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- . -. ! Ir. Blick von dem 2122 m hohen Lärcheck über das Kohlental hinweg in die Gegend von Schwendt und Kössen. Im Hintergrund die bayerischen Randalpenketten. Das Kohlental ist in eine geologische Ver- schiebungslinie ein getieft, welche die muldenförmige Anordnung der Gesteine des Kaisergebirges an deren Ostseite abgeschnitten und versetzt hat. Im Vordergrund der landschaftliche Gegensatz von Kalk (" Wettersteinkalk " des Lärcheck) und Dolomit an der Nordseite des Kaiserbachtales (Feldbergkamm). Auch die bewaldete Ostseite des Kohlentales (Schnappenrücken) besteht aus Dolomit. Dieses geologisch interessante Foto ist Dank des bergsteigerischen Einsatzes von Engelbert Schermer aus Schwendt zustandegekommen. 1Jt3büI eier 6 diii atbidttet Heimatkundliche Beilage des "Anzeiger" mit Beiträgen über Volkstum, Geschichte, Volksleben, Kultur und Natur Schriftleitung Hans Wirtenberger Nr. 5/2002 12. Jahrgang Ein geologisch besonders bemerkenswertes Gebiet Schwendt und Umgebung - interessanter Gebirgsbau und merkwürdige Ablagerungen eines tropischen Mittelmeeres Von Dr. Kurt Jaksch Überschaubare Gebiete mit außcrgewöhnlichem Gebirgs- bau und crdgeschichtlich viel- gestaltigen Gesteinsschichten gibt es in den Nordtiroler Kalk- alpen mehrfach. Eines dieser Gebiete findet sich am Nord- ostrand des Kai sergebirges in der Umgebung von Schwendt. Allgemeine geologische Be- urteilungen beginnen mit dem Erfassen der Gesteinsschichten, die Hinweise über den einstigen Bildungsraum und das erdge- schichtliche Zeitalter vermit- teln, setzen sich mit dem Studi- um des Gcbirgsbaues und seiner Entstehung fort und schließen mit der Beschreibung jener Vorgänge ab, die nach der Gebirgsbildung zunehmend an der Herausbildung der Land- schaftsformen beteiligt waren. Mit Ausnahme einiger erdge- schichtlich junger Bildungen, wie eiszeitliche Moränen, Hangschutt, Sand und Fluss- schotter, gingen die hier anste- henden Gesteine aus den Abla- gerungen eines alten, tropischen Mittelmeeres hervor, das als die "Wiege der Alpenge- steine" gilt. Nach Westen vor- dringend, trennte es eine einst bestehende einheitliche Konti- nentalmasse. Im Laufe von rund 200 Millionen Jahren häufte sich in diesem Meer eine enorme Sedimentmasse an. Die Geschichte des alten Mit- telmeeres, die in der wechseln- den Position von Flach- und Tiefseebereichen zum Aus- druck kommt, spiegelt sich in den hinterlassenen Ablage- rungsgesteinen wider. So sind die mächtigen Kalklagen der beiden Kaisergebirgsketten (sie werden als "Wettersteinkalk" bezeichnet) aus Flachwasserbil- dungen von Lagunen hervorge- gangen. Dolomitgestein, wel- ches die beiden Flanken des Kohlentales aufbaut, stammt aus schlechtdurchlüfteten La- gungenbereichen mit höherem Salzgehalt. Die auffallend ro- ten, als "Adneter Schichten" be- zeichneten kalkig-mergeligen Gesteine von Schwendt sind Bildungen von Schlammmas- sen, die von untermeerischen Schwellen abgeglitten sind. Das merkwürdige Gestein aber, wel- ches den Ortsbereich West-Ost verlaufend durchzieht, ist eine als "Radiolarit" bezeichnete Tiefseeablagerung. Es handelt sich um ein rotes, kantig-bre- chendes, kieseliges Gestein, an dessen Entstehung eine be- stimmte Form des Meeres- planktons, die "Radiolarien", beteiligt waren. Zu den Sedi- menten tieferer Meeresbereiche zählen auch die berühmten, der Wissenschaft schon seit 150 Jahren bekannten "Kössencr Schichten". Als Typuslokalität gilt zwar die lange Schlucht des Loferbaches zwischen Kössen und Reit im Winkl, aber Kössenerschichten gibt es auch am Südostrand von Schwendt und vor allem im Bereich der Kohlaim. Weite Teile des nördlichen Ortsran- des sowie der Einschnitt des Kohlenbaches bestehen aus Mergelgesteinen der älteren Kreidezeit. Mergel ist ein Mischgestein aus Kalk und Ton und eignet sich zur Zementherstellung. Schon vor 100 Jahren bestand hier der Plan, diese Mergelvorkommen bester Qualität zu erschließen. Die damals aber sehr ungünsti- ge Verkehrssituation hat das jedoch verhindert. Auch der Gebirgsbau, die Tektonik, ist in diesem Gebiet überaus interessant. Sie ver - mittelt uns einen Ausschnitt dessen, was im kalkalpinen Bereich bei der Gebirgsbildung vor sich gegangen ist.
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