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Beim Jugsndskiwg 1946 siegte de.- zehnjährige Toni Si 1er im Sprunglauurid ir, der Ko,nhnaton. Es war sciJ erster Ski sieg Toni Sailer zwischen seinen Eltern Maria und Toni Fotos aus "Mein Weg zum dreifachen Olympiasieg" Als Toni Sauer sen. auf der Streif "Stäudei steckte" Der Beitrag des Vaters auf dem Weg zum dreifachen Olympiasieg Im Winter / 996 jährt sich zum 40. Male der totale Sieg Toni Sailers hei den Vii. Olympischen Winterspielen in Cortina d'Am- pezzo. Aus diesem Anlaß brin- gen wir aus dem Buch "Toni Sai- 1er - Mein Weg zum dreifachen Olympiasieg " (Verlag Das Berg- land-Buch, Salzburg-Stuttgart, 1956) einen Auszug aus dem Kapitel "An der Streif aufge- wachsen In der Talstation wurden wir Buben einfach unter das Maß gestellt. Bis zu einer gewissen Größe durfte man um den hal- ben Preis fahren. Ich war einer von den Kleinsten und dankte dem Herrgott, daß ich langsamer wuchs als alle anderen und lan- ge Zeit noch so klein blieb, daß ich immer noch den billigsten Preis zahlte, während die ande- ren, die schon lange über das kri- tische Maß hinausgewachsen waren, die volle Karte brauchten. In der Gondel trafen wir Bu- ben mit einem internationalen Skipublikum zusammen, das uns heftig interessierte. Mit meinen sehr bescheidenen Bretteln stu- dierte ich die Skiausriistung der vornehmen Gäste. Hin und wie- der wurde ein ganz großer Name geflüstert. Wir Buben aber ta- xierten die Größe eines Namens darnach, wie sich dessen Träger auf der Abfahrt benahm und mußten feststellen, daß die "Gro- ßen" auf der Abfahrt oft sehr "klein", die "Kleinen" groß wur- den. Nur wenige von den Promi- nenten konnten uns auch auf Bretteln imponieren, beispiels- weise Luis Trenker, der während meiner Bubenzeit in Kitzbühel wohnte. Im übrigen aber waren wir Buben Leuten auf Skiern gegenüber sehr kritisch. Wenn man auf dem Hahnen- kamm in 1655 Meter Höhe aus der Gondel steigt, kann man sich je nach Lust und Laune die Ab- fahrt aussuchen, die einem gera- de paßt. Ganz gemächlich die Brunnalmabfahrt, so gemäch- lich, daß sie für uns überhaupt nicht in Frage kam, schon etwas steiler, aber auch noch "pomalig" die "Fleck" und die "Kaser'. Noch etwas schwieriger und mit ziemlich viel Wald die sogenann- te "Bassinabfahrt", die heute nur mehr wenig gefahren wird, aber für uns Buben den großen Vor- teil hatte, daß sie direkt zur Tal- station zurückführt, so daß man ohne langweiligen Straßen- marsch gleich die nächsten acht- hundert Meter Abfahrt anhängen konnte. Doch die begehrteste Abfahrt führt unmittelbar von der Bergstation der Seilhahn zur Streifalm hinab, die ebenso be- rühmte wie berüchtigte "Streif'. Da der Vater als Sportwart des Kitzbüheler Skiklubs sich auch um die Instandhaltung der ein- zelnen Abfahrten kümmern mußte, wurde für uns die "Streit" sozusagen zur Familienangele- genheit. Ich habe inzwischen viele Ah- fahrtsstrecken in den Alpen ken- nengelernt und mit der "Streif' verglichen. Aber was die Schär- fe betrifft, hat es die "Streif" wirklich in sich. Nicht, daß die "Streif" die schwierigste oder gefährlichste Afahrtsstre: ke wäre. Aber das Besondere cer "Streif' liegt darin, daß man sioh auf der ganzen Abfahrt niemals entspannen kann. Nicht den Bruchteil einer Sekunde darf man die Konzentration verlierar. Man muß vielmehr an jeder Std.- le ganz "da" sein. Andere Ab- fahrtsstrec ken besitzen einze ne Passagen, die man auch in etwas aufgelockerter Form bewälti,en kann. Die 'Streif" aber läßt cen Skiläufer nicht ein einzigesmal wirklich aus. Eine Abfahrt über die "Streif' ist das Gegenteil von einem "weißen Rausch". Natürlich, die Freude an der Bewältigung einer schwierigen Stelle bleibt, auch die Freude an iem rasanten Tean- po, aber das Ganze ist kein "Rausch", sondern eine sehr nüchterne, sehr klare Sache, eine Angelegenheit schärfster Kcn- zentration, bei der gewiß Kopf ebensoviel rnitzureden ha: wie die Beine. Noch eines hat mich de 'Süeif" gelehrt. Weil die Strek- I:e verhältnismäßig schmal ist, an einzelnen Stellen kaum zwei Meter, muß man überaus exakt fahren, sozisagen mit dew Maß- band. Wenn ein bestimmter Schwung nicht auf den Zeniime- ter genau an einer bestimmten Stelle sitzt, fliegt man aus der Pis:e. Mein Vater hat mir, seit ich mit sechs Jahren zum erstenmal die "Streif" fuhr, dieses exakte Fahren dadurch beigebracht, daß er mir ein "Stiudei steckte' Das Lei3t, er steckte einen Zweig in e-n Schnee Jer Piste und genau cort, wo der Zweig steckte, muß- te ich den Schwung hinse:zen. DCT Vater betrieb diese Arbeit gcraL so ausdauernd und zäh ur ebenso exakt wie die Arbeit in der Werl's:ätte. Er ließ nicht lorker, bis er mit mir zufrieden war. Ich er:nnere mich, daß ich an einem einzigen Tage mit dem Vater elfmal die "Streif' abge- fanren bin, das war mcr, als wären wir vorn Mount Everest abgefahren
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