Kitzbüheler Anzeiger

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noch die Bergfilme Riefen­ stahls erlebt hatte. Das Proto­ koll vom 30. Mai 1945 hält fest, dass Riefenstahl einen “nerv­ lich völlig zerrütteten Ein­ druck” (Knopp) machte. Man habe sie gezwungen, die Reichsparteitagsfilme zu ma­ chen. Sie sei eine Verfolgte des Propagandaministeriums und habe keine Ahnung gehabt, was in den Konzentrationslagern vor sich ging. Riefenstahl kam in Innsbruck wegen eines Bla­ senleidens bald ins Krankenre­ vier und kehrte vermutlich bald nach Kitzbühel zurück, wo ihr Gatte und Mitarbeiter der Film­ firma wohnten. Ein im Jahr 1945 auf Verlan­ gen der französischen Militär­ regierung angelegte “Liste der anwesenden Reichsdeutschen” (Stadtarchiv Kitzbühel) mit 395 Namen listet als Nr. 151 “Leni Jacob (Riefenst.)” und als Nr. 152 “Karl Peter Jacob” mit Wohnsitz in Seebichl auf. Bei den Vemelummgen zeigte sich Riefenstahl vor allem in Sorge um ihr Filmprojekt “Tiefland” (Knopp). Die Unterlagen wur­ den in der Folge tatsächlich von der französischen Besatzung beschlagnahmt, Riefenstahl be­ richtete in einem Femsehreport über das Kriegsende (aufge­ nommen 1998), dass sie diese erst nach Jahren des Kampfes zurückerhielt. Das beträchtliche Vermögen Riefenstahls wurde beschlag­ nahmt. In ihrer Berliner Villa, in die sie nie zurückkehren sollte, quartierten sich fremde Leute ein. Auf der Liste von 1945 scheint die Mutter Berta Rie­ fenstahl nicht auf. Es ist daher nicht nachweisbar, ob sie be­ reits in Kitzbühel bei ihrer Tochter wohnte oder erst in de­ ren kleine Wohnung in Mün­ chen einzog. Obwohl Riefenstahl, Trägerin des goldenen Parteiabzeichens der NSDAP, überreicht von Adolf Hitler persönlich, nach­ zuweisen vermochte, dass sie nie Parteimitglied gewesen war, hatte sie es in der Nachkriegs­ zeit schwer. Das Bezirksgendar- meriekommando Kitzbühel teil­ te am 27. März 1946 der Bezirkshauptmannschaft, den Gendarmerieposten Kitzbühel und Westendorf und dem Bür­ germeisteramt in Kitzbühel "in Durchfühmng eines Befehls der höchsten militärischen französi­ schen Besatzungsbehörde für Tirol" eine Anordnung bezüg­ lich einer Umquartierang von Der Besitz vcn Josef Herold am Schwarzsee umfasste (im Bild von rechts) das Bauernhaus (kaum sicht­ bar), die Pension Seebichl (nach Brand von der heutigen Besitzerfamilie Witzmann neu gebaut), die Ba- deardagen, den Kabinentrakt und ein kleines Gasthaus (heute Alpenhotel nach Neubau durch Familie Moigg). In diesem Gebiet wohnte Leni Riefenstahl noch 1946 (s. Brief des Bezirksgendarmeriekom- mandos an die Bezirkshauptmannschaft). - Das Foto aus dem Buch "KitzbüheL Sonne und Pulver­ schnee”, 1935) zeigt ein Ölbild von Alfons Walde. Leni Pnefenstani und Gefolge mi".. D.as von Bezirkskomman­ dant Bez.Insp. Josef Gstein ge­ zeichnete Schreiben an die Be- zirkshauptrrianr. schaft darauf schlieTen, dass die Be­ satzungsbehörde Riefenstahl aus Kitzbüiiel an einen unauf- fälhgen Platz verbringen wollte Als neue Unterkunft war cns Haus Tirolerheim in Brixen :m Thale, das unm.ttelbar neben dem Gasthof Maria-Luisenbad liegt, ausersehen. Dort waren damals wie in fast allen nicht