Kitzbüheler Anzeiger

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21Dezember2006 Aus den Gemeinden 45 0011 WAJYWm0000reLt £4'V flYOII sen erfüllten denselben Zweck. Wenn Mamm mit dem Auf- putzen des Christbaumes be- gann, wurden wir Kinder aus der warmen Stube gejagt. In der kalten Kammer muss- ten wir stundenlang warten, „bis das Christkind" kam. Natürlich quälte uns die Neueier. aber Mamm hatt ' vorgesorgt. Alle Fenster waren verhängt, sogar das Schlüsselloch. Bei Einbruch der Däm- merung füllte Tatt das alte Holz- kohlenbugel- eisen mit etwas Glut - aus dem Herd, legte Weihrauch aut, drückte dem äl- testen Buben den Weihrauch in die Hand und dann ging es - die Küchenstube ausgenom- men - durch alle Räume und um das Haus. Betend „räu- cherte" Tatt jeden Winkel aus, und Hais besprengte al- les reichlich mit Weihwasser. Mamm blieb in der Küche, sie hatte „am Herd zu tun". Zeit fürs Bad Nach dem „Rachen" stam- perte uns Mamm wieder in die Kammer und brachte ih- ren Ziegen und Hennen et- was vom „Buschn getrock- nete Kräuter und Almblumen. die am Hohen Frauentag vom Pfarrer geweiht worden waren. Danach war die Zeit fürs Bac gekommen. In der Wasch- küche schöpfte Tatt das ko- chende Wasser aus dem Kesse in das große ovale Holzschaff, in dem Mamm sonst die Wä- sche wjsch. In cern Badewas- ser wurde ein Kin.: nach cern anderen abgeschruppt. Für den ers:en e:n Vergnügen, für die folgenden weriger. Ers: TaU erhielt wiecer frisches Wasser. Während er in der „Wanne" hockte, steccte uns Mamm in saubere und bessere Kleider. wir wurieL gekämmt und geschneuzt. Jann begann erneut die Warterei :n der kal- ten Kammer. Tatt hütete die Küche während Mamm in sei- nem Absud adete. Schmalhans war Küchenmeister An dieser Stelle carf ich ein- fügen, dass in unserem Da- heim das ganze Jahr hincurch Schmalhans Kü±enrneis- ter war. An den Werktagen kam ein Türkenkch loder ein Mus) auf den Lsch, an den Sonn- und Feiert ager. er- freuten wir uns an Erdäpfel- gulasch, Speckkrödeln oder Fastenknödeln, ud an de:i Samstagen standen die „Rhr- nudelif auf dem Speiseplan. Weihnachten war eu:h Jarin eine besondere Ze:1. Nun durften w:r eLdlich in die Küche, in der alles weih- nachtlich verIillt und verhängt war. Ade knie- ten nieder, wir beteten mehrere Rc- -: - senkränze und Lita- neien. Nach dem Gebet ser- vierte Mamm das Weihr acht mahl Zuerst eine dicl' e Gerstensuppe mit viel Speckschwar:en drinnen, dann ause- zogene Germkia:hl mit Zwetschkenkornpc.tt. Obwohl es dieses Fest- mahl nur dreimal im ahr gab, schmeckte es UflS zu Weihnachten am wenigsten. Zu groß war die Erwartung, und von der ganzen kulina- rischen Köstllchkeit hatten wir das abschließende Tischgebet am Lebsten. W:r waren nicht arme, wir waren bettelarme Leute in ei- ner insgesamt schlechten Zeit. Mamm unc Tatt muss- ten sich das Wen:ge, das uns das ‚.Christl: md" bescherte, im wahrsten sinne des Wortes vom Mund aspaen. Wir erhielten bemessen an cem, was andere unter dem Chtistbum fanden, we- nig - und nichts, verglichen mit dem, wa heute die Besit- zer wechselt. Aber wir waren glü.:elich und zLfr:eden, wir kannten keinen Neid. Weih- nachten daheim, das war Ge- borgenheit und Wärme, Zu- friedenheit und dc fühlbare Liee der Eiern. Weihnach- ten war ein besonderer Tag, an dem, wie wir glaibten, nichts Böses passie:en konnte. Über allem lag der Nimbus des Heiligen. Nich der Bescherung mar- schierten wir zur Kirche. Nur ein Haushüter blieb daheim. Einstündiger Fuß- marsch durch die Nacht Der einstündige Fußmarsch durch die winterliche Nacht zählt iu den Kindheitserinne- rungen, die ich nie vergessen werde. Beeindruckend vor allem dann, wenn es schneite, der Schnee unter unseren Schrit- ten knirschte. Von weither ka- men die flackernden Fackel- lichter auf die Kirche zu. Die Mette begann Schlag Mit- ternacht und dauerte eine Stunde. Die Orgel erbrauste, und alle im übervollen Got- teshaus sangen mit. Um etwa zwei Uhr früh kamen wir wie- der z.i Hause an. Mamm ser- vierte noch eine „Nachtjause" - heiße Fleischsuppe mit Brot. Gegen drei Uhr krochen wir in die Strohsäcke. Aus dem Buch „Kleinhäus- 1er" von Sebastian Haseisber- ger erschienen beim Beren- kamp Verlag 1995.
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