Kitzbüheler Anzeiger

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Heimatblätter Nr. 1/2006 fuhr und ich mir den Hinweg zu Fuß ersparen konnte. Das war aber nur eine ganz kurze Zeit. In der Langau stand eine verlassene Flakstellung. Als Kind war das für mich nur ein „Spielzeug“ - ich unterbrach den Weg, da es so lustig war, hier die Kanonenrohre auf- und abzudrehen. Der Vater schickte mich mit einem „Stellschein“, der zur Viehablieferung notwendig war, ins Gemeindeamt nach Kirchberg - selbstverständlich zu Fuß. Am Nachhauseweg stand beim „Badl“ ein ame­ rikanischer Soldat mit Ma­ schinenpistole und kontrol- . herte jeden, der daher kam, so auch mich. Er nahm mich fest und brachte mich in das Hotel Daxer, welches das ört- hche Hauptquartier der Ame­ rikaner war. Ich hätte um die Ausreisegenehmigung ansu- chen müssen, denn „Reisen“ von mehr als sechs Kilometer waren sonst verboten. unti ^(uc||f mit Im Keller des Hotels befan­ den sich schon ca. 30 Per­ sonen wegen des gleichen De- hkts." Ich war überzeugt, dass die Haft gleich vorbei sein werde. Dem war aber nicht so, am nächsten Tag wurden nur drei Personen zum Verhör ge­ holt. Am dritten Tag schaute auf einmal mein Vater beim Kellerfenster herein und gab mir ein Zeichen, ich sollte he­ rauskommen. Ich verdrückte mich in das WC und wusste, dass ich mit dem Körper durch die Eisengitter kommen würde, wenn der Kopf pro­ blemlos durchgeht. So flüch­ tete ich, ohne von Soldaten bemerkt zu werden. Es ging auf der Fahrradstange ent­ lang der Bahn nach Kitzbü­ hel zurück. Auf diesem Weg war eine reine „Völkerwande­ rung“ von Erwachsenen und Kindern und von ehemaligen Soldaten. Vermutlich haben die Amerikaner diesen Weg nicht entdeckt. Zwischen dem 7. und 10 Juli lösten die Franzosen die ame­ rikanische Besatzung ab. In Kitzbühel war das etwas spä­ ter als im westlicheren Teil des Landes, weil die Ablöse picht so ganz funktionierte oder weil die bei uns stationierten AmerikanW hinter dem Pass Thurn ihre neue Stellung hatten. Unter den Franzosen waren Marokkaner, die - so kam es uns vor - noch wilder drein­ schauten als die' Schwarzen aus Amerika. Im Garten der Pension Licht, wo die Marok­ kaner einquartiert waren, bot sich uns Buben am heUichten Tag unerwarteter Anschau­ schossen worden sein. Eines Tages musste ich mit dem Vater in den Tratten­ bachgraben, um Kühe anzu­ schauen. Wir fuhren mit dem Postauto bis Jochberg. In Wagstätt holte uns Tratten­ bach-Peter mit dem Motor­ rad seines Bruders Klaus - er war noch in Gefangenschaft - ab. Zuerst wurde der Vater transportiert, dann kam ich dran. Beim Aufsitzen trug er mir auf, dass ich mich in den Kurven ja nicht hineinlegen sollte, da er schon öfters zu Sturz gekommen sei. Er hatte in einem Ausweichgebäude wegen des Platzmangels nur an jedem zweiten Tag Unter­ richt. Wir Burschen nützten die freie Zeit, um als Erd­ beer- und Erbsenpflücker nach Schaan in Liechtenstein über die Grenze zu gehen und unsere Kost etwas auf­ zubessern. Als wir drauf ka­ men, dass Tabak in Feldkirch sehr begehrt war, stopften wir unsere Hosenrohre voll mit Tabakpäckchen. Diese tauschten wir gegen Essbares ein. In der zweiten Klasse machten wir einen Schul­ ausflug zur Berggruppe der Drei Schwestern. Ich war zu Pfingsten daheim gewesen und hatte ein Stück Wurst mit bekommen. Die Hälfte sparte ich für den Schul­ ausflug auf. Wir erreich­ ten nach sechs Stunden Fuß­ marsch eine Hütte, in der'wir übernachteten. Ich packte meine Wurst aus und jausnete in einem Eck. Es war sehr dunkel, da es keine ausreichende Licht­ quelle in der Hütte gab. Beim Essen merkte ich plötzlich einen komischen Brei in meinem Mund. Ich unter­ suchte die Wurst bei der Pe- Schnecken suchen, da es jede Menge davon gab. Bei den Franzosen, die diese Delika­ tesse schätzten, bekamen wir dafür Cognac. Das Getränk tauschten wir gegen Brot und konnten so unsere Kost etwas aufbessern. Von zu Hause wurde mir Mehl mitgegeben, um es bei einem Bäcker für Brot abzugeben. 2ln jeiietn jlueitcn Sag Sc^ututttcwicljt Weil das Schulgebäude be­ schlagnahmt war hatten wir Für den zwölfjährigen Klaus Fuchs war die verlassene deutsche Flak- Stellung (Flugabwehrkanone) in der Langau ein zwar ungewöhnlicher aber „lustiger“ Spielplatz. Foto: Max Krause, Juni 1945. ungsunterricht; als eine Ein­ heimische als Prostituierte ihre Dienste anbot. Am zweiten oder dritten Tag nach der Ankunft der Franzosen stand unser ehe­ maliger Fremdarbeiter in Uni­ form im Geschäft und ver­ langte imseren Lehrling, der ihm imd mir so übel mitge­ spielt hatte. Der war aber auf einer Alm bei Langkampfen und dort haben ihn die Fran­ zosen nicht gefunden. So ent­ ging er der Verhaftung. Noch am selben Tag wurde unser ehemaliger Kriegsgefan­ gener Stadtkommandant. Er kaufte nun laufend Fleisch und bezahlte nicht, auch wurde er gegenüber unserer Mutter im­ mer unverschämter. Eines Ta­ ges war er wie vom Erdboden verschluckt. Anscheinend soll er auf einer Fahrt nach Frank­ reich von eigenen Leuten er- keinen Führerschein. Ich war heilfroh, dass wir gesund und ohne Sturz in Jochbergwald angekommen waren. fSüpmeir in ieit 0c^nccftcn§uc^c Nach der Hauptschule musste ich im Herbst 1947 nach Feld­ kirch in die Handelsschule. Da erlebte ich, dass die Ver­ sorgung in Vorarlberg noch wesentlich schlechter als bei uns in Tirol war.' Mit drei troleumlampe. Sie hatte ein Oberländern war ich bei einer Hausfrau einquartiert. Täglich fischten wir an die zehn Würmer aus der Suppe, die mit den Erbsen im Som­ mer getrocknet worden wa­ ren. Einmal in der Woche, am Sonntag, gab es „Fleisch“ in Form einer kleinen Scheibe Braunschweiger auf einem Haufen Erdäpfel. Wir gingen bei drei zerbombten Häusern Luftloch von mehreren Zen­ timetern und dieses war gelb und grün vor lauter Schim­ mel. Mir war nicht mehr ge­ heuer und ich kaufte mir ei­ nen Schnaps zur Verdauung. Ich habe allerdings nicht die geringsten Beschwerden verspürt. SchrifileitungHans Wittenberger
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