Kitzbüheler Anzeiger

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8 Aktuell Ausgabe 34 Brigitte Lackner war die erste gewählte Bürger- meisterin im Bezirk. Seit 2010 hat die ehemalige Gastwirtin das Zepter in der Gemeinde St. Ulrich in der Hand. Sie ist mit Leib und Seele Bürgermeiste- rin, aber eine Rarität. Vor Kurzem fand in St. Ul- rich zum zweiten Mal das Bür- germeisterinnen-Trefen statt. In diesem Jahr sogar das erste Mal auf europäischer Ebene. Wie ist die Stimmung unter Ihren Kolleginnen? 2016 hatte ich mir vorgenom- men, wenn ich wieder zur Bür- germeisterin gewählt werde, dann möchte ich neben dem alljährlichen österreichischen, ein erstes europäisches B ürger- meisterinnen-Trefen initiieren. Die Stimmung war grandios. Die Vernetzung ist sehr wich- tig, denn im Prinzip haben wir alle die gleichen Sorgen, Plich- ten und auch Freuden – egal im welchen Land man Bürger- meisterin ist. Die Resonanzen auf die Vorträge und d as Pro- gramm waren nur positiv. In anderen Ländern kannte man solche Vernetzungstrefen ja noch nicht. Warum glauben Sie, wa- gen sich immer noch so we- nig Frauen in den Gemein- den in die Politik? Vielen Frauen fehlt leider noch immer das gewisse Selbst- bewusstsein, das es in der Poli- tik braucht. Wir Frauen haben ot Angst, als „Wichtigtue- rinnen“, „Besserwisserinnen“ oder „Emanze“ ab gestempelt zu werden. Zudem stellen wir an uns selbst zu hohe Ansprü- che und haben Angst, die- sen nicht gerecht zu werden. Männer g ehen z.B. mit Belei- digungen oder ungerechtfer- tigter Kritik ganz anders um, sie werden vielleicht laut oder schenken dem weniger Beach- tung. Frauen hingehen lassen sich ot zu leicht kränken und provozieren. Was halten Sie persönlich v on der Forderung, eine Quote für Frauen in der Politik festzule- gen? Würde d as den Zugang zur Politik erleichtern bzw. selbst- verständlicher machen? Von Quoten halte ich im Grunde sehr wenig, denn nicht jede Frau bringt die Vorausset- zungen für d as glatte Parkett in der Politik mit. Wie sind Sie in die Politik gekommen? Ich habe mich schon immer für ö fentliche Belange interes- siert. Durch meinen Beruf als Gastwirtin habe ich auch mit- bekommen, welche Probleme am Stammtisch diskutiert wer- den. Ich wollte etwas bewegen und bin der ÖVP b eigetreten. 1998 bei meiner Wahl zur Ge- meinderätin h abe ich dann be- reits die meisten Vorzugsstim- men im Ort bekommen. Nach zwei Perioden im Ge- meinderat habe ich mich auf- grund des Rückhaltes, d en ich bei den St. Ulrichern gespürt habe, dazu entschieden, als Bür- germeisterin gegen zwei Män- ner zu kandidieren. Es kam zu einer Stichwahl. Damals hätte man mir den Deal angeboten, dass mein Gegenkandidat auf eine Stichwahl verzichtet, wenn ich ihn ix zum Vize-Bürger- meister mache. Das habe ich sofort abgelehnt, mir war es wichtig, von der Bevölkerung gewählt z u werden – und so war es dann auch. Bei der Gemeinderatswahl 2016 wurde ich in meinem Amt bestätigt und k onnte sogar an Stimmen zulegen. Gibt es Ihrer Meinung nach Unterschiede zwischen „männli- cher“ und „weiblicher“ Po litik? Die Politik unterscheidet sich insofern darin, dass Frauen an- ders an die hemen herangehen und auch Zukuntsprojekte ot anders bewerten. Ich kann mich noch gut an den rauen männli- chen Gegenwind erinnern, als ich den Vorschlag machte, eine Kinderkrippe zu errichten. Wir waren dann nach viel Überzeu- gungsarbeit eine der ersten Ge- meinden in Tirol mit einer Kin- derkrippe, die nun mittlerweile überbelegt ist. Auch im politischen Stil gibt es Unterschiede. Männer pol- tern gerne, Frauen bleiben lie- ber sachlich. Im St. Ulricher Ge- meinderat ist es mir gelungen, eine gute Gesprächskultur e in- zuführen. E s braucht keiner zu schreien oder untergriig zu wer- den. Jeder wird gehört und s oll seine Meinung sagen können. Die meisten Frauen dringen in der Politik auf Gemeinde- ebene in eine Männer-Domäne ein, hatten Sie mit Vorurteilen zu kämpfen? Ehrlich gesagt könnte ich mittlerweile ein Buch über per- sönliche A ngrife schreiben. Besonders am Anfang haben männliche K ollegen im Gemein- derat mit allen Mitteln versucht mich auf die Palme zu bringen, bis hin zu Intrigen. Es hat mir im Inneren zwar sehr weh ge- tan, durch meine Geradlinig- keit und Ausgeglichenheit, habe ich aber auch das überstanden. Ich habe auch das Glück d urch meinen ehemaligen Beruf im Tourismus ein ziemlich star- kes Nervenkostüm zu h aben. Mein Motto lautet in jeglicher Situation: „Ruhe zu bewahren“. Eine Frage, die leider nach wie vor nur Frauen gestellt wird: Familie und Politik – ist das vereinbar? Ja, wenn man einen verständ- nisvollen und loyalen Partner hat, so wie ich, dann ist es mög- lich. Unser Sohn ist schon seit vielen Jahren aus dem Haus, aber jetzt kommen die Enkelkinder des Öteren zu B esuch und da Warum wagen sich immer noch so wenig Frauen in die Gemeindepolitik? Die Bürgermeisterin B „Das gewisse Selbstbewusstsein f „Wenn man sich bei Vereinen, Organisationen oder im sozialen Bereich engagiert, ist das ein guter Einstieg in die Politik“, rät Bürgermeisterin Brigitte Lackner Frauen, die sich politisch engagieren möchten. Foto: Monitzer
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