Kitzbüheler Anzeiger

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dem zweiten Weltkrieg den Bauern bei ihrer, zur Existenz­ sicherung notwendig geworde­ nen Umstellung auf vorerst ein­ fache geholfen. Dienstbotenstand gab es keinen mehr. Der Bauern­ stand aber war unentbehrlicher denn je zur Versorgung der hun­ gernden Bevölkerung mit Nah­ rungsmitteln. Wichtigstes Ziel war daher die Nah Versorgung, somit Produktionssteigerung, Hand in Hand mit behördlichen vielseitiger, schwerer und teu­ rer. Sie erforderten zum Teil auch eine Umstellung in der Art des Wirtschaftens. Z. B. über­ nahm zuerst ein mechanischer Miststreuer die Stelle des lang­ wierigen hündischen Mistberei- tens. An beider Stelle ist schließlich die Gülledüngung getreten. Einstreu mit “Bratda- xen” ist durch den möglichen Bezug gepresster Strohblöcke aus Getreidegebieten überflüs­ sig geworden; damit eingewan­ dert sind hier unbekannte Ackerunkräuter. Zur Heuge­ winnung muss der Mensch vom Mähen des Grases an fast nur mehr die Maschine fahren und fuhren können. Der arbeitser­ leichternde Ladewagen hat Konkurrenz durch große Ma­ schinen gefunden, die das Heu an Ort und Stelle zu schweren Ballen pressen und ver­ schnüren. In Folien gehüllt, ver­ gärt das Heu wie in einem Silo, ohne Hülle wettersicher unter­ gestellt, bratet es ähnlich wie ein Heustock in der Rehm. - War in früherer Zeit ein ge­ schickter Mächler, der mit Holz umzugehen verstand, auf jedem Hof fast unentbehrlich, so ist es heute der mechanisch begabte Autodidakt. Er hält sein durch Selbstunterricht gewonnenes Wissen ständig auf dem Lau­ fenden; nur so kann er die Ma­ schinen selbst warten und nach Möglichkeit nicht allzugroße Defekte wieder in Ordnung bringen. Das spart Zeit und Geld. Dies nur als ein paar Bei­ spiele für die landwirtschaftli­ che Entwicklung. Noch zu Lebzeiten von Josef Haas hat Hans Haas eine Toch­ ter des Nasnerbauem in Kirch- berg, Ursula Horngacher, gehei­ ratet. Schuldenfrei, aber ohne Milchkontingent übernahm der junge Landwirtschaftsmeister 1989 den Hof Vordererb. Ohne Milchkontingent auf dem Hof durfte er keine Milch liefern. So machte der junge Bauer erst von der Möglichkeit der gefor­ derten Mutterkuhhaltung Ge­ brauch, was für einen Voller­ werb aus den landwirt­ schaftlichen Erträgnissen nicht ausreichte. Den Ausweg, ein Nebenerwerbsbauer zu werden, wählte Johann Haas jedoch nicht. Er entschloss sich, ge­ meinsam mit seiner Frau, zu biologischer Landwirtschaft und Selbstverarbeitung und - Vermarktung der Hofmilch mit Schwerpunkt “Schulmilch”. Die Erfüllung aller hygiene­ behördlichen Vorschriften er- den Generationen der Vergan- forderte viel Platz in entspre- genheit und Zukunft gefühlt, chenden Räumlichkeiten. Zur Nach dem Setzen von 200 Bo- Schaffting derselben wurde ein sehen (Baumsetzlingen) hatte Teil des Wohnteiles unterkel- Josef Haas geschrieben: “Wenn lert, welcher dadurch gleichzei- Ihr, meine lieben Nachkommen tig neue Grundfesten für weite- einmal den Nutzen habt, geden- re Jahrzehnte, vielleicht sogar ketauf den Pflanzer Josef Haas, Jahrhunderte erhielt. So bekam der ihn für Euch gesetzt hat, mit der Hof die Möglichkeit einer neuen wirtschaftlichen Basis. Erhöhte Abnehmerbereitschaft auf Zeit anvertraute Natur ge- verdankt er zum Teil dem Frem- nutzt, sondern auch stets ge- denverkehr. Landwirtschaftli- pflegt, che Maschinen sind einstweilen unentbehrlich geworden. Die sehen Umgang mit Grund und gemeinsame, von mehreren Boden, wie dies heute zuneh- Bauern vereinbarte rationelle mend vielerorts durch Umwid- Nutzung solcher kostspieliger mung in Bauland und die dazu Maschinen, vermindert bei der geforderte Infrastruktur kurz- Anschaffting die finanzielle Be- sichtig geschieht, hätte Josef lastung aller Beteiligten. Vor- Haas kein Verständnis gehabt, bild war die vom Land Tirol und der Landwirtschaftskammer