von der Besatzung beschlag­ nahmten Gastgewerbebetrieben Flüchtlinge als Dauermieter einquartiert Eriimemngen an den Aufenthalt Riefenstahls sind nicht einmal bei einer gleichzeitig im Haus unterge- brachien Fumibe vorhanden. Auch beim Gendarmerieposten Wsstendorf-Brixen sind keine Aufzeichnungen vorhanden. Möglicherweise dauerte die Verlegung nicht lange. .Am 23. Jänner 1947 verlang­ te der Commandant de Deta­ chement mobile de Controle Angaben zu einer Liste "deut­ scher Güter". Die Stadtgemein­ de lieferte sie zu 43 Namen bz-v. Firmen. Die Angaben bei Leni Risfsnslahl waren kurz: "Hat keinen Grundbesitz in Kitzbühel, sondern ist in der Pension Seebichl in Miete." (Stadtarchiv) Schon im Febru.ar 1946 waren über die Beziikshauptmann- schaft im Auftrag der französi­ schen Militärregierung alle reichsdeutschen Unternehmun­ gen zu melden gewesen. Die Stadtgemeinde lieferte eine Li­ ste mit acht Betrieben, wobei drei als Beherbergungsgewerbe registriert waren und je eines als Autountemehmung, Buch­ handlung, Sportgeschäft, Torf­ stich und eben Film-G.m.b.H. Jacob (Riefenstahl) angegeben wurden. Ein Treuhänder war nur für Sonnbühel am Hahnen­ kamm bestellt, alle übrigen In­ haber konnten ihre Betriebe selbst leiten. Das Bürgermei­ steramt hatte dagegen keine Be­ denken und meldete, dass anzu­ nehmen ist, “dass die Betriebe im österreichischen Sinn ge­ führt werden.” (Antwort vom 2. März 1946). Die Bezirkshauptmannschaft musste einen Vermögensver­ walter Vorschlägen. Den ersten lehnte die Militärregierung ab. Die Stadtgemeinde wandte sich dann an die Bezirksorganisation für Heimkehrer, die im Kol­ pinghaus ihren Sitz hatte, um einen Mann, der “irgendwie ge­ eignet” war und in keiner Weise politisch belastet sein durfte und zudem die Fähigkeiten für einen derartigen Posten besit­ zen sollte. (Stadtarchiv). Wie es weiterging ist nicht bekannt. Im Gespräch für den Posten war möglicherweise der Heimkeh­ rer Martin Wörgötter, der sich 1946 um den Pacht der Schwimm- und Bootsanlagen beim Tiefenbrunnerbad bemüh­ te, so\\'SLt diese rieh: von der Besatzrrgsmacht beansprucht wurden. Wörgötter erhielt den Pacht nicht. (Stadtarchiv). Unterlagen: Stadtarchiv Kitz­ bühel, Stadtgemeindeakten. Tiroler Landesarchiv Inns­ bruck. Echo Tiroler Illustrierte 2/2001 (Hochzeitsnacht am Hahnenkamm, Andreas Hau­ ser). lässt Heyne-Sackbuch 19/725 An­ na Maria Sigmund, Die Frauen der Nazis, E^stauflage 1998. Guido Knopp, Hitlers Frauen und Marlene ungekürzte Li­ zenzausgabe. Bertelsmann, 2001. Leni Riefenstahi, Kampf in Schnee und Eis, Hesse & Becker VeHag, 1933. Kerschbaumer, Faszination Drittes Reich. Hans Thöni, Hannes Schnei­ der, St. Anton, 1990. Kitzbüheier Nachrichten, 1933. Kitzbüheier Anzeiger, 1952 und 1954. Für urrdassende Einsicht in Akten danke ich dem Stadtar­ chiv Kitzbühel (Dr. Wido Siche­ rer, Anton Rieser) ganz herzlich. Ebenso danke ich dem Gendar­ merie-Bezirkskommando und den Poster.kommandcs von We- stendorf und Kitzbühel, Frau Maria Brink, den Herren Univ. Prof Dr. Sebastian Posch in Brixen und Dr. Alexander Cer- nusca in Innsbruck, Horst Ebersberg.
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