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"Graoenabn" vordem Straßenbau von 1836 nach einerZeichntng von Landge'ichtskanzlisten Alois Schilling. Sparkassengebäude, Rath us und Hinterbräu (von links). Zwischen Sparkasse und Rat- haus führte ein gedeckter Durchgang vor die Innenstadt. An der linken Hauskante des Rathauses reichte ein Latrinenvorbau bis über das zveiie Gbergeschoß SAMSTAG, 14. OKTOBER 1995 LOKAL-ANZEIGER SEITE 45 Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel Von Dr. Ferdinand Kogler, Zeitschrift Ferdinandeum - V. Teil Die Notwehr bildet ebenso wie in den bayerischen Landfrieden und den Stadtrechten von Mün- chen und Ingolstadt einen Straf- ausschließungsgrund. In Strafverfahren ist bestimmt, daß jemand der "umb gross ding", das auf den todt zeucht und bei tage geschehen ist, angespro- chen wird, sich nicht sofort, sondern erst in 14 Tagen auf die Klage einzulassen braucht. In- nerhalb dieser Frist soll ihm der Richter Frieden gewähren gegen den Beschädigten und dessen Freunde. Wollen diese den Frie- den nicht respektieren, so verfal- len sie, da es sich um dem Her- zog vorbehaltene Gerichtsfälle handelt, dem Herzog in eine Buße von 30 Pfund. Auf den nach 14 Tagen angesetzten Gerichtstag muß sich der Angeklagte entwe- der von der Anklage mit zwei Eideshelfern reinigen oder er wird sofort bußfällig. Die privatrechtlichen Bestim- mungen der beiden Stadtrechte sind sehr spärlich. Außer den schon erwähnten Begünstigun- gen der Testierfreiheit und der Aufhebung des Heiratszwanges wären noch folgende Punkte hervorzuheben. In personenrechtlicher Bezie- hung begegnet der gemeindeut- sche Grundsatz, daß Spielleute rechtlos seien. Körperverletzun- genen an solchen Personen, so- fern sie ohne pogende Wunden und ohne Tod abgehen, sind bußelos. Im Sachenrecht ist ebenso das Institut der rechten Gewere aner- kannt, das in Bayern überhaupt erst seit dem 12. Jahrhundert Eingang fand. Wer liegende Gut Jahr und Tag in "stiller Gewere" hatte, desser Recht sollte unan- fechbar sein. Eine notwendige Konsequenz dieser Norm ist die Bestimmung, daß auf der ande- ren Seite derjenige, der sein Recht an liegendem Gut nicht inner- halb von Jahr und Tag verfolgte, sich ve:schweigt und seines Rechtes verlustig wird. In das Obligationsrecht ein- schlägig sind die Bestimmungen über das Verfahren um Geld- schuld. Der Gläubiger hat den zahlngspflichtigen Schuldner vor Gericht zu bitten. Ist dieser gest.ndig, so hat er in rechts- förmlicher Weise zu geloben wei:en), dem Gläubiger binnen 14 Tagen Genüge zu tun. Nur 3ürgschaft-, Eß- und Trinkschul- den müssen sofort, noch dessel- ben Tages berichtigt werden. Hat der Schuldner Haus und Hof, so st er fü die Zahlung innerhalb der bestimnten Frist von jeder weiterei .icherheitsleistung oefreit. 1-Tat er aber weder Haus und Hof, so muß er dem Gläubi- 1 1 N ger in irgend einer Weise, wrhl durch Bürgen- oder Pfands:el- lung, Sicherheit leisten. Dem Schuldner, der nicht in Geld (gold oder silber) seine Schulden zu tilgen vermag, ist eine Art bere- ficium gegeben, indem er nach "der burger rath den Gläubiger mit anderen Wertgegenständen abfinden kann. Hat der Schuldner weder Geld noch Geldeswert, wovon der Gläubiger Befriedigung finden kann, so soll der Richter ien insolventen Schuldner bei der handt" in die Schuldhaft des Gläubigers