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Mehr zur Arbeit verwendet als zum Schulbesuch Anmerkungen zur Schulgeschichte von Kranzach - Auken - Niederbichi (Kössen) Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Im Bezirk Kitzbühel haben einige Kleinschulen alle Reformen überlebt und genießen als Volksschulen in der Fraktion durch- wegs einen guten Ruf. Neben den Volksschulen Kelchsau und Penning (Gemeinde Hopfgarten), Aschau (Kirchberg), Jodler (St. Johann) und Pfaffenschwendt (Fieberbrunn) gibt es die Beson- derheit von drei Volksschulen in Kirchdorf (Dorf, Erpfendorf, Ga- steig) und eine dreiklassige Volksschule in Niederbich! (Gemein- de Küssen). Diese feiert heuer den hunderzjiihrigen Bestand des Schulgebäudes, die eigene Schule für Kranzach, Auken, Leitwang und Bichlach ist aber um einiges älter. Nachfolgend wird auf die ersten Jahrzehnte dieser Kössener Schule eingegangen. Von Hans Wirtenberger Die schulpflichtigen Kinder von Bichlach und Umgebung mussten nach Schwendt oder Walchsee zur Schule gehen, was im Winter im allgemeinen und besonders für die Jüngeren sehr schwierig war. Erst 1875 wurde in Kranzach eine Schule eröffnet. Die Erinnerung an das erste Schulgebäude ist fast ver- schwunden, wahrscheinlich war der Schulraum beim Kilian, wo heute das Angestelltenwohn- heim des Seehofs steht. Schon im folgenden Jahr kaufte die Gemeinde Kössen beim "Riedl" und dieses Haus, später Gast- hof, heute Hotel, ist im Sprach- gebrauch immer noch mit der seinerzeitigen Schule verbun- den. Der Schulraum im Altbau des Hotels ist noch erhalten. Von der "k. k. Volksschule Kranzach" sind Unterlagen ab 1876 vorhanden. Damals waren laut Katalog 22 Schüler im Winter, 15 im Sommer und vier Sonntagsschüler (Guggenbich- 1er), Lehrer Andreas Pöll hielt bezüglich der Fähigkeiten, des Fleißes und der einzelnen Lehr- gegenstände fest, dass zwei Schüler sehr viele, 14 viele, 0 hinlängliche und acht wenige Fähigkeiten aufwiesen, der Fleiß war sehr groß (3), groß (11) und mittelmäßig (8) einzu- stufen, das sittliche Betragen war sehr gut (6), gut (14) bzw. mittelmäßig (2) und in keinem Fall schulordnungswidrig, Die Klassifikation bestätigt den schon längeren Schulbesuch, denn 9 Schüler schlossen die zweiten und 3 die dritte Klasse ab. Von den 485 versäumten Schultagen waren der Großteil durch Krankheit entschuldigt, aber immerhin 165 versäumte Tage hielt der Schulleiter flur nicht entschuldbar. Der Katalog von 1876/77 ver- weist auf eine Verdoppelung der Schülerzahl (23 Knaben, 19 Mädchen) und auf ein Weiter- bestehen von unentschuldbarem Fehlen. Nun wurde in Halbta- gen abgerechnet und da waren 337 Einheiten nicht entschul- digt. Wahrscheinlich hatten bei der Errichtung der Schule in Kranzach einige Höfe noch die Möglichkeit, die Kinder in der näheren Schule in Schwendt zu belassen. Die Bichlinger waren seinerzeit für den Schulsprengel Schwendt. Ein Gesuch um stän- dige Einschulung in Schwendt wurde schon 1833 vom Land- gericht Kitzbühel abgewiesen. Bis 1877 besuchten die Bichlin- ger Kinder aber die Schule in Schwendt, wo bis 1862 nur ein "Schulgehilfe" und dann der "Notlehrer" Josef Schiechtle Dienst versahen (Egid Greil). Auf dem Katalog des Schul- jahres 1878/79 schrieb der Leh- rer erstmals von der Volksschu- le "Niederbichl (Kranzach)" Kössen. Es waren wieder 42 Schüler (27 Knaben, 15 Mädchen). Unter besonderen Bemerkungen führte Lehrer Pöll an, dass der hochwürdigste Herr Katechet J. L. bei allen Unwettern seine wöchentlich zwei Religionsstunden auf die pflichtgetreueste Weise gehal- ten habe. Zu den enorm hohen Ausfallquoten (764 Halbtage entschuldigt, 685 nicht ent- schuldbar) merkte er als Gründe an: 1. Krankheit, 2. weite Ent- fernung, 3. das schlimme Wet- ter, 4. dass davon 14 Annehm- kinder zur Arbeit mehr verwendet wurden als zum Schulbesuch. In der Statistik bestätigte Pöll aber 