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DR. HERBERr SCHÖPF LLM. — s 10 Wirtschaft Ausgabe 6 Teil 2 - Dr. Herbert SchöpfLL.M.: „Das Tiroler Grundverkehrsgesetz ist verfassungswidrig" Bauernland in Europahand K[rZBÜHEL N'SBRUC K Mit Erkenntnis vom 11.12.2008 zu G 85/08-8 hat der Verfassungsgerichtshof abermals Teile des Tiroler Grundverkehrsgeselzes als verfassungswidrig erkannt Kitzbühel 1 Unter unserem Titel „Bauernland in Europahand" erschien in der Ausgabe 01/2009 des Kitzbüheler Anzeigers vom 02.01.2009 eine Darstellung der grundsätzlichen Problematik der Bestimmungen über den sogenannten „grünen Grund- verkehr" des Tiroler Grundver- kehrsgesetz 1996 - TGVG 1996, LGB1. Nr. 61 in der Fassung LGB1. Nr. 85/2005, reflektierend auf die in diesem Zusammen- hang ergangene Judikatur des Europäischen Gerichtshofes zr Kapitalverkehrsfreiheit. Zusammenfassend wurde dort auf das, ausgehend voi der Entscheidung des Euro- päischen Gerichtshofes in der Rechtssache „Ospelt' beste- hende Spannungsverhältni; zwischen Sachverhalte mit eu- ropäischen Gemeinschaftsbe- zug (,‚Deutscher erwirbt Bau- ernhof") zu Sachverhalten ohne europäischen Gemein- schaftsbezug (,‚Österreicher erwirbt Bauernhof") eingegan- gen bzw. auf etwaige Lösungen hingewiesen. Verstößt nämlich eine na- tionale Bestimmung gegen Gemeinschaftsrecht (wie im Fall „Ospelt" dies bei den Be- stimmungen des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes zur Selbstbewirtschaftungspflicht der Fall war), so wird diese Be- stimmung, aufgrund des An- wendungsvorranges des Ge- meinschaftsrechtes, in Fällen mit Gemeinschaftsbezug ver- drängt. In Fällen ohne Ge- meinschaftsbezug ist hingegen die nationale Norm in ihrer Gesamtheit anzuwenden. Dies kann eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbür- ger gegenüber EU-Ausländern zur Folge haben (so genannte „Inländerdiskriminierung"). Dieses Spannungsverhält- nis wurde nunmehr vom Ös- terreichischen Verfassungsge- richtshof aufgegriffen und im Rahmen eines gern. Art. 140 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfas- sungsgesetz 1929) von Amts wegen eingeleiteten Gesetzes- prüfungsverfahren mit Er- kenntnis vom 11.12.2008 zu G 85/08-8 insofern gelöst, als Teile des Tiroler Grundver- kehrsgesetzes (TGVG 1996 idF LGB1. 85/2005) als verfassungs- widrig erklärt und aufgehoben wurden. Der Tiroler Landes- gesetzgeber ist nunmehr bis 30.09.2009 verhalten, eine ver- fassungskonforme Regelung zu erlassen. Konkret wurden die Bestim- mungen des § 6 Abs. i lit. b und c, die Abs. 2 und 3 sowie Teile des Abs. 7 TGVG idF LGB1. 85/2005 über die Pflicht des Er- werbers zur Selbstbewirtschaf- tungspflicht als Voraussetzung für die Erteilung der Bewffli- gung für den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen als verfassungswidrig erkannt. In sener Begründung folgte der Verfassungsgerichtshof zu- nächst der Argumentation des Europäischen C-erichtshofes in der Rechtssache Ospelt (EuGH 29.09.200, Fs. C-452/01), wo- nach zu: ErrEichung der durch- aus legitimen Ziele des (Vorarl- berger) Gru dverkehrsgesetzes (Wahrung dEs öffentlichen In- teresses, Erhaltung und Stär - kung eines leistungsfähigen Bauernstandes etc.) die restrik- tive Voraussetzung der Selbst- bewirtsdaaftuug nicht notwen- dig erscheint „Las Erfordernis der Selbstb Ewstschaftung stehe nämlich aucn e:ner Veräuße- rung von Grinistücken ent- gegen, wenn das Grundstück zum Zeitpurdzt des Verkaufs nicht vom Eigentümer, sondern von einem Landwirt als Päch- ter bewirtschaftet wird' so der Verfassuizgsgericlztshof. Wird diE Bewirtschaftung durch den Erwerber selbst nun aber zwingend als Vorausset- zung für den Erwerb land- und forstwirtschafdkhEr Flächen ge- setzlich vorgeschrieben, so hat eine deratige Maßnahme zur Folge, dass die Pachtmöglich- keiten für Landwirte, die nicht über entsprerhende Mittel zum Erwerb von Liegenschaften ver- fügen, unverhältn:smäßig ein- geschränkt werden. Insofern ist die zwingend vorgeschriebene Selbstbewirtsclzaftung durch den Erwerber sibst für die För- derung, Erhaltung und Stärkung eine; leistungsfähigen Bauern- standes sogar hinderlich. Da 4 6 TGVG 1996 in der Fassung LGB1. 85/2005 zur Konsecuenz hat, dass bei Ver- kehr mit land- und forstwirt- schafdi:hen Grundstücken mit rein innerstaatlichen Sachver- halten die grundverkehrsbe- hördiche Bewilligung zu versa- gen is:, war dieser als Folge des Eingangs erwähnten Verbotes der ‚.lrilanderdiskriminierung" :eilweise als verfassungswidrig aufzuhet en. Die dichte und unmittel- bare Durchdringung der nati- onalen iechtsordnungen der Mitgllecsstaaten der Europä- ischen Union durch suprana- tionales Gemeinschaftsrecht hat auch am Beispiel des Tiro- (er Grundverkehrgesetzes 1996 erneut gezeigt, dass Sachver- alte auch ohne unmittelbaren gemebschaftsrechtlichen Be- zug im Recht der Europäischen Union gelegene Rechtsfolgen auszu13sen vermögen. Insofern hat mit cer (teilweisen) Aufhe- bung des 6 TGVG 1996 durch den Österreichischen Verfas- sungsgerichtshof der Grundsatz „Bauerrjand in Europahand" aLch in Tirol stärkere Gültig- keit als je zuvor. ER. .4dvokatur Dr. Herbert SchöpfLL.M. Rechtsanwalt-GmbH Arkade nhof. Innsbruck Bichi straße 22 • Kitzbü hei Tel. 00431(0)5356 / 639270 advokatur@dr-schoepf.at
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