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44 Ausgabe 7 Land & Leut e MENSCHEN IM BLICKPUNKT Alpine Einsatzkräfte in erhöhter A Seit Wochen häufen sich die Meldungen über Lawi- nenunfälle in Österreich, 16 Menschen sind bereits daran gestorben. Die vor- herrschenden Bedingun- gen versetzen die alpinen Einsatzkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft, zumal die Schneefälle v om Wochenende die heikle Situation noch verschärft haben - ein Lokalaugen- schein aus der Kitzbüheler Bergwelt. Kitzbühel | Wer kennt dieses Gefühl nicht, wenn nach ei- ner Niederschlagsperiode der erste sonnige Tag mit glit- zerndem Pulverschnee auf die Berge lockt? Atemberaubende Schwünge d urch unverspur- tes Gelände a bseits der gesi- cherten Pisten sind dann für viele Wintersportler das Maß aller Dinge. Noch einzigarti- ger erscheint vielen das alpine Erlebnis, wenn man der Erste ist, der seine Schwünge in d en unberührten Pulverschneehang ziehen kann. Doch die Gefahren, die bei jedem dieser Abenteuer lau- ern, werden gerne verdrängt oder schlimmstenfalls gar nicht wahrgenommen. Denn auch ein „bisserl Tiefschneefahren“ im freien Gelände i st äußerst riskant und wird sehr ot un- terschätzt, w ie Martin Hautz, Bezirkschef der Alpinpolizei Kitzbühel, und J oe Berger, stell- vertretender Bergrettungsob- mann der Kitzbüheler Orts- stelle, im Gespräch m it dem Kitzbüheler A nzeiger warnen. Das „biss‘l“ Tief schnee- fahren ist riskant“ „Der erste Variantenfahrer oder Snowboarder fährt n ur zehn Meter neben der Piste, und es passiert nichts. Dann fährt e in Weiterer ein paar Meter dane- ben in den Hang ein, und es pas- siert wieder nichts. Aber schon beim Dritten oder Vierten kann das Horrorszenario eintreten: Es löst s ich ein Schneebrett, weil die Gegebenheiten, etwa Hang- neigung, Windverfrachtungen, etc. mittlerweile grundlegend verändert sind“, schildern die beiden Alpinisten. Sie warnen in aller Deutlichkeit: „Skifah- ren im freien Gelände i st im- mer ein Risiko. Unerfahrenen Wintersportlern ist diese Tat- sache in diesem Ausmaß n icht bewusst.“ Schneedeckenaufbau heuer ungünstig Heuer ist die Lawinensituation besonders heikel, denn der Auf- bau der Schneedecke ist schon seit dem ersten Schneefall äu- ßerst ungünstig. „Anfang Jän- ner hat es bis in hohe Lagen geregnet, dann hat es wieder geschneit — und das bei hef- tigem Wind“, schildert Hautz. Zusammen mit der andauern- den Kälteperiode der vergan- genen Wochen ist nun eine Si- tuation entstanden, die man in der Expertensprache als „sehr kritisch“ bezeichnet. Schneefall, Wind und Kälte am W ochenende Wie Hautz und Berger begrün- den, konnte sich die „Altschnee- decke mit dem Neuschnee nicht zu einer kompakten Schicht verbinden.“ Oder anders aus- gedrückt: Der Schnee wandelt sich nicht um, sondern behält Die Lawinen- Gefahrenskala von 1 bis 5 Stufe 5 -Sehr groß: Die Schnee- decke ist allgemein schwach verfestigt und weitgehend in- stabil. Spontan sind viele große, mehrfach auch sehr große L a- winen, auch in mäßig steilem Gelände zu e rwarten. Stufe 4 - Groß: D ie Schneedecke ist an den meisten Steilhängen schwach verfestigt. Lawinenaus- lösung i st bereits bei geringer Zusatzbelastung, d. h: durch ein- zelne Skifahrer/Snowboarder, sant schwingend, nicht stür- zend, Schneeschuhgeher oder eine Gruppe mit Entlastungs- abständen (>10m) an za hlrei- chen Steilhängen wahrschein- lich. Fallweise sind spontan viele mittlere, mehrfach auch große Lawinen zu erwarten. Stufe 3 - Erheblich Die Schneedecke ist an vie- len Steilhängen n ur mäßig bis schwach verfestigt. Lawinen- auslösung i st bereits bei gerin- ger Zusatzbelastung vor allem an den Steilhängen m öglich. Fallweise sind spontan einige mittlere, vereinzelt aber auch große L awinen möglich. Stufe 2 - Mäßig Die Schneedecke ist an einigen Steilhängen n ur mäßig verfes- tigt, ansonsten allgemein gut verfestigt. Lawinenauslösung i st insbesondere bei großer Z usatz- belastung (zwei oder mehrere Skifahrer/Snowboarder ohne Entlastungsabstände) v or al- lem in den Steilhängen mög- lich. Große s pontane Lawinen sind nicht zu erwarten. Stufe 1 - Gering. Die Schneedecke ist allgemein gut verfestigt und stabil. Lawi- nenauslösung i st allgemein nur bei großer Z usatzbelastung an vereinzelten Stellen im ext- remen Steilgelände m öglich. Spontan sind nur Rutschungen und kleine Lawinen möglich. Erklärung H angneigungen: mäßig steil: Hänge lacher als rund 30 Grad. Steilhänge: Hänge steiler als rund 30 Grad. extremes Steilgelände: b eson- ders ungünstige H änge b ezüg- lich Neigung (steiler als etwa 40 Grad), Geländeform, K amm- nähe und B odenrauigkeit Martin Hautz, Chef der Alpinpolizei im Bezirk Kitzbühel. Fotos(2): Fusser Joe Berger ist stellvertetender Chef der Bergrettung Kitzbühel.
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