Kitzbüheler Anzeiger

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Heimatblätter $einmti(ättrr 9tt. 4/äOO» Fahrt zur Jahrhundertfeier der Tiroler Freiheitskriege bei der ersten Station auf Ti­ roler Boden den Honoratio­ ren der Stadt- und Landge­ meinde die Hand schütteln sollte. Bürgermeister Reisch gab in einem ganzsei­ tigen Inserat in der lokalen li­ beralen Zeitung und auf Pla­ katen, die sich bereits „an alle reichsdeutschen Sommer­ gäste“ richtete, der „tiefsten Entrüstung“ Ausdruck, dass „durch das Vorgehen einer staatlichen Behörde ein lang­ jähriger reichsdeutscher Gast in ganz unverantwortlicher Weise beleidigt wurde. Man möge die Versicherung neh­ men, dass Kitzbühel als Ge­ meinwesen nicht nur diesem Vorgehen der Behörde voll­ ständig ferne steht, sondern dieses auch auf’s Schärfste verurteilt und bedauert.“ Die Zeitung wurde von der Behörde beschlagnahmt, die Gendarmerie erhielt den Auftrag, die ausgehängten Plakate zu entfernen. Lampions, Fackelzug und Katzenmusik Mehr als 400. österreichische Sommerfrischler sammel­ ten sich am Abend zu einem Fackelzug vor dem Haus des Bürgermeisters, wo der Foto­ graf Josef Herold, der spätere Begründer der Hahnenkamm­ bahn und Bürgermeister, eine Rede hielt und abschließend die „Wacht am Rhein“ gesun­ gen wurde. Die Demonstranten mach­ ten vor der Wohnung des Bezirkshauptmanns „Katzenmusik“. Zu schenfällen kam es nicht. Die „Innsbrucker Nach­ richten“ sahen es am 16. Au­ gust als sicher an, dass die Affäre noch weitere Folgen haben wird. Der Allgemeine Tiroler Anzeiger titelte am 16. Au­ gust mit „Konfiskation und Demonstration“ folgende Meldung aus Kitzbühel: Die letzte Nummer des Kitzbüheler Boten wurde we­ gen eines Artikels, den Bür­ germeister Reisch verfasst haben soll und worin dem antwortete der Bürgermeister deutsche Botschaft in Wien Bezirkshauptmann Freiherr mit einer zweiseitigen Son- beim österreichischen Mini- von Lill völlig ungerechtfer- der-Ausgabe der Lokalzei- sterium des Äußeren die Fah- tigte Vorwürfe gemacht wur- tung. Dort wurden ein „Ge- nenaffäre anhängig gemacht den, konfisziert. meinderatsbeschluss “und habe und durch diese hohe Gestern abends, als die eine „Ehrung für den Bürger- Stelle eine Erledigung erfolge Dunkelheit eingetreten war, meister Franz Reisch“ sowie Die als Gerücht angekün- veranstaltete eine große An- eine „große Demonstration digte Gegenkundgebung fand zahl von Fremden und Ein- gegen den Bezirkshaupt- nicht statt, vorsorglich hatten heimischen mit Lampi- mann Lill von Lilienbach“ sich am Abend des 15. August ons einen Umzug durch die bekanntgemacht. die „Freiheitlichen und eine Stadt, um schließlich vor dem Haus des Bürgermei­ sters Franz Reisch zu halten. Namens der Einheimischen Dann war zu lesen: „Massen und der Fremden hielt der zogen vor das Haus unseres bekannte alldeutsche Foto- verdienten Bürgermeisters graf Herold eine Ansprache, und brachten ihm für seine in der er dem Bürgermeister stramme Haltung in der Fah- für sein tatkräftiges Eintre- nenaffäre eine herzliche, auf- ten gegen die Beleidigung der richtig gemeinte Ehrung dar. reichsdeutschen Sommergä- Herold richtete eine warm ste durch den Bezirkshaupt- empfundene Ansprache an mann dankte. Herr Reisch die Volksmenge, war durch diese Kundgebung sehr gerührt und dankte mit zog zum Haus des Bezirks­ kurzen, aber herzlichen Wor- hauptmanns und brachte ihm Franz große Zahl Sommergäste auf dem Stadtplatz“ versammelt. Eine Sonderausgabe des Kitzbüheler Boten Zustimmung deutsch­ nationaler Zeitungen In den nächsten Tagen be­ richteten nicht nur der Tiro­ ler Grenzbote (Kufstein) und die Innsbrucker Nachrichten, sondern auch der Vorarlber­ ger Volksfreund, das Alldeut­ sche Tagblatt, die Ostdeutsche Rundschau und die Linzer Ta- Die erregte Volksmenge gespost; der Kitzbüheler Bote informierte seine Leser darü­ ber, eine „Berichtigung“ des Bezirkshauptmanns wurde wegen „Raummangels“ auf die nächste Nummer verschoben. Die humoristische Wo­ chenschrift „Die Muskete“ in Wien veröffentlichte ein Gedicht „Die k. k. Nabel­ schnur“, in der Wiener Ta­ geszeitung „Die Zeit“ enthielt die belletristische Beilage ein Spottgedicht. Die Münchener „Jugend“ dichtete über den „neuen Hofer“, der Tirol abermals gerettet habe. Der bedeutenden „Neuen Freien Presse“ in Wien waren die Vorfälle in Kitzbühel ei­ nen Leitartikel wert. Acht Gemeindeausschuss­ mitglieder erklärten ihren Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin, Fürstin Sophie von Austritt, in einer außeror- Hohenberg, waren im August 1909 inkognito (Graf und Gräfin Plenis) dentlichen Sitzung des Ge­ be; Mrasferp/äs/denfß/enerth-Sc/)mer//ng/m Jägerhof zum Dejeuner meindeausschusses am 23. im Grandhotel und beim Antiquitätenhändler Johann Filzer. Bei diesem August wurde beschlossen, hatte der Erzherzog 1908 den seit langem abgebauten Barockaltar der die Ergänzungswahl für den Katharinenkirche gekauft, der noch in der Pfarrkirche Artstetten an der betroffenen dritten Wahl- eine Zwi- Donau (über der Gruft des 1914 in Sarajewo ermordeten Paares) steht. körper, der ausschließlich von Vertretern der „Kleri- eine Katzenmusik. Schrille kalen“ besetzt war, umge- Pfiffe ertönten, alle erdenk- hend auszuschreiben. Die liehen Ausdrücke, Pfui- und frei gewordenen Mandate im Abzugrufe wurden über das ersten und zweiten Wahlkör­ empörende Verhalten des Be- per wurden mit Ersatzleu- zirkshauptmanns laut.“ ten der Mehrheitsfraktion Nach ausführlicher und besetzt. Der Rest-Gemein- verständlicherweise einsei- deausschuss beschloss, sich tiger Darstellung wurde mit- am Empfange Seiner Majestät geteilt, dass die kaiserlich- des Kaisers vollzählig zu be­ ten für die Unterstützung der Aktion. Nachdem die Lampions ge­ löscht waren, begab sich der Zug vor das Haus des Bezirks­ hauptmanns, um dort zu de­ monstrieren, Reisch suchte die Menge zu beruhigen, was ihm schließlich auch gelang. Auf die Beschlagnahmung
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