Kitzbüheler Anzeiger

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Heimatblätter Nr. 10/2023 Kitzbüheler Heimatblätter konnte, hinaufzusteigen. Rund um dieselbe zog sich ein Band von rotem, wohlgeschichtetem Marmor, der zu Tischplatten und Kirchenschmuck gebro- chen wird und wenn er nicht hoch im Gebirge stände, g e- wiss allseits verwendet würde. Der Paläontologe kann hier eine Nachlese von versteiner- ten Ammoniten halten. Das Labyrinth der Vorberge Der Weg zum Joch zieht sich über Mähder, aus welchen sich ein kleiner, von Zwergföhren überwachsener F elsgipfel mit der Triangulierungspyramide erhebt. Bald war dieser er- klettert. Der Postmeister hatte Recht, man genießt h ier wirk- lich eine unvergleichliche Fern- sicht. Im weiten Bogen schim- mern die Schneehörner und Gletscher der Zentralalpen, in greiarer Nähe r agen die Fel- sen der Kalkkare empor, und dann das Labyrinth der grünen waldigen Vorberge, vor wel- chen sich das bayrische Flach- land mit dem Chiemsee in un- gemessene Weiten ausdehnt. Wer beobachtet einen Sonnenuntergang? Auf diesen Höhen b richt die Nacht schnell herein; deshalb musste ich mich beeilen um ohne Gefährde zurückzukeh- ren. Dem Senner schien es un- begreiflich, dass ich wegen des Unterganges der Sonne auf das Joch gestiegen, das sehe man ja alle Tage, wenn nicht etwa der Himmel trübe s ei. Unser Sinn für schöne Landscha en und die Reize der Natur ist ein Re- sultat der Bildung; der Land- mann betrachtet diese Dinge durchaus aus dem realistischen Standpunkte des Nutzens. Ein reiner Sonnenuntergang deu- tet ihm auf gutes Wetter für das Mähen, die B lumen ge- ben süßes Heu, und wenn sich statt der unfruchtbaren Berge Kornfelder ausdehnten, dann erst wäre die G egend schön. Bei den Touristen ist freilich die Bewunderung der Natur auch nur eine Mode, die mit- gemacht werden muss. Ausführlich widmet sich Pich- ler dann den Unterständen f ür westlich, wusste ich doch, dass ich in das Tal der Ache gelan- gen musste. Durch den Wald niedersteigend, kam ich an die bewachsenen Reste einer Schanze, welche die Verbindung zwischen Kössen und W aidring gedeckt hatte, und von hier zu einem Bauernhof, dessen Herr seit uralter Zeit ein eigentüm- liches Vorrecht übt. D er Geist- liche des Dorfes, dem er ein- gepfarrt ist, darf nämlich die Christmette nicht früher be- ginnen, bis jener eine schwere Butterkugel auf den Altar nie- dergelegt hat. Von Arbeitern und Bauern in Kössen Zu Kössen i st ein Hüttwerk und in Folge dessen gibt es hier Viele, die als Arbeiter vom Ta- geserwerb leben. Doch zählt man auch sehr reiche Bauern, welche ihre Habe gut zusam- menzuhalten wissen, und bei denen bereits der Trieb, sich durch Bücher und Z eitschri en, welche nicht immer der Pfarrer empfohlen hat, zu belehren, er- wacht ist. Durch einen Studen- ten wurde ich mit den Leuten bekannt und verbrachte einige angenehme Stunden hier. Die Ebene von Kössen i st unver- kennbar der Boden eines ehe- maligen Sees, von welchem der Walchsee ein Überrest i st, und dessen Wasser durch die Spalte von Klobenstein abflossen. So heißt e in Felsenriegel östlich die Tiere auf den Almen, dem Schmutz in den Almhütten u nd der mangelha en Sauberkeit der Senner, wobei er betont, dass letzteres für a ndere Gegenden des Landes gelte. Der Professor tadelt die Senner Der Senner verbringt die lan- gen Stunden des Tages gewöhn- lich in göttlicher F aulheit; ist das Wetter schlecht, liegt er auf dem Heu und horcht be- haglich dem Klopfen des Re- gens zu, scheint die Sonne, so sucht er einen weichen Gras- fleck, legt sich auf den Bauch und qualmt einen Tabak, des- sen Gestank sich nur mit dem seiner Wäsche vergleichen lässt. Der Müßiggang wird nur durch das Melken des Viehs, die Be- reitung der Butter, die zu gro- ßen B allen geschlagen, in so genannte Männlein aufgestockt wird, des Käses, w elcher eben- falls im Gaden in Reih und Glied steht, und vor allem durch das Kochen des schmalzigen Breies, der tagein, tagaus als Kost dient, unterbrochen. Die Steine, welche über die A lm zer- streut den Graswuchs hemmen, aufzusammeln, fällt einem sol- chen Schlingel nur selten ein. Hartes Urteil über Sennerinnen Der Leser erwartet, ich werde ihm nun auch von den Senner- innen erzählen, e twa in der Art, wie er Stücke a uf der Bühne g e- sehen hat, wo alles parfümierte Empfindsamkeit atmet. In Tirol versehen auf der Alm fast aus- schließlich S enner den Dienst; der Klerus, welcher strenger ge- worden, eifert überall gegen die Dirnen, und es lässt s ich nicht leugnen, dass früher Männlein und Weiblein in nackter Para- dieseinfalt da droben auf den Bergen zusammenlebten. Was man jetzt von Weibsleuten auf der Alm tri , ist gewöhnlich so garstig, dass man gewiss keine mit einer Zange anrüh- ren möchte. O b das Mittel ge- holfen hat? Daran zweifelt je- der, der das Unterland kennt, wo das sechste Gebot wohl im Katechismus steht, aber Buben und Mädeln n icht immer ins Blut übergegangen ist. Marmorsäule am Scheibelberg Noch ehe die Sonne aufging, stand ich vor der Marmor- säule, welche mit den Wappen Tirols, Bayerns und Salzburgs geschmückt, die h ier zusam- menlaufende Grenze dieser drei Länder bezeichnet. Nach einer Sage hätten die F ürsten dieser Länder einmal hier ge- tafelt und der Stuhl eines jeden sei auf dem Gebiete desselben gestanden. Butterkugel zur Christmette Von hier wendete ich mich Postgasthof am Kirchplatz in Waidring um 1860 . „Waidring in Bildern“, Herausgeber Gemeinde Waidring (2015).
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