Archiv Viewer
Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Schloss Itter vermutlich kurz nach 1920. Aufnahmen (8) von dem nach Hopfgarten zugezogenen Foto- grafen H. Detert. Die Platten wurden von OSR Alfons Plattner gerettet. Heimatkundliche Beilage des "Anzeiger" mit Beiträgen über Volkstum, Geschichte, Volksleben, Kultur und Natur Schriftleitung Hans Wirtenberger Nr. 4/2002 12. Jahrgang Zum romantischen Unikum verunstaltet Episoden aus der Geschichte des Schlosses Itter Von Hans Wirtenberger Das auf einer Terrasse zwi- schen dem ins Söliland führen- den Mühltal und dem Brixental liegende Dorf Itter wurde 902 als Ittaradorf im Besitz der Ra- patonen erwähnt und wurde vor 1100 Jahren den Bischöfen von Regensburg übergeben. Das Schicksal des Dorfes wurde von der Burg bestimmt, die als Sitz der Herrschaft im Brixental ei- ne wichtige Rolle spielte, weil es der Verwaltungssitz zuerst der Rapotonen, dann der Re- gensburger Herrschaft und schließlich des geistlichen Für- stentums Salzburg war, das es bis 1805 besaß. Der Verfall hat- te 1669 begonnen, als die Ver- waltung nach Hopfgarten ver- legt worden war. 1809 wurde das Schloss an die Gemeinde um 15 Gulden verkauft. Aus der reichen Geschichte von Itter wird nachstehend die Zeit von 1877 bis nach dem er- sten Weltkrieg behandelt. Das neunzehnte Jahrhundert brachte den weiteren Verfall von Schloss Itter, der an Zeich- nungen nachgewiesen ist, aber Franz Liszt (1811 - 1886), ge- nialer Pianist und Tondichter auch eine neue Blüte, die zum Wiederaufbau in einer bürgerli- chen Romantik und zu Aus- wüchsen führte, die das äußere Bild bis heute prägen und aus der Ruine ein "romantisches Unikum" (Gerhard Stenzel, 1976) machten. Der beginnende Tourismus und die herrliche Lage führten 1877/78 zu Verhandlungen zwi- schen der Gemeinde Itter und dem Münchener Bürger Paul Spieß. Er kaufte die "Halbrui- ne" (Stenzel) um 3.000 Gulden samt dem verbliebenen Um- land. Spieß wollte eine Frem- denpension mit 50 Zimmern er- richten. Voraussetzung dafür war eine großzügige Restaurie- rung, die nach Ansicht von Kunstfachleuten zu einer "ge- schmacklosen Erneuerung" (Weingartner, Tiroler Burgen, 1971) führte. Paul Spieß kaufte die Ruine am 3. Juli 1878. Er veränderte das Außere völlig, ließ das Vor- haus mit der Pförtnerwohnung abreißen, ließ überall Zinnen aufmauern und spitzbogige "gotische" Fenster ausbrechen. Der vordere Hauptturm wurde bis zu fünf Stockwerken in die Höhe geführt und in Zimmer unterteilt. Außerdem wurde ein zehn Meter hoher Spitzturm er- richtet (Tiroler Bote 1878). Der Plan des Münchener In- vestors verschlang zu große Summen und nach zwei starken Baujahren war eine Bank die Erbin, die sich umgehend um den Weiterverkauf bemühte. Die Schönheit und Herrlich- keit der Lage von Itter erfasste eine international bekannte Künstlerin, deren Name dem al- ten Sitz neuen Ruf gab. Die Pia- nistin Sophie Menter erwarb 1884 den Besitz und behielt ihn bis 1902. Wieder wurde gebaut, denn die für die Pension vorgesehe- nen Zimmer waren der Künstle- rin zu eng. Freunde und Schüler kamen in großer Zahl. Zuerst war Menter nur im Sommer in Itter, ab 1887 war das Schloss ihr ständiger Wohnsitz. Aufse- hen erregte im Jahr 1895 der Einsturz der Schlossbrücke, wodurch Menter in ihrem eige- nen Schloss eingeschlossen war. Um die Liste der Gäste in der Menter-Zeit rankt sich mancher Mythos. Richard Wagner, der 1883 verstorben ist, dürfte tatsächlich nie Gast Menters ge- wesen sein. Wohl aber war der Komponist Franz Liszt in Itter zu Besuch, er ist allerdings be- reits 1886, zwei Jahre nach dem Ankauf des Schlosses durch Menter, gestorben. Nach Anga- ben Grueners eilte Liszt "bald nach der Erwerbung in das Zau- berschloss seiner Freundin und blieb dort viele Wochen; von der Itterer Musik war er unten im Mühltal erwartet und feier- lich eingeholt worden. Wunder- volle Tage und Stunden! In den Gärten standen die Leute atem- still und andächtig, wenn die göttlichen Töne über das Land fluteten. Nie hat der alternde Liszt diese herrlichen Tage ver- gessen! Aus jedem seiner Brie-
< Page 31 | Page 33 >
< Page 31 | Page 33 >