Kitzbüheler Anzeiger

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^eintaibläiier Heimatblätter Nr. 1/2006 musste jeden Tag diese Män­ ner in das Lager im Berghaus begleiten. Manchmal war auch ein anderer Franzose dabei, der beim Werner als Kohlenschaufler eingesetzt war. Das war ein ganz aggres­ siver Typ, ich hatte immer ein bisschen Angst. Die Verpfle­ gung brach fast zusammen. Ich musste bei der Geschäfts- tür stehen und sollte den An­ drang regeln. Aber ich wurde überrannt und landete am Boden hinter der Tür. Die reichte bis zum Jochberger­ tor. Alle hofften etwas zu er­ gattern. Aber es gab nichts mehr als Blut- und Leber­ wurst, Sülze und Braun­ schweiger. Es wurden sogar die Füße und Häute der Rin­ der von den Haaren geputzt, um diese Produkte überhaupt hersteilen zu können. Auch die Rinderköpfe wurden mit der Haut gebrüht, um sie ver­ arbeiten zu können. Schwei­ nefleisch gab es schon seit einem Jahr nicht mehr. Rin­ derfett war so kostbar wie heute ein Filet. Das Geschäft wurde täglich um 9 Uhr ge­ schlossen, da keine Ware mehr vorhanden war. het tm Bei einem Fliegeralarm war ich mit einer Kuh unter­ wegs und hätte nur noch we­ nige Minuten bis nach Hause gehabt. Um Fliegeralarme konnte ich mich bei mei­ ner Treiberarbeit nicht küm­ mern, denn die waren immer häufiger. Da zwang mich ein Blockwart, der seine Pflicht zu erfüllen glaubte, in den Luftschutzkeller beim Bar­ tenstein. Die Kuh war un­ ruhig und die Frauen und Kinder hatten Angst davor. Deshalb konnte ich nach ei­ niger Zeit meinen Weg fort­ setzen und war in zwei Minu­ ten in der Stadt. An einem trüben Tag lag ich in Aurach in einem Stra­ ßengraben, da anscheinend Tiefflieger unterwegs waren, die man aber durch die Be­ wölkung nicht sehen konnte. Ich wusste aber, dass aus Tieffliegern auf Leute, die auf einer Straße unterwegs wa­ ren, geschossen wurde. So hatte ich Angst und lag im Graben. Hinterher musste ich meine Kälber zusammen näher. Der suchen und nach Kitzbühel treiben. nach Hause, der als Ersatz für echten Kaffee verwendet wurde. Kaffee gab es schon einige Zeit nicht mehr. Der Luftkrieg kam immer „Standort älte­ ste“ hatte in der Nähe seine Dienststelle. Als die Bom- wussten aber nicht, was ge­ troffen worden war. Anschließend flogen zwei Tiefflieger über Hopfgarten. Man konnte in den gläsernen Kanzeln die beiden Piloten sehen. Sie schwenkten in das Brixental ein und kurze Zeit Meine Schwester Gretl und bengeschwader immer mehr danach hörte man eine De­ ich mussten laufend Fleisch- wurden, kam e-r in den Kel- tonation. Der Bahnhof von marken kleben, denn alles, 1er des Pfleghofs, weil er der Kirchberg war getroffen wor- was es noch zu kaufen gab, Meinung war, dass dort we- den. (An diesem 23. Februar bekam man nur auf Marken gen der dicken Mauern der 1945 gab es in Kirchberg zwölf Bombenopfer im Bahnhofs­ bereich und ein Ehepaar aus Aschau fand bei der Bombar- Menschenschlange dierung von Wörgl den Tod). Schon im Herbst 1944 musste ich viel in der Metzge­ rei arbeiten. Ein Cousin, der bei meinem Vater das Hand­ werk erlernen konnte, schlug mit dem Selchstecken immer wieder den Fremdarbeiter aus Frankreich und mich. Als wir uns einmal zur Wehr setzten und ihm den Magen eines eben ausgenommenen Hasen nachwarfen, zog er mir mit dem Selchstecken eine über. Leider war damit der Vor­ fall nicht abgetan. Zu Weih­ nachten hatte der Vater bei der Flugwacht frei und war daheim. Am Tisch saß auch der Lehrling. Er wusste nichts Besseres als meinem Vater den Vorfall zu erzählen. Der Vater verhaute mich und jagte mich ohne Essen und vor der Bescherung ins Bett. Meine Mutter weinte, das ganze Fest beste Luftschutzkeller von war zerstört. Für m ich ist das Kitzbühel sei. Der Vater hatte eine der einprägsamsten Erin- bei der Flugwacht am Hah- nerungen an die Jugendzeit, nenkamm einen Tag frei. Wir fuhren nach Hopfgar­ ten. Genau an diesem Nach­ mittag wurde Wörgl von den Schlimme Erinnerungen sind Alliierten bombardiert. Von mit den letzten Kriegswochen Platzern aus hatten wir Wörgl verbunden. Kitzbühel platzte direkt vor uns. Wir konnten angesichts der steigenden Zahl sehen wie an der Unterseite von Flüchtlingen aus allen Näh- der Bomber ein schwarzes ten. Die Züge mit verwimdeten Loch offenstand, ehe die Soldaten konnten im März und Bomben entladen wurden. April 1945 nicht mehr weiter­ befördert werden, auch fehlte es an Betreuung, um den ar­ men Landsern einigermaßen helfen zu können. Auch wa­ ren kamn Verbandzeug imd schmerzstillende Mittel vor­ handen. Außer den Hauptge­ leisen für die Aufrechterhal­ tung der Verkehrslinie waren Die Landwirtschaft, die stark gefördert wurde, war baid unter größ­ tem Druck. Bei der Gründung der Aufbaugenossenschaft Keichsau wurden 37 Stück ausgesuchtes Zuchtvieh sowie ein Gemeinschafts- schiepper samt Anhänger übergeben. Die im Bild gezeigte Übergabe­ feier „klang in das Versprechen aus, ein gesundes, starkes, schönes und lebensfrohes Bergbauerndorf zu schaffen, um so dem Großdeut­ schen Vaterlande und unserem Führer einen geringen Teil der Dankes­ schuld begleichen zu können“ (Zeitungsbericht 29.4. 1941). und streng rationiert. Es gab kein Brot mehr, aus Maismehl wurde Brot gebacken. Ich musste Hühner und Schweine füttern. $crtvuntietenh*ag0i»ic Für das zu erwartende Holzgaserauto musste ich Holz aufhacken. Dabei hackte ich mir den linken Zeigefin­ ger zur Hälfte ab. Verarztet wurde ich von der Mutter und vor dem Vater verheim­ lichte ich meinen Unfall, um nicht noch eine „Watschen“ zu bekommen. Mit dem Kindermädchen wurde ich zu Tante Moidl nach Hopfgarten geschickt. Aus Runkeln schnitt man kleine Stücke, die dann in ei­ ner Pfanne geröstet wurden. Wir brachten so den Haupt­ bestandteil für den „Kaffee“ Das verursachte ein Geräusch als ob man Kohle aus einem Kübel leerte. Laufend hörte man starke Explosionen, wenn wieder einer der am Bahnhof'ste­ henden Munitionswaggons in die Luft flog. Wir erlebten das grausige Schauspiel mit.
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