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Kitzbüheler Heimatblätter Heimatblätter Nr.8/2024 rung in französischer U niform, Paul Metternich und ich, die wir beide deutsche Offiziere gewesen waren. Abwechselnd hielten wir während d er Trauungszeremo- nie eine schwere Krone über d ie Köpfe des jungen Paares. Wir wa- ren wohl alle ergriffen von der symbolischen Bedeutung dieser Stunde. Menschen aus vier Na- tionen, die noch vor kurzem in einem grausamen Krieg gegen- einander gekämp hatten, wa- ren in dieser feierlichen Hand- lung miteinander vereint. Im „Reichsluftschutz- keller“ Herwarths Familie hatte schon im Winter / eine Woh- nung in Kitzbühel. Die S tadt be- herbergte viele Gäste, aber die internationalen Besucher blie- ben aus. Uniformen bestimm- ten das Bild. Heer und Lu waffe beanspruchten Betten für Urlau- ber und Genesende und ganze Gastbetriebe als Lazarette. Die Hahnenkammbahn beförderte zu Sonderpreisen Soldaten und ihre „Bräute“ und e rzielte Beför- derungsrekorde, aber sinkende Einnahmen. Die Zahl der ech- ten „Fremdenbetten“ sank auf weniger als . Vom Bombenkrieg fast verschont Der Bombenkrieg der Alli- ierten auf Industriestandorte und Großstädte führte im A p- ril zur Festlegung von Ent- sende- und Aufnahmegauen. Der „Reichsluschutzkeller“, als der Kitzbühel bezeichnet wurde, weil es keine Indust- riebetriebe und keine kriegs- wichtigen Bahnanlagen auf- wies, wurde mit Zustimmung von Adolf Hitler auch als siche- rer Platz für M itglieder verbün- deter Regierungen bestimmt. Sie beanspruchten fernab vom Kriegsgeschehen in der Hei- mat im Grandhotel Betten. Auch die „Kinderlandverschi- ckung“ aus bombengefährdeten Gauen und die reservier- ten Plätze f ür die W ehrmacht im Lu waffenkurheim brach- ten ungewöhnliche Gäste nach Kitzbühel. I n den letzten Kriegs- monaten schwoll die Zahl der Flüchtlinge a us dem Osten und Südosten an. In seiner Biographie erinnert Herwarth an ein besonderes Erlebnis in der Neujahrsnacht . Nach der Ballnacht in die Fabrik Einige Kitzbüheler D amen hat- ten die Idee, im Tennisklub einen Neujahrsball zu veranstalten, ob- wohl öffentliche T anzveranstal- tungen nicht erlaubt waren. Zu diesem Ball wurden vor allem die verwundeten und auf Hei- maturlaub befindlichen Offi- ziere eingeladen. Pussi und ich wollten den Abend eigentlich ge- mütlich zu H ause verbringen, beschlossen um elf Uhr abends doch, auf den Ball zu gehen. Da es sehr kalt war, zog ich über meinen Smoking den Offiziers- pelz, setzte die Mütze a uf und schnallte das Koppel mit Pis- tole um. In diesem halb militä- rischen, halb zivilen Aufzug ver- ließ i ch mit Pussi das Haus. Es war ein rauschendes Fest, und wir tanzten bis in den Morgen. Plötzlich ertönte der Ruf, das Haus sei von der Polizei um- stellt. Kurz entschlossen nahm ich Pussi an der Hand, verwan- delte mich wieder in einen Of- fizier und kletterte mit ihr zum Fenster hinaus, um nach Hause zu gehen. Nach einigen Schritten wurden wir von einem Polizis- ten abgehalten. Bevor er sagen konnte, was er von uns wollte, brüllte i ch ihn an, er solle gefäl- ligst militärische Haltung einneh- men und sich im Übrigen zum Teufel scheren. Er stand stramm und wir gingen weiter. Auch an- deren gelang es, sich zu entfernen, ohne dass ihre Personalien fest- gestellt wurden. Einige von uns trafen sich ein wenig später i m Hause eines persischen Freun- des. Wir waren zwar weniger geworden, feierten aber fröh- lich bis fünf U hr morgens weiter. Die Folgen des Abends waren für einige r echt unangenehm. Die Damen, die den Ball orga- nisiert hatten, wurden schon nach wenigen Tagen als Arbei- terinnen in Fabriken geschickt. ) „Zwischen Hitler und Sta- lin. Erlebte Zeitgeschichte – “ erschien im Propy- läen V erlag. Im Vorwort dankte Herwarth besonders seiner Frau, die ihn auf dem Lebensweg be- gleitet hat, und würdigt i hr „ein- zigartiges Gedächtnis“. Die e ng- lische Ausgabe „Against Two Evils“ erschien . Ein zwei- ter Band „Von Adenauer bis Brandt“ ( ) informiert über die Berufsarbeit nach dem Krieg. ) Die Tochter Alexandra (ver- heiratete Marchl) war bis zeitweise in Kitzbühel gemeldet, sie verzog nach „Afrika“. Für die Suchhilfe gilt der herzliche Dank Christian Mayr (Melde- amt), Dr. Marianne Erber (Stadt- archiv), Peter Brandstätter und Dir. Marialuise Brandstätter s o- wie Barbara Bonatti für w ert- volle Hinweise. Hochzeit in Kitzbühel im Jänner 1946: Captain Peter Harnden mit Maria, geb. Prinzessin Wassiltschikow vor der Frauenkirche in Kitzbühel, mit Alexandra Herwarth und Hochzeitsgästen. Hans Heinrich von Herwarth (1904 – 1999) war Diplomat, Adjutant des Ge- nerals der Freiwilligenverbände und im Widerstand gegen Hitler.
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