-Rat Paul Land- mann, mit Ing. Sepp Wörgötter, mit Bezirksobmann Sepp He- chenbichler und mit Ing. Hans Staffner. Zusammen mit ihren Funktionärskollegen haben sie an der gemeinsamen Verständigung Jahrzehnte gearbeitet und ent- scheidend geholfen. Dafür gilt ihnen allen, insbesondere auch unserem Kammeramtsdirektor Dipl.Ing. Richard Norz unser aller Dank. Natürlich mußte so manchmal ein Kompromiß herhalten. Das Leben ist ein einziger Kompro- miß. Ich glaube, erst durch gute, ehrenhafte Kompromisse kommt man zu einer soliden Gemein- schaft. Die Urzelle dieser Ge- meinschaft ist die Gemeinde. Die Bürgermeister und Obmänner der Tourismusverbände sind, das ist meine Überzeugung, auf diesem Weg zu einer dauerhaften, soli- den, für beide Teile erfolgrei- chen Gemeinschaft, von ganz großer, intregaler Bedeutung. Wenn wir unser Osterreich mit den großen Industrieländern in der EU vergleichen, dann stehen wir, was den Arbeitsmarkt be- trifft, sehr gut da. Warum? Weil Osterreichs Kleinstrukturen und mittelgroße Strukturen auf dem Markt beweglicher und daher auch beständiger sind als die Kolosse. Der Klein- und Mittel- betrieb braucht die Mitarbeiter, während die Giganten die Men- schen durch die Maschinen zu ersetzen beginnen. Und wenn das nicht reicht, Produktionsstätten aus dem eigenen Land in Billig- lohnländer aussiedeln. Zurück bleiben die Menschen ohne Ar- beit. Und Menschen ohne Ver- dienst können kaum viel kaufen, können kaum den Konsum för- dern. Ich finde diesen Weg für einen gewaltigen Irrtum, für volkswirtschaftlich falsch und für menschlich unmoralisch. Wir mit unseren kleinen Einheiten brau- chen die Mitmenschen. Wenn wir, die Landwirtschaft und die Tourismuswirtschaft das verstehen und wenn wir zusam- menhelfen, dann braucht uns vor der Zukunft im Großen Markt nicht bange sein.
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