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K 35 25. März 04 Berge, Zauber, Hörner, stille Momente ... auf und ab Das St. Johann-Essay der Marktschreiberin Patricia Marchart um und spuckte noch einige unzähligen unbekannten Räu- Male auf den Boden. Langsam me, niemand kennt mich. Das wurde ich ruhiger, ich hörte ist ein Glück und es heizt mich meinen Atem. Und wirklich, auf, zu schreiben. Die vielen jetzt geschah etwas Seltsames, neuen Begegnungen. Darin Von Feme hörte ich Stimmen, liegt der ganze Zauber, im er- Kinder, die lachten. Sie kamen sten Moment des Sehens. So mir so fröhlich vor, es musste kam ich ins Haus am Hom. Der ein Traum sein, es war keiner. Name gefiel mir gleich. Die Schon standen sie vor mir, vielen Zimmer, alle leer, wie al- grüßten mich und gingen weiter le Pensionen zu dieser Jahres- bergauf, als wäre nichts ge- zeit, Nebensaison, Wintersper- schehen. Ich folgte ihnen ganz re. Im ganzen Haus roch es einfach und es dauerte gar nicht nach Möbelpolitur, Zitrusfri- lange, bis ich oben im Gasthaus sehe, Polsterschaum und saß und eine Erbsensuppe mit Holzwachs. Meine Freude war Würstel aß. Die schmeckte mir groß. Im Frühstücksraum lag gut. Den Kindern kaufte ich ein Prospekt " Wandern im Sportgummi und Schokolade, Wilden Kaiser", und da las ich Luft, ohne Anstrengung, ich spürte eine unglaubliche Kraft. An einem Tag sah ich mir die unterschiedlichsten Arten von Rinden an den Bäumen an, dann wieder interessierte ich mich für die Färbung von Ge stein, warum an gewissen Stel len Moos wuchs, warum der Stein schimmerte, die vielen Hügeln auf den Almen, die ein gewinterten Manchmal öffnete ich heimlich die Holzbalken an den Fenstern und sah in die Stube. Ein Tisch, eine Eckbank, ein Herrgotts winkel und ein Bett, mehr war es nicht. Die Dinge standen für sich, ich fühlte eine Ruhe, eine Stille, die ich nicht kannte, und auf einmal wurde ich selber ganz still und diese Stille er zählte mir viel. Und so schrieb ich. Nachts, wenn es dunkel war und alle schliefen in der Marktgemeinde, das war meine Zeit. Wenn alle träumen, dann bin ich wach. "Dort sind lauter Lederho senhäuser", das sagte mein Va ter, als ich mich auf den Weg nach St. Johann machte. Mein Vater, der Modellbaumeister, als Kinder hatten wir es gut, die größte Modellbaueisenbahn weit und breit, Tirol hinter dem Tunnel, dort ließen wir mei stens die Züge aufeinander fah ren, die höchste Steigung, eine Alm mit 17 Kühen, eine Bäue rin und ein Bauer, ein Briefträ ger und ein Hund. Drei Leder hosenhäuser, unbewohnt, auf den Berggipfeln, von der Mut ter zusammengebaut, sie hat mehr Gefühl für die kleinen Plastikteile. Dem Vater ist der Gips lieber, die Masse und die Farben, das Schienen verlegen und die Trafos anbringen,. Mei nen Bruder und mich interes sierten nur die Zugentgleisun gen und wirklich, es gab eine ganze Menge. Da ich schon als Kind Städte zum ersten Mal meistens in Modellform oder aus der Vogelperspektive sah, tue ich mir mit dem Ankcmmen oft recht schwer. Das Fliegen und Landen ist für mich schon eine große Hilfe. Nach St Jo hann kam ich mit dem Auto Arbeitskreis Literatur St. Johann in Tirol Almhütten. Bergschuhe, Wanderstöcke und ein Rucksack; in den gehören Wasserflaschen, Re genschutz, Verbandszeug, Tiro ler Nussöl, ein T-Shirt zum Wechseln, ein Jausenbrot, ein Apfel und Schokolade. Manch einer nimmt sich ein Stamperl Schnaps mit auf den Weg, es könnte kühl werden, ein Wet terstarz, in den Bergen geht es schnell, und du siehst auf ein mal nichts mehr. Ich selbst ha be es erlebt, ich ging frohen Mutes von St. Johann aus aufs Kitzbüheler Hom, es kam mir so nahe vor, ieh war ja noch nie in den Bergen, und so stand ich, auf halbem Weg, im Nebel und sah nichts mehr rundum. Gera de schien die Sonne noch, das sagte ich mir, aber es half nicht. Ich se:zte mich auf einen Stein und dachte nach, was ich tun könnte. Mit dem Denken kommt man in den Bergen nicht voran. Jetzt saß ich allein im Nebel am Kitzbüheler Horn und wartete ab. Ansonsten bin ich oft recht ungeduldig, und noch ungeduldiger werde ich, wenn ich nicht weiß, wie es weiteigeht. Man kann sich vor stellen, wie es mir ging. Ich schlug mit einem Stein gegen den Stein, auf dem ich saß, es rührte sich nichts. Ich aß meine Vorräte auf und verschüttete ei- sie wimderten sich nicht ein- Mauckspitze. Ich notierte; eine mal. Zum ersten Mal in mei- Frau, die in die Berge flieht, nem Leben ging ieh auf einen Am nächsten Morgen sah ich Berg und als ich oben beim ihn, den Wilden Kaiser und von Gipfelkreuz stand, da sah ich da an sah ich die Berge. Das nur das Gipfelkreuz und sonst Kitzbüheler Horn, den Hartkai- nichts. ser, die Loferer Steinberge, den Ich kam ja nach St. Johann, Hahnenkamm, den Kalkstein , um zu schreiben. Es ist so: Ich den Großglockner, den Großve- schaue mir die Welt an und nediger ... bergauf und bergab, schreibe. Das ist alles. Am lieb- Die ersten zwei Wochen hatte sten sind mir Hotelzimmer und ich tagsüber nichts anderes zu tun, als zu gehen. Gehen und sehen. Ich konnte nicht anders, alleine der Geruch, wenn ich ich sah in die Berge, und übe- eine fremde Pension betrete, rall, auf jedem Felsen sah ich ein neues Zimmer, die frische mich, Gehen und wieder gehen. Bettwäsche, das Gefühl ein Oft legte ich mich einfach so Gast zu sein, eine Fremde, die ins Gras. Ich bekam so viel ne ganze Wasserflasche aus Zorn auf die Erde, sicherlich würde ich sehr bald verdursten. Ich warf den Apfelputz, so weit Pensionen, nichts Vertrautes, ich konnte, in der Hoffnung, Ich will mich nicht auskennen, ich würde irgendjemanden er wischen. Ich sah ja nichts. Ich wippte mit dem Oberkörper hin und her, ich stocherte mit den Wanderstöcken im Geröll her-
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