Kitzbüheler Anzeiger

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- . Kitzbühel vor dem Straßenbau 1835, gezeichnet von Alois Schilling, Landgerichtskanzlist in Kitzbühel. Vorne das alte Wegscheidhäusl Kitzbühel nach dem Straßenbau 18.36; rechts Josef-Pirchl -Straße und links die Wegscheidgasse. Der damalige Straßenbau verursach- te die größten städtebaulichen Veränderungen SAMSTAG, 30. SEPTEMBER 1995 LOKAL-ANZEIGER SEITE 45 Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel Von Dr. Ferdinand Kogler, Zeitschrift Ferdinandeum - IV. Teil Der Stadtrichter wird ebenso wie in München und anderen bayrischen und österreichischen Städten zwar vom Herzoge ein- gesetzt, aber nur 'nach der bur- ger rath und nach jr beth". Dieses Vorschlagsrecht der Bürger kam in Wirklichkeit fast einem Er- nennungsrecht gleich, da der Herzog den Vorgeschlagenen ohne besonders wichtige Grün- de kaum verweigert haben wird. Der Wirkungskreis des Stadtrich- ters ist beschränkt auf die Aus- übung der Gerichtsbarkeit. An der übrigen Stadtverwaltung ist er nicht beteiligt. An den Ver- handlungen der Stadtgemeinde nimmt er nur über besondere Einladung teil und ist an deren Beschlüsse gebunden. Der Stadtrichter, mit dessen Aufgaben es als unvereinbar galt, eine Schenke oder ein offenes Leithaus (Wirtshaus) zu halten, partifiziert an den verwirkten Bußen. Inder Regel ist es so, daß der Richter und die Stadtgemein- de die Buße zu gleichen Hälften teilen. Nur bei todeswürdigen Verbrechen, deren Aburteilung dem Herzog vorbehalten war, verfällt auch die Buße dem Her- zog. Der Jurisdiktion des Stadtrich- ters sind sämtliche im Burgfrie- den wohnenden Einwohner un- terworfen. In Zivilsachen war hei Strei- tigsachen um Eigen und Leben der Gerichtsstand begründet, wie ihn das deutsche Recht allge- mein kennt. Sofern außerhalb des Burgfriedens liegende Immobi- lien in Betracht kommen, muß- ten die Insassen der Stadt vor dem Gericht der belegenen Sache Recht suchen und geben. In Kriminalsachen war aber die Zuständigkeit so verdichtet, daß selbst außerhalb des Stadt- bezirkes begangene Übeltaten der Stadtbewohner nur vom Stadtgericht abgeurteilt werden konnten. Von der Gerichtsbarkeit des Stadtrichters waren in Kitzbühel eximiert die im Dienste des Herzogs stehenden Personen. Nur im Falle der Ergreifung auf handhafter Tat innerhalb des Burgfriedens war die Zuständig- keit des Stadtgerichtes begrün- det. Mit dieser schriftlichen Fi- xierung dieser Bestimmung ist Kitzbühel den anderen bayri- schen Städten vorausgeeilt. Der Stadtrichter ist nicht bloß Organ der Stadtgemeinde zur Ausübung der dieser übertragenen Gerichts- barkeit, sondern er unterzieht sich auch im Namen des Herzogs des Leibes und Gutes des Totschlä- gers und judiziert auch über "groß ding, das auf den Todt zeucht". Als Hilfsorgan des Stadtrich- ters erscheinen der Scherge und die Knechte. Der Scherge wird ebenso wie in München und Ingolstadt vom Richter bestellt, wobei den Bürgern das Vor- schlagsrecht zusteht. Nach dem Grundsatz der Bi- bel "Aug um Aug, Zahn um Zahn", stellt auch das Kitzbühe- 1er Stadtrecht in Anlehnung an das Münchner Rudolfinum vom 19. Juni 1294 den Grundsatz auf: "Ain lemb hörent für die andern oder zu puesse dem richter zehn pfundt den dem schadhaften als vii". Eine Buße von 10 Schilhihng (= 00 Pfennig = 1 Pfund 60 Pennig) bestimmt unser Stadt- recht übereinstimmend mt dem Münchner und Ingolstädter Stadtrecht für Maulschlag für "rauffer.", "zornlich stossen oder angriff' und "unchristlich schlet- Wort". Vollständige Verm.igenskon- fiskation verbunden mit \erwir- kung des Lebens tritt nach dem Vorbild des Münchner Rjdoifi- nurn be Tötung ein ohne weitere Unterscheidung zwischen Mord und To--schlag. Die Körperverletzungen wer- den unterschieden in "pogende wunden" und "fliessen wunden". Die ersteren sind die schwere- ren. Unter 'Pogwunden' versteht das Stadtrecht Wunden. "die man macht mit swerten, mit mezzern oder mit anderen Waffen, die sclneid oder örter habent, die schedlich sein", währen:! "flie- ßende Wunden", de "mit stek- ken oder mit chnüttel, mit stai- nen oder mit Fäusten oder mit maulslegen' zugefügten Verlet- zungen sind. Dem Maulschlag strafrechtlich gleichgestellt ist das "rauffen, zornl.ch stossen oder angriff" und die Kränkung an der Ehre durch "inchristiich scheltwort". Unter den Wunden, gleichgil- tig ob pogende oder fließende, haben die "Nachtwunden" eine besondere Bedeutung, nicht aus dem Grunde, weil die mit einer höheren Buße bedoht Wären, sondern weil die Reinigung des Beklagten erschwert ist, denn die Nacht sollte nach einem Grund- satz, der auch im Schwabenspie- gel zum Ausdruck kommt, einen besseren Frieden haben, denn der Tag. Eine Veränderung gegenüber der altgermanischen Auffassung hat sich im Begriff der Heimsu- chung vollzogen, die auch im Stadtrecht von Kitzbühel zum Ausdrucke kommt. Nach altger- manischer Auffassung verstand man unter Heimsuchung den "Überfall von Haus und Hof mit bewaffnetem Gefolge". Nach dem Stadtrecht von Kitzbühel begeht diese Missetat derjenige, "wer den andern geverlichen haimbsuecht und jagt gen sei- nem haus oder gen einem andern und ihm nachfolgt innerhalb der thür oder ausserhalb siben schuecht". Der Hausfriede äußert sich aber nicht nur darin, daß jede gewalt- same Verletzung desselben als eine Missetat erschei nt, sondern daß das Haus, da der Hausherr jedem den Eintritt verwehren mag, für Flüch:ige und Verfolg- te zur Freistätte werden kann, Der Hausherr darf jeden Mis- setäter in sein Haus aufnehmen und den nachfolgenden Feinden den Eintritt verwehren, nur dem Richter und dessen Gehilfen muß er sein Haus offen halten und die Durchsuchung desselben gestat- ten. Dabei braucht er ihnen aber nicht nur nicht behilflich sein, sondern kann sogar noch den Verfolgten unterstützen, ohne bußfällig zu verden. V Teilfr'lgt!
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