ge- ist außer seinen Tagebüchern ei­ förderte Errichtung von Ma- ne von ihm geschnitzte Weih- schinengenossenschaften. Vor- nachtskrippe. Er hat die Geburt gänger der noch heute des Heilands mitten in seine bestehenden Maschinenringe bäuerliche Arbeitswelt gestellt, gewesen. - Je nach Schneelage Über dem kleinen Geburtsstall willkommenes Zugeld findet hat er den ganzen Krippenberg Hans Haas im Schisport als naturgetreu mit Leuten bei ihrer staatlich geprüfter Schilehrer. Maschinentechnik einem Vaterunser”. Nicht nur auf diese Weise hat er die ihm Für einen verschwenderi- Bleibende Erinnerung an ihn Maßnahmen für einen seuchen­ freien Viehstand. Damals waren die herkömmlichen Erzeugnisse traditionsgemäß noch vielfältig. Das blieb nicht so. Arbeitsinten­ siver Anbau von Flachs und Hanf wurde aufgegeben. Kar­ toffeln wurden um einiges spä­ ter auch nicht mehr angebaut. Die bisher größte wirtschaftli­ che Veränderung brachten die Sechzigeijahre, als der Getrei­ debau (Korn, Weizen, Gerste und Hafer) aus ökonomischen Gründen zugunsten reiner Grünlandwirtschaft aufgegeben wurde. Dieser Vorteil verband sich später mit einem Nachteil, denn im Lauf der Jahre wurde der Segen hoher Produktion in der Milchwirtschaft zum Pro­ blem. Kleinräumige Vermark­ tung mit höchstens inländi­ schem Wettbewerb weiträumigem druck weichen und endlich Arbeit bevölkert. Eine kleine Almhütte bildet die Bekrönung des Berges an­ stelle der traditionellen Stadt Jerusalem. Bis heute hat die, von Rosa Haas alljährlich am 24. Dezember aufgestellte Krippe in der Stube ihren Eh­ renplatz. Dr. Gertrud Heß-Haberlandt, geborene Wienerin, seit der Kindheit mit dem Kitzbüheler Raum eng verbunden, ent­ stammt einer um die Volkskunde Österreichs hochverdienten Fa- Die behutsame Wohnlichma- milie. Ihr Großvater Michael chung der alten Küche in Vor- Haberlandt war der Gründer dererb hat Josef Haas noch er- des Österreichischen Museums lebt, nicht mehr jene der Stube, für Volkskunde in Wien. In ihrer Sie gewann durch Wärmedäm- Dissertation “Kulturgeographie mung und eine Vertäfelung mit der Kitzbüheler Landschaft ” altem Haus aus dem eigenen (1947) und vor allem in “Bau- Hof an winterlicher Behaglich- ernleben. Eine Volkskunde des keit. Nun ist sie Mittelpunkt der Kitzbüheler Raumes ” (1988, groß gewordenen Familie mit mehrere Auflagen) hat sie die nach und nach fünf Kindern Kulturlandschaft, die sie mit der und der hintergebenen Bäurin Familie erwandert und er- und vielfachen Godin Rosa forscht hat, in Dokumenten - Haas. Befreit von der Last das Bildmaterial des Heimatbu- schwerer Arbeit vieler Jahre, ches besonderer Art stammt hilft sie aber noch immer mit vom Sohn Michael, die Zeich- vielerlei Tätigkeiten im ganzen nungen von Prof Ernst Heß und Dorothea Koch - dargestellt. Ei- Josef Haas, der erste Tage- ne wesentliche Grundlage für buchschreiber wäre mit seinen die Arbeit waren die Tage- Nachkommen und jetzt ihrem bücher des Vordererbbauern Jo- Hof, “dem hölzernen vorder sef Haas (1863 -1939) und sei- Erb” wohl zufrieden. Er hatte nes Sohnes Josef Haas jun. sich zeitlebens als verantwor- (1918 - 1989) im Kitzbüheler tungsvoller Bauern zwischen Bichlach. musste Konkurrenz­ steht nun der Staat selbst als EU-Mitglied der wirtschaftli­ chen Öffnung für alle Nah­ rungsmittel- und Gebrauchsgut­ teilweise erzeugmssen Billigstpreisen gegenüber. Was bedeutet das für die, hauptsäch­ lich auf Milchwirtschaft ausge­ richtete, bodenständige bäuerli­ che Bevölkerung? Aus dem “Muss” der Milchlieferung wurde ein streng kontingentier­ tes “Darf” zu knappen Fixprei­ sen. Dem solcherart begrenzten bäuerlichen Einkommen stand zu Haushalt. und steht steigender Geldbedarf für landwirtschaftliche Maschi­ nen gegenüber. Diese ständig wachsende Industrie bietet im­ mer neue Modelle an, schneller.
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