überantworten, des- sen Recht aber nicht die Ausnüt- zung der Arbeitskraft des Schuld- ners umfaßte, sondern sich nur auf die Freiheitsentziehung zu beschränken scheint und frei von jeder Härte und jeder Grausim- keit sein soll. Der Gläubiger soll den Schuldner halten "ohne schlag und ohne stöss und ohne eisnener pandt". Durch die Schuldhaft soll sowohl auf den Schuldner selbst ein Druck aus- geübt werden, durch Anstren- gung seiner äußersten Kräfte den Ansprüchen des Gläubigers noch nachzukommen, als auch scilen die Familie und die Freunde ies verhafteten Schuldners bewogen werden, diesem durch Befriedi- gung des Gläubigers die Fre:heit wieder zu verschaffen. Eine große Anzahl von Be- stimmungen der beiden Stadt- rechte betreffen das Gebiel der Markt- und Gewerbepolizei, also jene Rechtssphäre, in welcher sich die Autonomie der Stadtge- meinde frei entfalten kann. Durch dieses Gebiet der Markt- und Gewerbepolizei zieht sich zunächst ein Gedanke, der im- mer wieder zum Durchbruch kommt. Die Benachteiligung der Fremden gegenüber den Einhei- mischen. So ist jede Verbindung von Bürgern mit Nichtbürgern zum Betrieb von Kaufmann- schaft und jede Herbeiziehung fremder Kaufleute untersagt und strafbar. Diese Verpflichtung der Bürger, sich jeder Verbindung mit Fremden zu enthalten, wird für so wichtig gehalten, daß sie von jedem neu aufgenommenen Bürger im Bürgereide eigens beschworen werden muß. Zu den Märkten haben die Fremden nur gegen Entrichtung einer Abgabe an die Stadt und den Richter zuritt. Nach Zahlung derselben steht ihnen aber dann gleiches Recht zu wie den Bürgern selbst. Kein Fremder darf im Burgfrie- den Wein fassen oder in Fässern ("lageln") länger als drei Tage stehen lassen und kein Bürger darf einen solchen weinführen- den Fremden länger als drei Tage beherbergen. Der Kaufhandel der Fremden soll auf die offenen Märkte beschränkt sein. Unter- sagt ist ihnen der Einkauf auf dem Lande und auf der Alpe. Der Detail-Verkauf ("das Ver- schneiden") von wollenen und leinenen Kleidungsstoffen ("Gewand") ist fast ganz in den Händen der Bürger monopoli- siert, indem er den Fremden nur an vier Tagen im Jahr, an den Dienstagen vor den vier Jahres- märkten in Mittersill gestattet ist. Ein Landmann, der in der Stadt eine Niederlage seiner landwirt- schaftlichen Produkte hat, darf dieselben nur auf offenem Markt absetzen, nicht von Haus zu Haus verkaufen. Dem Bürger, bei welchen die Niederlage unterge- bracht ist, obliegt für den Fall des Zuwiderhandelns des Landman- nes die Anzeigepflicht. Derlei für den Fremden un- günstige Bestimmungen sind im Interesse der heimischen Konsu- menten aufgestellt. Der Bürger- schaft soll in erster Linie Gele- genheit geboten werden, ihren Bedarf zu decken und eine Stei- gerung der Preise durch die in- folge Zuzugs auswärtiger Händ- ler eintretende Erhöhung der Nachfrage sollte hintangehalten werden. Auf der andern Seite sollten die einheimischen Kauf- leute vor fremder Konkurrenz geschützt werden. VI. Teilfolgr! Das "Neutor", errichtet beim Strafenbau von 1836. mi Jahre 1954 wurde der Straßendurchgang verbritet. Der Fußgängerdurchgang verläuft im ehemaligen "Bauwich ". Die davor stehenden Bäume (Kanadische Birken) entstanden sicherlich nur der Fantasie des Zeichners (Alois Schilling)
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