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Donnirstag, 15. Februar 2001 Lokal-Anzeiger Seite 4 BSE-Krise und Schweineskandal als Existenzbedrohung für unsere Bauern? BEZIRK KITZBÜHEL. Immer weitere Kreise, auch in der heimischen Landwirtschaft, ziehen die BSE-Krise und der Schweine-Skandal. Die Preise sind teilweise dramtisch gefallen und die Verunsicherung bei den Konsumenten ist allseits spür bar. Für die Bauern aber auch die Politiker gilt es nun, Auswe ge zu suchen und mögliche Strategien für die Zukunft zu ent wickeln. EU-Agrarkommissar Franz Fischler hat in Straßburg gerade ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des europäi schen Rindfleischmarktes präsentiert. Die beiden zentralen Punkte beinhalten eine langfristige Reduzierung der Rind fleischproduktion sowie eine verstärkte Förderung der biologi schen Landwirtschaft. Der Kitzbüheler Anzeiger sprach mit dem Biobauem Johann Erber aus Aurach und mit Bauernbun dobmann, VP-Landtagsabgeordneten Sepp Hechenbichler über die konkreten Auswirkungen und möglichen Zukunftsperspek- Susanne Radke tiven für die Bauern des Bezirkes. trem. Der Preisverfall beträgt ein Drittel, bei den Kälbern so gar die Hälfte. Auch bei den Versteigerungen war der Preis verfall so stark, dass 60 Besitzer ihre Tiere nicht abgaben. Das Schlachtvieh bleibt in den Stäl len stehen, weil die Schlacht stellen übervorsichtig geworden sind. Hier möchte ich die aus drückliche Bitte aussprechen, bald wieder wie gewohnt zu schlachten, denn selbst wenn ein BSE-Fall auftreten sollte, müsste man deshalb den Schlachthof nicht schließen. K. A.: Wie stehen Sie zu den geplanten Massentierschlach tungen? S. H.: Weim alle Staaten ihre Tiere schlachten müssen, dann kann sich auch Österreich nicht ausschließen. Das würden dann etwa 150.000 Stück sein. Ich finde das Vorgehen fragwürdig und wäre aus ethischen Grün den und aus meiner grundsätzli chen Einstellung gegenüber einem hochwertigen Lebens mittel dafür, das Fleisch zumin dest in die ärmsten Länder zu liefern. In Form von Dörr fleisch und Konserven wäre das möglich, wobei man darauf achten müsste, nur in solche Länder zu liefern, wo keine ein heimische Landwirtschafts struktur dadurch gestört würde. Ein solches Vorgehen ist zwar teuer, ich werde mich aber trotzdem dafür einsetzen. K. A.: Welche Maßnahmen will man von offizieller Seite zur Preisverbesserung treffen? S. H.: Es ist zwar zu erwarten, dass der Tiefstpreis bald über wunden wird, aber der Eine solche Bauemhof-Idylle, wie sie für die Tiere bei der Familie Erber in Aurach besteht, ist heute nur noch selten zu finaen. (sura) sind jetzt zwar hellhörig gewor den, aber ob sich auf lange Sicht positive Auswirkungen für die Biobauem zeigen, wage ich nicht zu sagen. Weil das Vieh in den Ställen stehen bleibt, wird das Heu mndherum knapp und gerade ein Biobauer muss sehr teures Futter zukaufen. Der derzeitige Abs atzstillstand wirft bei vielen Bauern die ganze Planung über den Haufen. Mit drei bis vier verkauften Ochsen pro Jahr und mit dem Huber-Metzger als ver lässlichen Partner haben wir zwar noch kein Problem, wer den diesmal aber auch keine Kälber aufziehen.” Ein ausschlaggebender Fakt, der vom Bauembundobmaim angssprochen wurde, wird auch von Anna Steiner, Obfrau der ARGE Landwirtschaftsmeister, bestätigt: “Wir müssen endlich gewisse Leistungsgrenzen ak zeptieren. Hatte man vor Jahren nocn eine Milchleistung von 4000 Litem/Jahr wird jetzt die 10.000 Liter Leistung ange- strebt. Das ist mit Grundfutter, also Heu und Silage, verbunden mit Weidefutter, nicht zu errei chen. Auch wird ein nerkömm- lich gefuttertes Schwein bis zur Schlachtung 9-12 Monate alt. Die angestrebte 100 Tage Sau mit einer Gewichtszunahme von 1 kg pro Tag kann nur mit speziellen Futtermischungen erreicht werden!” Ob ein solches Umdenken tatsächlich einsetzt, wird die Zukunft weisen.... Fleischüberhang wird sich nicht auflösen. Da der Großhandel und der Konsument eine Mit verantwortung an den Proble men tragen, wird letztlich auch der Verbraucher zahlen müssen. Wir müssen das Vertrauen in das Lebensmittel Fleisch wie derherstellen und damit zu gleich eine Schärfung des Be wusstseins in den eigenen Reihen anregen. Einen neuen Tiergesundheitsdiens: heiße ich gm, er soll aber nicht nur als Kontrollinstanz wirken, son dern vor allem auch beratend!” Sepp Hechenbichler hofft auf Bewusstseinsbildung. (sura) Auf mehr Information, aller dings auf Konsumentenseite, setzt auch Biobauer und Lehrer Johann Erber vom Hof “Ober hechenberg”: “Ich würde mir allgemein mehr kritische Distanz zur Sen sation wünschen. Es waren vor allem Medienberichte, denen wir die Probleme zu verdanken haben. Die Konsumenten sollen sich gut informieren und genau er auswählen. Ich könnte mir in Zul-cunft folgendes Modell vor stellen, dass sich mehrere Fami lien zusammenschließen, die zum Beispiel ein Kalb kaufen wollen. Die können daim das Tier jederzeit am Hof besuchen und sich vergewissern, dass es ihm gut geht. Wir sind zwar ein Emtebetrieb mit AMA-Gütesie- gel, aber die grauslichen Bilder der letzten Zeit haben vielen Leuten im wahrsten Sinne des Wertes ihren Appetit auf Fleisch verdorben. Die Leute Kitzbüheler Anzeiger: Wie stark sind die Kitzbüheler Bau ern von der aktuellen Situation betroffen? LA Sepp Hechenbichler: Die Auswirkungen für die Bauern, speziell in unserem Be zirk, sind nicht so dramatisch wie andernorts. Es sind auch keine Schließungen von Bau ernhöfen zu erwarten. Einer seits werden bei uns Schweine mit wenigen Ausnahmen nur für den Eigenverbrauch und prak tisch nur als Bio-Schweine ge halten. Außerdem haben wir im Bezirk keine reinen Fleischbe triebe, es gibt eher Milchwirt schaft. Und schließlich haben wir in den letzten drei Jahren verstärkt auf eine Einkommens kombination aus verschiedenen Bereichen gesetzt. K. A.:Aber es gibt sicherlich negative Auswirkungen ? S. H.: Bei Rindern und Käl bern spüren wir es natürlich ex-
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