13 Kindern den sehr fleißigen, 14 den fleißigen, nur 8 den minder fleißigen und 4 den nachlässi- gen Schulbesuch. Wer der allererste Lehrer in Kranzach war, ist nicht mehr feststellbar. Der in seinen Außerungen recht direkte Verfasser des Füh- rers von Kössen, Nikolaus Schweinester, bemerkte dazu ein Vierteljahrhundert später, dass die erste Schule "in einem ziemlich kleinen Hause mit ei- ner wenig ausreichenden Lehr- kraft" (Führer 1904) war. Lehrer Andreas Pöll, der wahrscheinlich nicht der erste Pädagoge am Platz war, schein 1895 im Jahrbuch des Volks- schulwesens in Tirol nicht mehr auf. Die Schule führte nun die Bezeichnung "Auken (Nieder- bich!)", hatte 74 Kinder in einer Klasse und als Lehrer Jakob Naschberger, geboren 1856 in Reit, er war bereits Inhaber ei- nes Lehrbefithigungszeugnis- ses. Zum Vergleich: Die Volks- schule Kössen hatte 220 Kinder und drei Lehrkräfte (davon zwei geistliche Schwestern). Noch im Jahrbuch von 1908 steht "Auken (Niederbichl)", die Schule war trotz 86 Kindern einldassig gemischt. Lehrer war nun Anton Daum als Polling (geb. 1859), der sowohl Reife- als auch Lehrbefähigungszeug- nis vorweisen konnte. Erst im Jahrbuch 1913 heißt die Schule "Niederbichl (Au- ken)", sie hatte nur mehr 61 Kinder und der Lehrer war La- dislaus Stillebacher, ein junger Lehrer aus Hall. Er hielt der Schule bis 1945 die Treue. Vor ihm war flur nur ein Jahr Lud- wig Pürstl Schulleiter. Er be- zeichnete sich in seiner umfas- senden heimatkundlichen Schrift über den Bezirk (um 1960, unveröffentlich) als "Aus- hilfe", erinnerte sich aber an die Bezeichnung "Auken". Pürstl wurde der Gründer der Freiwil- ligen Feuerwehr Bichlach (7. Juli 1912), die schon im folgen- den Jahr ein Spritzenhaus flur die erste Handspritze erbaute (Guggcnbichler, Kössener Hei- matblatt 1987). Gut ein Jahrzehnt vor dem Spritzenhausbau wurde ein neu- es Schulgebäude flur die Frakti- on Bichlach errichtet. Beim Baubeschluss war Anton Gründler, Ruppenbauer, Vorste- her (1899 - 1902), im Jahr der Fertigstellung hatte Kössen gleich drei Vorsteher, denn auf Gründler folgte Josef Notheg- ger, Zimmermeister, und noch im gleichen Jahr ist Johann Schreder, Bauer zu Buchern, im Amt. Er war nicht nur von 1902 bis 1905, sondern wieder von 1911 bis 1914 und von 1917 bis 1919 tätig (Bürgermeisterliste im Kössener Buch). "Im Jahre 1901 entstand un- ter dem damaligen Gemeinde- vorsteher Anton Gründler nach dem von Zimmermeister Georg Pirmoser in Kufstein angefer- tigtem Plane, in Büchlach ein schöner stattlicher den hygie- nischen Ansprüchen an Raum, Luft, Sonne und Licht voll ent- sprechener Schulhausbau; der- selbe ist an schöner freier Stel- le gelegen und von einem Garten umgeben; diese Filial- schule wird von einer tüchtigen Krafi, Herrn Lehrer Daum ge- leitet." So beschrieb Schweine- ster (1904) Schule und Lehrer, wobei der Begriff Filiale inso- fern unrichtig ist, als dass kein- erlei Abhängigkeit von der von Schweinester als "Hauptschule" bezeichneten Dorfschule Kös- sen bestand. Der Bau der Niederbichler Volksschule fiel in eine Schul- bauoffensive im Bezirk. Zwi- schen 1900 ud 1906 wurden Schulhäuser in Kitzbühel, Kirchberg, Westendorf, Win- dau, Reith, Jochberg und Jodler errichtet und die Häuser in Oberndorf und Aurach erwei- tert. Trotz der beträchtlich hohen Schülerzahl knapp vor der Jahr- hundertwende wurde nur ein Klassenzimmer geplant, üblich war damals bei Schulgebäuden auf dem Land die Wohnmög- lichkeit für den Lehrer im Haus, freilich mit der Verpflichtung, zumindestens die Aufgabe eines Heizers flur den Klassenraum zu übernehmen. Die häufig mit dem Lehrerposten verbundenen Aufgaben des Mesners oder Or- ganisten fielen in dieser Schule nicht an, weil keine Kirche oder Kapelle zu versorgen war. Das Schulgebäude blieb über Jahrzehnte unverändert, erst
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