Kitzbüheler Anzeiger

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\SBHUC/ 10 Wirtschaft Ausgabe 1 Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union haben sich die Uhren weitergedreht! Bauernland in Europahand n DR. - ENB:::RT SCHOPF LL M. Für die Tiroler Landes- regierung gilt nach wie vor der politisch stets propagierte und im (noch) geltenden Tiroler Grund- verkehrsgesetz 1996 entsprechend verankerte Grundsatz „Bauernland in Bauernhand". Kitzbühel 1 Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1.1.1995 haben sich die Uhren jedoch weiterge- dreht. In Europa gilt längst ein anderer Grundsatz: „Bau- ernland in Europahand". Zunächst gilt es in Erinne- rung zu rufen, dass der Eu- ropäische Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung die Ausübung des Rechts, in anderen Mitgliedstaaten und Regionen der EU, sohin auch in Tirol, Immobilien zu er- werben, zu nutzen und dar- über zu verfügen, zunächst als notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit erblickt hat. Anknüpfend an diese Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof (eingehend) in der Rechts- sache „Ospelt" erkannt, dass auch die Kapitalverkehrs- freiheit es verbiete, die Ge- nehmigung des Erwerbes landwirtschaftlicher Grund- stücke deshalb zu versagen, weil der Erwerber der Land- wirtschaft diese nicht selbst bewirtschaftet und am Hof seinen Wohnsitz hat. Die Ti- roler Landesregierung hat auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes reagiert und Ausnahme- regelungen von der grund- sätzlich bestehenden Selbst- bewirtschaftung sve r - pflichtung in das Tiroler Grundverkehrsge ;etz aufge - nommen. Dabei wird aber verkannt, dass diese auf EU- Ausländer abgestimmten Ausnahmeregeungen auch bei reinen Inländerfällen dis- kriminierende Wirkungen haben und damit mit dem österreichischen Bundes- verfassungsrecht kollid:eren können. So hat der Verfassungs- gerichtshof in ausdrickli- cher Anknüpfcng an das Er- kenntnis des Europäischen Gerichtshofes in der Rechts- sache „Ospelt" - hier zwar betreffend da.; Burgenlän- dische Grundverkehrsgese:z - erkannt, dass- wenn eine gesetzliche Bestimmung des nationalen Rechts gegen un- mittelbar anwenbares euro- päisches Gemeinschaftsrecht (wie der Kapitalverkehrsfrei- heit) verstößt, dann wird die österreichische Gesetzesbe- stimmung in Fällen mi: Ge- meinschaftsbezug (,‚Deut- scher erwirbt Bauernhof') verdrängt. In allen anderen Fällen (also ohne europä- ischen Gemeinscriaftsbezug), sohin auch bei Inländer.iällen (,‚Österreicher erwirbt Bau- ernhof"), wird die österrei- chische Gesetzesbestimmung hingegen nicht verdrängt son- dern ist anzuwenden, dies je- doch unter Berücksichtigung des verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgrundsatzes. Nach dem Tiroler Grund- verkehrsgesetz hat der Erwer- ber - strenger als nach dem (für verfassungswidrig er- kannten) Burgenländischen Grundverkehrsgesetz - nicht bloß zu erklären, sondern (sogar) zu gewährleisten, dass die von ihm erworbenen land- oder forstwirtschaft- lichen Grundstücke auch von ihm selbst bewirtschaf- tet werden. Bei einer konse- quenten Beibehaltung die- ser Rechtsprechung wird der Verfassungsgerichtshof auch die bezüglichen Bestimmun- gen im Tiroler Grundver- kehrsgesetz als verfassungs- widrig erkennen müssen. Der Europäische Ge- richtshof hat auch zur Resi- denzpflicht in der Rechtssa- che „Festersen" noch einmal klargestellt, dass nationale Rechtsvorschriften der Ka- pitalverkehrsfreiheit zuwi- derlaufen, wenn diese auf die Begründung eines ständigen Wohnsitzes am Hof als Vor- aussetzung für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstückes abstellen. Da- bei stützt der Europäische Gerichtshof seine Rechtspre- chung nicht nur allein auf die gemeinschaftsrechtlich garantierte Kapitalverkehrs- freiheit, sondern auch auf das im vierten Zusatzprotokoll zur Europäischen Mensch- rechtskonvention verankerte Recht des Erwerbers, sei- nen Wohnsitz frei zu wählen. Diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hat aber ni:ht nur Folgen für Fälle mit europäischem Ge- meinschaftsbezug, sondern auch für reine Inländerfälle. Österreich hat das vom Eu- ropäischen Gerichtshof her- angezogene vierte Zusatz- protokoll zur Europäischen Menscenrechtskonvention, ohne entsprechenden Vorbe- halt, ratifiziert, Der Verfas- sungsgerichtshof wird wohl im Einklang mit der einge- schlagener Rechtsprechung des Europäischen Gerichts- hofes im Anlassfall erkennen, dass e:ne - wie im Tiroler Grundverkehrsgesetz vorge- sehene - Residenzpflicht für Erwerber land- und forst- wirtschaftLcher Grundstü- cke (auch: verfassungswid- rig ist. Seit dem Beitritt Öster- reichs zur Europäischen Union gilt somit auch in Ti- rol der neue Grundsatz „Bau- erland in Europahand". Advokatur Dr. Herbert SchöpfLL.M. Rechts viwalt-GmbH Arkadenhof. Innsbruck Bichlstra«e 22 • Kitzbü hei Tei. 00431(0)5356 / 639270 advokati,ir@dr-schoepf.at
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