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Seite 48 Lokal-Anzeiger Donnerstag, 20. Dezember 2001 Das Christkind ist tot! Vermutlich hätte ich mich gar nie so intensiv damit be schäftigt, hätte ich nicht ei nen kleinen Sohn, dem ich den wunderbaren Brauch des erhaschen - Christkindes näher bringen Schlüsselloch, möchte. Aber es ist sehr natürlich auch zugeklebt schwierig, ihm das Christ- war. Die roten Wangen von kind nahe bringen zu kön- uns Kindern wurden immer nen. Dieses kleine, zierliche, roter und die Spannung stieg zerbrechliche Geschöpf wird von Minute zu Minute; in von einem dicken, plumpen manchen Familien gab es rotgekleideten Mann mit dann auch noch den peini- weißem Bart aufs Ärgste genden Brauch, die traditio- ver- und bedrängt. Mit dem Coca Cola Werbeslogan "ta ste knows no season" hielt der Weihnachtsmann Einzug in unser Gebiet - im "heili gen Land Tirol" hat das Christkind keinen Platz mehr! Ich erinnere mich mit Wehmut, aber auch großer Freude an meine Kindheit, daran dass sich in immer kürzer werdenden Abstän den kleine goldene Haar strähnen in unserem Haus in irgendeinem Schlüsselloch verfingen. Oder man mir er zählte, meist war es eine kla re kalte Winternacht, dass jetzt die Englein ganz fleißig in der Himmelswerkstatt des Christkindes sind, alle Geschenke für die "braven" Kinder dieser Welt fertigzustellen, dass sie das liebe Christkind rechtzeitig am Abend des 24. Dezember wieder an der Tür heimlich vorbeischlich, um vielleicht doch einen Blick des "himmlischen Wesens" zu durch das welches chen Klang eines Glöckleins vernehmen und schritten alle gemeinsam ins Wohnzimmer - das Fenster war noch einen Spalt geöffnet. Das Christ kind war schon wieder wei tergeflogen. Aber es hat uns einen schmückten Christbaum mit glitzernden Kugeln und Sternspritzern dagelassen. Und unter dem Baum lagen schön verpackte Geschenke. Um die ging es aber in die- Aber wo ist das Mysterium "Christkind" geblieben? Hat es uns ein für allemal durch diesen kleinen Spalt im Fen ster verlassen? Ist es zu schwach und zerbrechlich, sich dem Weihnachtsmann entgegenzusetzen? Wo ist unsere Tradition und sind wir das nicht unseren Kin dern schuldig, dass wir ih nen weiterhin diese anmuti gen Geschichten vom Christkindl erzählen? Bei meinen Recherchen bin ich auf einen ganz tollen Verein gestoßen: Pro-Christ kind. Ich habe mich so ge freut und mich sofort mit den Prämonstratenserpatres im Stift Wüten in Verbin dung gesetzt. Der Verein hat großen Zuspruch gefunden. (Gelungene Stickers und gute Homepage! actionURI(http://www.pro-ehristkind.org):www.pro- actionURI(http://www.pro-ehristkind.org): actionURI(http://www.pro-ehristkind.org):ehristkind.org). Was ich zu sätzlich vermisse, ist dass man kaum mehr ein Buch für Kinder findet, in dem das Christkind für die weih nachtlichen Geschenke ver antwortlich ist. Ja klar, der Weihnachtsmann ist ein kräftiger Kerl, der setzt ei nem kleinen "beflügelten" Dingerchen sicher ganz schön zu, aber wie ich neu lich in einem Kinderbuch vom Weihnachtsmann las, hat letzterer sogar eine Ma nagerin.... Ist das notwendig und müssen wir unsere Kleinen schon jetzt mit diesem ganzen Managerkram bela sten - wo sind die hilfrei chen Engelchen geblieben - eine "Weihnachtsmannma nagerin" hat sie alle vertrie ben. wunderbar ge- beschäftigt unter die schön geschmück- nelle Nudelsuppe mit Würstl ten Christbäume legen kann, vor der Bescherung zu essen Natürlich hat man irgend wo im Haus einen Spalt ei nes Fensters offengelassen sen runter und jeder hypnoti- (auch wenn es minus 20°C hatte), damit das Christkind Familienmitglieder, die es hereinfliegen konnte. Der nicht so eilig hatten, wann Christbaum wurde mit denn endlich der letzte Trop- Decken und Leintüchern fen Suppe geleert sei. Und dann irgendwann - die Wan gen waren inzwischen dun- tigerweise den ganzen Tag kelrot - sagte Papa die erlö- verschlossen, niemand woll te wissen, wo der Schlüssel ist (und die Mama bekam man auch den ganzen Tag bis zum späten Nachmittag nicht zu sehen). Ich erinnere mich an das Rascheln im Wohnzimmer, als ich immer sem Moment gar nicht mehr; das "Christkind" war da! Diese Tatsache beschäftigte uns weit mehr. Sicher ist es heute weit einfacher, man darf dem Weihnachtsmann tagsüber helfen, den Christbaum zu schmücken, die Kinder dür fen bei dieser Arbeit sogar mithelfen. Irgendwann am Nachmittag, wenn hoffent lich (oder garantiert ?) kei ner im Haus ist, kann sich der Weihnachtsmann durch sämtliche Kamine zwängen und für die Kinder die Ge schenke unterm Baum ver teilen. Der Aufwand ist freilich geringer. - und von uns Kindern brachte eh keiner einen Bis- sierte den Löffel der älteren Ich stimme den Patres vom Stift Wüten mit hundert Pro zent zu, wenn sie sagen: "Der Weihnachtsmann ist al so ein typisches Beispiel der Sinnentleerung alter religiö ser Bräuche in einem sekula- risierten Zeitalter." Gebt dem Weihnachts mann keine Chance - lasst das Christkind nicht sterben! Sonja Palma verhängt, die Tür zum Raum der Bescherung war eigenar- senden Worte: "Ich geh einmal an die Wohnzimmer türe - vielleicht kann man etwas hören." Das war bei uns immer das unumstrittene Privileg vom Papa - und er hatte immer gute Ohren - wir alle konnten den liebli-
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