Kitzbüheler Anzeiger

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ler Ache beim "Mäuseisteg”. Der Ache Ufer waren zu jener Zeit wohl noch weniger regu­ liert als jetzt und boten an son­ nigen Tagen gewiss manch lau­ schiges Plätzchen. Der Verlust der Brieftasche an jenem Ufer soll den Meister einst schwer getroffen haben, und zwar weni­ ger der Verlust der papierenen Gulden, als der darin enthalte­ nen Dokumente und Schriften. Frau von Hyrtl zog das Bad im damals in hohem Ansehen stehenden Eisenbad Kitzbühel am Weg zum Paß Thurn vor. Dort fuhren an manchen Tagen die vornehmen Herrschaften auch sechsspännig vor. Spazier­ gänge in der anmutigen Umge­ bung boten Kurzweil genug. Auch Gelage fehlten nicht. Auch einen Leibarzt brachte Hyrtl nach der Erzählung mei­ nes Gewährsmannes immer mit sich. Es war dies Dr Friedlows- ky. Einmal pochte es stürmisch an der Malerwerkstätte; da trat eine große Gestalt herein und stapfte dreimal um die Staffelei. "Ah! Da ist ja der Doktor Friedlowsky,” meinte Herold. "Ja, der bin ich," meldete sich eine barsche Stimme und zeigte ihr breitbärtiges Gesicht. Ganz unangemeldet kam er eben mit Hyrtl im Gebirge an. Auch von Hyrtls unermüdli­ chen Selbstbeobachtungen hat sich eine Kunde erhalten. Er er­ probte oft wochenlang Nah­ rungsmittel durch praktische Versuche am eigenen Körper und wählte und verwarf wieder. So blieb ein bestimmtes Erin­ nern an sieben Zwetschken fort- bestehen, die auch nach den ganz gleich lautenden Angaben meines Vaters, des einstmaligen Josephiners Dr. Johann Plahl Hyrtl ßr ein Abendessen genügten. So wird das Leben in der Stadt im Gebirge dem uner­ müdlichen Beobachter und Der Autor Dr. Friedrich Plahl (1878 -1958). Foto: Farn. P’ahl ' giiäiiiüK Einer der berühmtesten Anatomen der Welt Mann kam wieder und es ent­ wickelte sich eine enge Be­ kanntschaft, die lange anhielt und Sommerfrischpktz Kitzbühel führte. Sebastian Herold wohnte mit seiner Famihe im Heroldliaus (Kümmerndshütte) in der heuti­ gen Kirchgasse. Zeugnis der Verbindung zwischen Hyrtl und Herold war, dass zehn von den elf Kindern der Kitzbühder Fa­ milie das Wiener Ehepaar zu Paten hatten. Die ältesten Söhne August und dosef wurden nach den Paten benannt. Sebastian Herold erwarb zu­ sätzlich zur Kunstmalerei die Berechtigung als Fotc^raf. Als er 1890 starb, übernahm die Witwe die Führung auch des Betriebes und erarbeitete einen gewissen Wohlstand. ,\m mei­ sten Hilfe fiatte sie im Sehn Jo­ sef, der kurz in München als Fo­ tograf aus gebildet worden wan Josef Hlrcld (1872-1938) be­ wahrte zeitlebens Erinnerungen an das Ehepaar Hyrtl, das er als Kind erlebt hatte und von dem der Vater stets begeistert erzähl­ te. Herold gab sein Wissen an Stadtarzt Dr. Georg Plahl wei­ ter, der 1528 darüber in V/ien veröffentlichte. Hyrtl nahm auch am damali­ gen geistigen Leben Kitzbühels regen Anteil. Eine "schöngeisti­ ge Gesellschaft" zierte die alte Bergstadt. Auch Bergleute wa­ ren daselbst mit Erfolg tätig. Ei­ ner davor, mit Namen. Michael Schloß ist auch heute nicht völ­ lig der Vergessenheit anheim gefallen. Es waren freisinnige und offenmünge Menschen, die da zusammenkcmen. ln. ihrem Kreise mag sich Hyrtl wchlge- ßhlt haben. Auch des Badens pflegte Hyrtl und zwar badete er regelmäßig in der Kitzbüke- “Er hat ein an Taten und Ruhm beispiellos reiches Le­ ben gelebt.” In diesem Satz wurde am Grab von Joseph von Hyrtl das Wirken des großen Mediziners zusammengefasst. “Seine Schriften haben ein eigenartiges Gepräge: ein glanzvoller Stil, Originalität in der Auffassung, ein frischer Humor und phantasievoller Schwung, das Ganze belebt durch zahlreiche passende Zi­ tate aus den alten Medizinern und alten Klassikern, und dabei doch wieder die ruhigste und nüchternste Beobachtung. Namhafte Verdienste hat sich Hyrtl u. a. auch durch seine Gehör- und Hodenpräparate, sowie durch seine mikroskopi­ schen Injektionspräparate der Kapillargefäßnetze der ver­ schiedenen Organe, sowohl um feinere Anatomie der­ selben, auch um den technischen Teil der anato­ mischen Wis­ senschaft er- worben.” (Meyers Kon­ versations-Le­ xikon, 4. Auf­ lage 1887). Die Reihe seiner Veröf­ fentlichungen ist unüberseh­ bar. Sein Lehr­ buch der Ana­ tomie (1846) erlebte in 40 Jahren 18 Auf­ lagen und wur­ de in viele Sprachen über­ setzt. Joseph Hyrtl kam als Joseph von Hyrtl, Aufnahme von Sebastian Sohn eines un- Herold in Kitzbühel. Joseph Haydn wirkenden Esterhazy- schen Musikers 1811 zur Welt, wuchs in Wien auf und war schon zwei Jahre nach dem Ab­ schluss des Medizinstudiums Professor in Prag, dann wirkte er fast 30 Jahre als Professor an der Anatomie in Wien, Im Studien­ jahr 1864/65 war er als repräsen­ tativster Vertreter der 500 Jahre Bestand feiernden Universität zum Rektor gewählt worden. Die Antrittsrede erregte großes Auf­ sehen, denn der tiefgläubige Hy­ rtl widersprach der materialisti­ schen Weltanschauung. Um Hyrtl ranken sich zahlrei­ che Anekdoten, die seinen Witz und sein gutes Herz bezeugen. Er die ■ als I ter hatte einen außerordentlichen Wohltätigkeitssinn. Seinen Reichtum hat er fiir das Möd- linger Waisenhaus verwendet. Persönlich war Hyrtl mehr als bedürfnislos. Ab 1874 leb­ te und arbeitete er in Perchtoldsdorf. Bei Besuchen im Ort wurde er für notlei­ dend gehalten, weil er auf Äußerlichkeiten nichts gab. Joseph V. Hyrtl starb 1894 in Perehtoldsdorf. 110 Jahre enormer Ent­ wicklung der Medizin sind seit dem Tod Hyrtls vergan­ gen. In der wissenschaftli­ chen Literatur wird sein Wir­ ken kaum noch erwähnt. OnjiHiplallebleiltzimifclibesleta aiifbewatirt JadeHaoh&hnunö ZV Die Rückseite der Fotos zeigt die Werbung des vermutlich ersten Kitzbüheler Berufsfo­ tografen.
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