Kitzbüheler Anzeiger

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Donnerstag, 25. Oktober 2001 Lokal-Anzeiger Seite 25 - ein 5.000 Jahre altes Fest Verwandte), auch wenn ein Zu- sammentreflfen vermieden wur­ de. Für das Verkleiden gibt es einfachere Erklärungen, vor al­ lem diejenige, dass man weni­ ger Scheu vor etwas haben muss, in dessen Haut man schon einmal gesteckt hat bzw. erfolgt durch das Nachmachen auch eine gewisse Verniedli­ chung. In jedem Fall steckt im Verkleiden sicherlich mehr Of- fensiv-Strategie als Angst. Dar­ über hinaus waren in der Nacht zu Samhain aus rein prakti­ schen Gründen zahlreiche Be­ dürftige unterwegs - imd denen fiel es aufgrund zerlumpter Kleidung nicht schwer, “gei­ sterhaft” zu wirken. zumindest im Gebiet der heuti- sich auf den Weg in die Hölle, gen USA. Der Herrschaft der um dort Einlass zu begehren. Anglikanischen Kirche Entron- Aber selbst der Teufel mochte nene (vorwiegend Iren) kehrten den hinterhältigen Burschen sukzessive zum alten Brauch- nicht - also trat er ihm unter- tum zurück und haben es ledig- wegs entgegen und drückte ihm lieh erheblich modernisiert und ein Stück Kohle in die Hand (ob das heutige Halloween in den als Bestechung oder zur Ab­ USA daraus gemacht: Ein schreckung, sagt die Legende durchaus nicht christliches Fest, nicht). So zog Jack von dannen, Jedenfalls entspricht die gera- platzierte die doch etwas un- dezu gigantische Feststimmung gemütliche Kohle in einer aus- zu Halloween wohl kaum gehöhlten Rübe und wandert seitdem ruhelos herum, auf der Suche nach einem Platz, wo er den Rest seines Todes zubrin­ gen könnte. Nicht etwa, dass die Menschen Jack um sein Schick­ sal allzusehr beneideten - aber immerhin leiteten sie aus den Ereignissen rund um den Alten ab, dass ein brennendes Stück sant, par distance zu beobach- Kohle in einer Rübe den Teufel ten, wie verschiedene christli- (und damit wohl auch alle bö- und sen Geister) abhalten könne. Der Brauch (Jack O'Lantem) wurde von den irischen Ein­ christlichen Vorstellungen, aber wer kann es den Amerikanern verdenken: Mangels eines Kar­ nevals oder Faschings, müssen die Amerikaner ihre Ausgelas­ senheit und ihr närrisches Trei­ ben in eine einzige Nacht ver­ packen - in Halloween eben. Es ist schon ein wenig amü- ziehen Kinder in allerlei gruse­ ligen Verkleidungen aus, um von ihrem Recht, in der Nach­ barschaft Süßigkeiten zu erbit­ ten, Gebrauch zu machen. Da sich auch durchaus schon etwas ältere Kinder am Einsammeln beteiligen, kam sich die Spen­ denforderung und -annahme an der Haustür über eine geraume Anzahl wn Stunden am Tag hinziehen, bis in den späten Abend. In jedem FaT ist Trick or treat auf die Grundlagen des heid­ nisch-irischen Samhain - eben­ falls am 31. Oktober gefeiert und mit einer 5.000 Jahre alten Tradition ausgestattet - zurück­ zuführen. An diesem Tag wur­ den, nebst einer Reihe von an­ deren Handlungen, allerlei Leckerei­ en für dis To:en bereitgestellt, denen an diesem Tag Ausgang gewährt wird, um an ihre frühe­ ren Aufenthaltsorte als Lebende zurückzukehren. Diese Wesen sollten davon abgehalten wer­ den, irgendwelchen Schaden anzurichten, weshalb man ver­ suchte, sie durch Gaben, vor al­ lem kulinarischer Natur, ge­ neigt zu machen. Das machren sich arme, hungrige Mitbürger zunutze. Sie verkleideten sich schaurig, um solcherart berechtigt zu scheinen, die bereitgestellten Gaben zu verzehren. Das blieb natürhch nicht verborgen, also stellten gutmütige Habende Zu­ sätzliches (dumb supper) für die Nichtshabenden zur Verfügung. Das lässt sich jetzt 1:1 auf die Youngsters übertragen: Die ha­ ben nämlich auch Ausgang er­ halten, uri sich gegen den Erhalt von Leckereien davon abhalten zu lassen, Schabernack anzustel­ len. Und das tun Sie mit der For­ derung “Trick or treat”. Christianisierung von Samhain Gemeinschaften Kirchen der USA bemüht sind, wenigstens noch etwas zu retten ohne gegen die übermächtigen Wölfe zu heulen und darum kämpfen, wenigstens den Jack O'Lantem, den durch und durch heidnischen Halloween-Kürbis, zu einem christlichen Symbol umzugestalten und den Kürbis mit ausgeschnitztem Kreuz zu propagieren. che Lange noch bevor im 16. Jahrhundert die Erobemng des amerikanischen Kontinents im Namen der Kirche mit barbari­ scher Gewalt und unter Ausrot­ tung bodenständigen religiösen Brauchtums vollzogen wurde, befleißigten sich die geistlichen Würdenträger schlauerer Me­ thoden, um die Christianisie­ rung voranzutreiben: Da es na­ hezu unmöglich war, die Menschen, die zwar grundsätz­ lich geneigt waren, den neuen Glauben freiwillig anzuneh­ men, auch davon zu überzeu­ gen, von ihren alten heidni­ schen Bräuchen zu lassen, wurden alle wesentlichen Feste des Jahres ganz einfach auf christlich umgepolt. Das Fest Allerheiligen wurde im siebten Jahrhundert von Papst Bonifaz IV geschaffen, weil es durch die zahlreichen Heilig-Sprechungen der Kirche bereits mehr Heilige als Tage im Jahr gab. Doch die Toleranz gegenüber dem Althergebrachten (weil Heidnischem) hielt nicht an und weil sich der Samhain-Gedanke partout nicht zurückdrängen lassen wollte, führten die Prote­ stanten, in deren Herrschaftsge­ biet die keltischen Bräuche fie­ len, im 16. Jahrhundert All Hallowed Evening (verkürzt Hallowe'en - zu deutsch aller Heiligen Abend) als christliche Feier ein. Jedoch auch dieser Versuch scheiterte auf Dauer, traditionellen Die Legende von Jack O’Lantem Dereinst soll ein ziemlich bösartiger alter Mann namens Jack gelebt haben. Als er dies nicht mehr tat (leben) und seine Reise in die Ewigkeit antreten musste, wurde er verständli­ cherweise nicht in den Himmel eingelassen. Ergeben machte Wanderern in die USA mitge­ nommen und dort wie alles Brauchtum aus der alten Hei­ mat hochgehalten und sogar noch ausgehaut: Hier fand man, dass der in Amerika heimische Kürbis - da wesentlich größer und auch leichter zu bearbeiten - besser als Jack O'Lantem ge­ eignet sei, als die alte Rübe. Und gerade wegen der neuen Gestaltungsmöglichkeiten wur­ de die geisterverscheuchenden Leuchte mit einer neuen Funkti­ on versehen: als mehr oder we­ niger Kunstobjekt. Trick Or Treat Nicht immer, wenn in den USA dieser Schlachtmf ertönt, löst das helle Freude aus. Schon am Nachmittag des 31. Oktober
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