Kitzbüheler Anzeiger

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Heimatblätter Nr. 8/2024 Kitzbüheler Heimatblätter nen zu bleiben. Dort hauste sie mit unserer österreichischen K ö- chin, die wir schon aus Russland mitgebracht hatten, einer jungen russischen Ostarbeiterin aus Se- wastopol und unserer vierjähri- gen Tochter Alexandra. In dem ohnehin kleinen Raum fand auch ich noch Platz. Die Wohnverhältnisse waren zwar beengt, aber es ging uns relativ gut. Unsere amerikani- schen Soldaten, meist Studenten, verwöhnten A lexandra, die zum ersten Mal in ihrem Leben Scho- kolade bekam. Sie waren trotz Fraternisierungsverbot freundlich und nett. Als sie abzogen, hin- terließen s ie das Haus in tadel- loser Ordnung, selbst die unter einem Bett versteckten Weinfla- schen waren unberührt. Nach meiner Rückkehr w ar ich zum ersten Mal seit langen Jah- ren in der ungewohnten Lage, keine Beschä igung zu haben. Ich versuchte, mich so gut es ging, nützlich zu m achen. Um vier Uhr morgens stellte ich mich um Blutwurst oder Brot an und kam nach einigen Stunden stolz mit dem Erstandenen zurück. Tagsüber v ersuchte ich mich im Garten im Gemüsebau. W äh- rend ich so friedlich vor mich hin werkelte, wurde Pussi eines Tages völlig u nerwartet verhaf- tet und im Kitzbüheler G efäng- nis eingesperrt. Ich konnte mir nicht erklären, w arum sie und nicht ich verha et worden war, und suchte sofort die CIA auf. „Schutzengel“ der Fremdarbeiter Ich erklärte d ort, ich sei nie ein Nazi gewesen, hätte d er Wider- standsbewegung angehört. Und zwei meiner Vorgesetzten, Bot- scha er Graf von der Schulen- burg und Oberst Graf Stauffen- berg, seien hingerichtet worden. Es stellte sich heraus, dass sie an mir gar nicht interessiert wa- ren, sondern Pussi verdächtig- ten, mit einer für Z wangsarbei- ter zuständigen SS-Dienststelle zusammengearbeitet zu ha- ben. Das stimmte in gewisser Hinsicht. Ich und später u nser russisches Mädchen Walja ver- suchten, der CIA den Sachver- halt zu erklären. Da Pussi Russisch, Französisch und Italienisch sprach, war sie als Dolmetscherin und Sachver- ständige f ür f remde Völker h e- rangezogen worden. Sie hatte in dieser Stellung viel tun kön- nen, um den Fremdarbeitern zu helfen. O hatte sie Unheil von ihnen abgewandt und Miss- verständnisse a ufgeklärt. D ie Fremdarbeiter nannten sie ihren „Schutzengel“. So nntags hielt sie Sprechstunde und ihre Schutz- befohlenen kamen zuhauf. Sie brauchten Rat und Hilfe und o nur ein gutes Wort. Pussi hatte sich gegenüber d en deut- schen Dienststellen auf General Köstring b erufen, um eine bes- sere Behandlung der Ostarbei- ter zu erreichen. Als sie nicht sofort freigelassen wurde, alarmierte Walja die an- deren Fremdarbeiter in Kitzbü- hel. Diese zogen zahlreich zur Militärregierung u nd verlangten die unverzügliche F reilassung. Sie drohten, das Gefängnis zu stürmen u nd sie mit Gewalt zu befreien. Nach drei Tagen war Pussi wieder frei. Mit der 42. Infanterie- division nach Salzburg Ich wurde von Captain Robert Kennefax als Dolmetscher beru- fen. Die . Infanteriedivision wurde bald nach Salzburg ver- legt, weil Kitzbühel d en Fran- zosen übergeben w urde. Ken- nefax war wütend, K itzbühel verlassen zu müssen. E r nahm mich mit nach Salzburg. So ver- abschiedete ich mich von der Fa- milie und fand in Salzburg bei Bekannten Unterkun . Die . Division wurde aber bald nach Wien verlegt. Herwarth wollte nach Kitzbühel zurückkehren. D urch Zufall be- gegnete er einem Freund aus der Moskauer Zeit. Charles ayer war nun Chef des Office of Stra- tegic Services (OSS) für Ö ster- reich mit Amtssitz in Sti St. Peter. Er sorgte für H erwarths Entlassung aus der deutschen Armee, aber auch für P apiere, mit denen er die scharf über- wachte Zonengrenze in Hoch- filzen für F ahrten nach Kitzbü- hel ungehindert überschreiten konnte. Im Spätsommer wurde Herwarth einer ame- rikanischen historischen For- schungsgruppe in Wiesbaden zugeteilt. Dort freundete er sich mit Captain Peter Harnden an, der in München s tudiert hatte und Architekt war und bald an das Amerikanische Gene- ralkonsulat in München v er- setzt wurde. Herwarth erhielt eine Aufgabe in der Bayrischen Staatskanzlei. Die Familie blieb vorerst in Kitzbühel. ) Eine Hochzeit in Kitzbühel Der Abschluss von Herwarths Kitzbühel-Erlebnissen bildet die Schilderung einer ungewöhnli- chen Hochzeit. Im Winter heirateten Pe- ter Harnden, nun Mitarbei- ter am Amerikanischen Gene- ralkonsulat in München, und Prinzessin Missi Wassiltschi- kow in Kitzbühel. D a Missi or- thodox war, wurde die Trauung von einem Popen nach ortho- doxem Ritus vollzogen. An ei- nem sonnigen Wintertag zogen wir in einer kleinen Prozession hinauf zur altehrwürdigen k a- tholischen Frauenkirche, die be- herrschend über K itzbühel l iegt. Nach orthodoxem Brauch muss ein kleiner Junge dem Braut- paar eine Ikone vorantragen. Unsere vierjährige T ochter Al- exandra wurde also als Junge verkleidet. Der Bräutigam t rug amerikanische Uniform. Dem Brautpaar folgten die drei Trau- zeugen, Hauptmann Graf Guy La Brosse von der französischen Bei den Freiwilligenverbänden in P olen (1942), von links General Köstring, General v on Gienanth, Graf von der Schulenburg und Herwarth. Fotos aus dem Buch „Zwischen Hitler und Stalin“ (4)
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