Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 35 Lokal-Anzeiger Donnerstag, 31. Mai 2001 sich die Stadt zu einem der Zen­ tren barocker Spielkultur ent­ wickelt. Im 17. imd 18. Jahr­ hundert sind für Kitzbühel und St. Johann 64 Passionsspiele si­ cher bezeugt, dazu kommen über 100 Karfreitagsprozessio­ nen und wurden auch zu ande­ ren kirchlichen Festtagen, z. Bsp. am Rosenkranzfest oder zu Christi Himmelfahrt Prozes­ sionen organisiert. Insbesondere Karfreitagsprozessionen mittein die zeitgenössischen Zeugnisse Bilder, die uns Heu­ tigen kaum glaublich erschei­ nen wollen: Trompeter und Pau­ kenschläger fuhren den Zug durch die Stadt an, denen (ab 1705 sicher bezeugt) berittene Kriegsknechte folgen. Verschie­ dene Gruppen stellen in leben­ den Szenen die Stationen des Leidens Christi dar. Das ein­ drucksvollste und erschütternd­ ste Zeugnis barocker Frömmig­ keit legen aber die ebenfalls mitwirkenden "Büßer, Kreuz­ zieher und Geißler" ab. Letztere haben sich lange vor Beginn der Prozession in der Bruder­ schaftsstube einzufinden, wo sich ein blutiges Schauspiel vollzieht. Geißeln mit Haken aus Eisen oder Messing dienen den Bußfertigen dazu, solange auf ihren Oberkörper einzu­ schlagen, bis diese über imd über voll Blut sind. An der Pro­ zession nehmen sie in blut- durchtränkten Kutten mit über­ gezogener Kapuze teil, die ihre Anonymität garantieren soll. Zeitpunkt über die Grenzen des Landes hinaus bekannt und mit ihm Kitzbühel als barockes Kunstzentrum etabliert. Passionsspiele und Prozessionen ■ ■ ^ MV W'- Die bildende Kirnst des in Kitzbühel vor allem durch die Familie Faistenberger vertrete­ nen Barock ist sichtbarer Aus­ druck einer neuen Glaubens­ und Lebensauffassung, die nicht zuletzt in der Ende des 16. Jahrhunderts einsetzenden Ge­ genreformation gründet. Nach ersten Versuchen, ketzerische Brüder, gemeint sind im Raum Kitzbühel vor allem Protestan­ ten und Wiedertäufer, zu sam­ meln und zu verbreimen sowie die "unverschämten Konkubi­ nate" der Priester zu beenden, wird die Offensive der Gegen­ reformation mit der Niederlas­ sung der Dominikaner in Kitz­ bühel im Jahre 1640 verstärkt. Bei dem Bestreben, eine neue - "rechtmäßige" - Frömmigkeit in das Volk zu tragen, kommt den in dieser Zeit eingeführten Rosenkranzbruderschaften eine zentrale Rolle zu. Unter Voraus­ setzung, dass Ablässe geleistet werden, dürfen ihre Mitglieder eine Linderung der Fegefeuer­ qualen erhoffen. Naeh außen hin treten die Bruderschaften vor allem als Organisatoren von Passionsspielen und Prozessio­ nen in Erscheinung. Die beson­ ders rührige Kitzbüheler Rosen­ kranzbruderschaft wird sehr schnell nicht nur zum Kristalli­ sationspunkt katholischer Glau- bensemeuerung, sondern auch zum Mittelpunkt des gesell­ schaftlichen Lebens und trägt entscheidend dazu bei, dass den von f: ver- m %■ : Zmßlade des Siebenerlei Handwerks (Ende 17. Jhd.), heute im Foto: Lazzari Museum Kitzbühel. Schaft. Unverzichtbar wird er aber vor allem als Organisator der Passionsspiele und Prozes­ sionen, weil es ihm gelingt, den in seiner Malerei meisterhaft vcrexerzierten Sinn für theatra­ lische Inszenierungen gekonnt auf das Schauspiel zu übertra- quien", auch die Ordnungen der in dieser Zeit aafblühenden Zünfte. Die 1627 au^estellte Ordnung des "Sieben Hand­ werk zu Kitzbühel*. deren Zunftlade sich heure im Muse­ um Kitzbühel befindet, schreibt ihren Mitgliedern etwa den Be­ such der Gottesdienste, das Ge­ bet für die Verstorbenen, die Teilnahme an den kirchlichen Prozessionen und viele weitere religiöse Pflichten vor. Kitzbühel mag auf diese Wei­ se zur Bühne und Kulisse ba­ rocker Dramatik geworden sein, als in den 1720er Jahren nach Wander- und Lehiiahren jener Mann auf eben diese Bühne zurückkehrt, in dessen Schaffen sich bildende und Schauspiel­ kunst zu einem abschließendem fulminanten Höhe- und End- purJrt zugleich vereinigen. Simon Benedikt Faistenberger, Spross der Künstlerfamilie Fai­ stenberger in der mittlerweile vierten Generation, wird sehr bald nach seiner Rückkehr Mit­ glied, später Präfekt und Kas­ sier der Rosenkranzbruder­ gen. Als bildender Künstler avan­ ciert Simon Benedikt Faisten­ berger zum bedeutendsten Ma­ ler des Tiroler Unterlandes Auf seine Fresken trifft man in der Liebfrauenkirche oder der Nepomukkapelle in Kitzbüoel ebenso wie in den Pfarrkirchen von Jochbeig, St. Johann oder Rattenberg, ijm nur einige Bei­ spiele zu nennen. Gemeinsam mit dem aus Schwaz zugezoge­ nen Baumeister Kassian Singer, als dessen Hauptwerk die Pfarr­ kirche von Hopfgarten gilt, und dem Bildhauer Josef Martin Lengauer sollte er die Kilz- bühelsr Barockkunst um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu ihrer letzten großen Blüte führen. Barocke Lebensart und Dramatik 1707 wird ein Comedi-Haus erbaut, das - einzigartig in Tirol - ausschließlich dem Volks­ schauspiel gewidmet ist. Bis 1799 werden dort neben den Passionsspielen auch sogenann­ te Comedien aufgeführt, die freilich weniger als Komödien im heutigen Sinn, denn als Ba­ rockdramen mit religiös-beleh­ rendem Inhalt zu verstehen sind. Wie sehr das damalige Le­ ben generell von Glaube und (katholischer) Kirche geprägt wurde, zeigen neben der Orien­ tierung des bäuerlichen wie bürgerlichen Lebens am kirchli­ chen Kalender oder zahllosen kleinen Zeugnissen Volksfföm- migkeit wie Votivbildem, "Reli- Fortsetzung am 7. Juni : m Unterstützen Sie den Förderverein Musenm Kitzbühel Gegründet, um die Wiedereröffnung des Museums Kitzbühel zu ermöglichen (Proponentenkomitee: Signe Kramheller- Reisch, Dr. Michael Huber, Mag. Manfred Filzer) Um Unterstützung wird gebeten in Form von Mitgliedschaft und/oder Spende, brähere Informationen erhalten Sie bei Signe Kramheller-Reisch. Tel. C5356/65252. Bankverbindungen: Raiffeisen-Bank: BLZ 36263 • Kto-\r. 507400 Sparkasse der Stadt Kitzbühei: BLZ 20505 • Kto-Nr. 0000-030999 Bank für Tirol luVerariberg: BLZ 16430 • Kto-Nr. 143-123049 %';.V I I.' .V Votivbild mit Mutter Gottes und dem Hl. Silvester - Ausdruck barocker Frömmigkeit, Foto: Museum Kitzbühel
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