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('CF Erinnerungen an einen Kitzbuooheler in Kanada Diplomkaufmann Dr. Baldur von Carl-Hohenbalken (8.4.1932 - 20.7.2004) Von Dipl. Ing. Dr Wolfgang Pircher Am 20. Juli verstarb in Kana- da nach einem Unfall der eme- ritierte Professor der Univer- sität Edmonton, Diplom- kaufmann Dr. Baldur von Carl- Hohenbalken aus Kitzbühel. "Balder" war der älteste Sohn des Arztes Dr. Waldemar von Carl-Hohenbalken aus einer aus dem Graubünden stammenden, schon 1193 urkundlich genann- ten Familie. Er hatte 1930 am Hornweg ein Sanatorium eröff- net, das einen ausgezeichneten Ruf hatte und in dem eine Viel- zahl von Kitzbühcicrinnen und Kitzbühelern das Licht der Welt erblickten. Baldur .v. Carl-Hohenbalken wuchs in Kitzbühel auf und be- suchte bei Direktor Much Wie- ser, Oberlehrerin Maria Laner und Adolf Hatzl von 1938 bis 1942 die Volksschule. In der Kriegs- und Nachkriegszeit war er Schüler am Gymnasium in Kufstein, wo er maturierte. Die Fahrten nach und von Kufstein waren in den letzten Kriegsjah- ren und in der Besatzungszcit oftmals abenteuerlich und stra- paziös. Hohenbalken begann nach dem Abschluss der Mittel- schule zunächst in Innsbruck Medizin zu studieren und schienen beruflich in die Fuß- stapfen von Vater und Großva- ter zu treten. Kurzes Spiel im Film Eine Zufallsbekanntschaft mit dem bekannten Regisseur Harald Reinl cntfiihrte den feschen dunklen Burschen zum Film. Aber die Hauptrolle in ei- nem Film, in dem auch der spä- ter erfolgreiche Schauspieler Dietmar Schönherr und die zweifache Schiweltmeisterin Dagmar Rom mitwirkten, blieb Episode. Fulbright-Stipendiat In München und Wien stu- dierte er weiter, nun aber Wirt- sehafts- und Staatswissenschaf- ten, promovierte in beiden und ging mit einem Fulbright-Sti- pendium an die Universität von I.owa in den USA. Dort wandte er sich früh dem Spezialgebiet Okonometrie zu, der Untersu- chuig komplexer wirtschaffli- che Zusanilnenkänge und Vor- gänge in mathematischen Mo- deller, das fortan im Zentrum se:rcr ganzen wissenschaftli- ehen Lebens arbeit stand. Professor mit weltweiten Kontakten Dozent an der Universität Ed- monton, Abteilungsleiter am re- ncmmierten weltwirtschaftli- ehen Institut in Kiel, Associate Professor nochmals in lowa wa- ren die nächsten Stu'en enner steile:i akadern:schen Karriere, bis er 1967 endgültig in Ed- manton jenen Boden fand, auf dem er sich vo1 enifahen kcnn- te, bald schon als angesehener Full Professor unl Leiter eines gut dotierten 1 - stituts mit welt- weiten Kontakten. Den Aus- glech flur intensive Arbeit in Lehre und Forschung, die sich aLch in vielbeachteten Beiträ- gen zur Fachliteratur nieder- schlug, fand der vorL Kinclie:t an naturbegeisterte Sortsmann zu jeder Jahreszeit in den un- berührten Weiten seiner neuen Heimat und in der Gesel1iget seines ausgedehnten Freundes - kreises. 1989 brach bei ihm eine ganz seltene Autoimmunkrankheit (Wegeners Granulomatosis, deren schleichende Anzeichen zwei Jahre falsch gedeutet und behandelt worden waren, p15tz- lich voll aus und griff ihm über Atemwege und Nieren hart aus Leben. Nach zermürbenden Leidensjahren bekam er die Krankheit mit Operationen und Chemotherapien zwar einige - malen in den Griff, aber sie blieb ihm ein unheimlicher Be- glei:er und zwang ihn zu einer radikalen Umstellung seiner ganzen Lebensflihrung. Vcn Lchrverpflichtungen weitge- hend entlastet, fast nur noch auf sein behagliches Heim redu- ziert und treu umsorgt von sei- ner Frau Cathy gelang ihm auch das. Dank Computer mit Weltgeschehen verbunden Mit dem Computer, den er virtuos beherrschte, hielt er die Verbindung zu Welt und Wis- senschaft voll aufrecht, las und korrespondierte viel und setzte seine wissenschaftliche Arbeit umso intensiver fort. Mit der "Gehirnfreude des Denkens" entschädigte er sich in der Ma- thematik flur die Beschränkung durch den leidend gewordenen Körper, aber zugleich auch ganz am Puls der Zeit geblieben konterte er sofort mit scharfen Zeitungsartikeln, wann immer er die soziale Gerechtigkeit durch marktradikalc Ideologien bedroht sah oder verfehlte Poli- tik seinen Zorn erregte. Selten genug und nur wenn die Krankheit ihm eine Phase der Schonung gönnte, wagte er wieder Reisen nach Europa, be- suchte Verwandte und alte Freunde und kehrte natürlich auch in Kitzbühel zu. 1998 sind wir noch einmal miteinander am Horn gewesen, um den Schwarzsee gewandert und zum Hintersteiner See gefahren, wo wir als Mittelschüler gleich nach dem Krieg, das erste Buch von Hans Hass auswendig im Kopf, mit selbstgebautem Gerät getaucht und unter einer alten Wehrmachtsplane im Wald kampiert hatten. Letzte Reise in die Heimat Es sollte sein letzter Besuch bleiben. Seine Fakultät verab- schiedete sieh von ihm mit ei- ner sehr persönlich gestalteten Gedenkfeier, das Edmonton Journal mit einem langen Nach- ruf. Seinen Kitzbüheler Jugend- freunden bleibt er unvergessen, der Balder vom Hornweg. Baurat h. c. Dipl. Ing. Dr Wolfgang Pircher Jahrgang 1931, international anerkannter Wasserhaufachmann, zuletzt lange Vorstand bei den Tiroler Wasserkraftwerken AG und Prä- sident der internationalen Tal- sperrenkommission, erinnert in dem Beitrag an einen Jugend- freund.
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