Kitzbüheler Anzeiger

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Haus Dr Plahl - nach außen hin flach, öffnet es sich zum Garten. SEITE 46 LOKAL-ANZEIGER DONNERSTAG, 14. DEZEMBER 2000 Der Charakter eines Hauses Das Haus Dr. Plahl aus dem Jahre 19341 ist Kitzbühels be- deutendstes Bauwerk der Mo- derne. Ei stammt von dem serierzeit international wohl renommiertesten Architekten Osterreichs. Lois Welzenba- cher. Dc- Chefredakteur einer führenden österreichischen Ar- chitekurzritschrift meinte kürzlich: "Kaum jemand sreitet angesicnts der technischen Möglichkeiten heute nocri üb die kulturkämpferisch dramaii- sierten Banalitäten vor. Sa:tel- unc Flachdach." Außerhah von Archite ktu-Insiderkreisen schnint dies iedoch nicht zuzu- treffen. Flachdächer bei Baiten außerhalb "on größeren Stdtc-ri erhitzen heute noch die Gemü- ter. Dies git besonders auch für Kitzbühel. Man denke nur an die D:skussinen um das gerace in Ent1ehung begriffene neue Burnlesamtsgebäude für die Gen:larmetie und Finanz. In diesem Zusammenhang ist ein Kitzbihe1er Haus zu nennen. welches nittlerweile schon 70 Jahre alt ist, dessen Bauwise weiterhin aber auf Verständnis- schwinrigkeiten - mit Ausnali- mc von zahlreichen Archi:ek- turs:deuten - stößt. Das Haus für den Statarzt Dr. Plahl in der Franz-Reisch- Strasse 13 löste zur Zeit seiner Erbauung im Jahre 1930 zwar ebenfalls Diskussionen aus, doch gab es immerhin eine dif- ferenzierte Auseinandersetzung mit seiner "modernen" Archi- tektur. 1930 reichte Lois Weh- zenbacher - damals am Zenit seiner baukünstlerischen Be- deutung - einen Bauplan ein, der ein Pultdach und eine bunte Fassadenfärbelung vorsah. Al- fons Walde, der für den Tiroler Heimatschutzverein Stellun- gnahmen bei Neu- und Umbau- ten abgab, hielt in diesem Falle im Jänner 1930 fest: "Der Neu- bau Dr. Phahl ist zwar von mo- derner Problematik erfüllt, be- deutet aber keinen Fremdkörper in der Tirolerischen Land- schaft" Die Landesleitung des Heimatschutzvereines schrieb an den Kitzbüheler Bürgermei- ster, dass das Projekt neue, nicht bodenständige Formen zeige. Diese Formen würden aber nicht ein Satteldach vertra- gen, weil ein solches nicht dem Charakter des Hauses ent- spräche. Deshalb sei eine ent- sprechende Planänderung abzu- lehnen. Es wurde ein Zeltdach vorgeschlagen, welches in fla- cher Form ausgeführt wurde. In der bisherigen Welzenba- eher-Literatur wurde das Haus Plahl nur sehr spärlich bearbei- tet. Offenbar unbekannt ist ein weiterer (undatierter) Entwurf, der für österreichische Verhält- nisse von ungewöhnlicher Mo- dernität ist. Die Merkmale des sogenannten "Internationalen Stils" werden hier exemplarisch verwendet, wie Flachdach, an- einandergereihte Fenster (soge- nannte Fensterbänder) oder weiße Fassadenhaut. Im er- wähnten Entwurf präsentiert sich die Strassenseite recht- eckig und eben. Die linke Seite der Fassade ist völlig fensterlos, rechts wird das oberste Fenster bis ans äußerste Eck gedrängt. Trotzdem wirkt diese Ansicht nicht willkürlich, sondern wird sichtbar durch eine aufsteigen- de Diagonale geordnet. Der realisierte Bau führt die diagonale Komposition weniger streng aus. Trotzdem: Es lässt sich im gesamten Bezirk Kitz- bühel bis weit in unsere Zeit herauf kein weiterer Bau fin- den, der an die moderne Gestal- tungsweise dieses Hauses her- anreicht. Der ausgeführte Bau perfek- tioniert den logischen Aufbau dss Entwurfs: das Gebäude ist an den rechten Grundstücks- rand gerückt. Die Seiten zur Grundstücksgrenze und Stras- senseite bleiben flach und ver- schlossen. Die besonnte Süd- und Ostseite öffnet sich hinge- gen plastisch in Hakenform zum Garten hin. Ganz oben im (ursprünglichen) Kinderbereich befindet sich eine Dachterrasse, abgestützt durch Rundsäulen - ebenfalls ein Requisit des "In- ternationalen Stils". Ursprüng- lich war im Sinne der Moderne daran gedacht, den Balkon mit einem horizontalen Stahlgelän- der zu versehen. Wer war der Bauherr, der Welzenbacher mit einem Bau für Kitzbühel beauftragte? Dr. Friedrich Plahl war kein Einhei- mischer. Er stammte aus bür- gerlichen Verhältnissen. Die Fa- milie stammte aus Böhmen. Er selbst war in Rovereto geboren. Das Zustandekommen des Kon- taktes zu Lois Welzenbacher ist nicht genau überliefert. Wahr- scheinlich ergab sich dieser über den gemeinsamen Bekann- ten Albin Egger-Lienz. Aus architekturhistorischer Sicht ist das Haus Dr. Plahl ein Glücksfall für Kitzbühel. Es hat sich - im Gegenteil zu Welzen- bachers bekannten zweiten Kitzbüheler Bau, dem Tanzcaf Reisch (1928) - einschließlich einzelner schlichter Einrich- tungsgegenstände (Beleuch- tungskörper) nahezu unverän- dert erhalten. Stefan Plischke Lois Welzenbacher (München 1889-Absam 1955) Studium Technische Hoch- schule München. 1919-32 Atelier in lnnsbruck. 1930- 32 wichtigste Bauwerke: Turmhotel Seeber, Hall; Adarnbräu, Ibk. 1932 einzi- ger Österreicher neben Le Corbusier und Bauhaus-Ar- chitekten in Ausstellung "The International Style" (New York). Damals wohl aner- kanntester österr. Architekt. Mitte 30er Jahre vermehrte Bautätigkeit in Deutschland. Hinwendung zu einem regio- nalistischen Formenvokabu- lar. 193945 Architekt der Flugzeugwerke Siebel. Nach dem Krieg Professor an der Akademie (Wien). 1949/50 au Cafe Greif, Ibk.
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